Übersicht über rezeptfreie Arzneimittel

VonShalini S. Lynch, PharmD, University of California San Francisco School of Pharmacy
Überprüft/überarbeitet Mai 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Rezeptfreie Arzneimittel sind Medikamente, die nicht verschreibungspflichtig, also freiverkäuflich, sind.

Rezeptfreie Medikamente geben Menschen die Möglichkeit, viele lästige Symptome zu lindern, und einige Erkrankungen einfach und ohne Arztkosten zu behandeln. Allerdings erfordert die sichere Verwendung solcher Medikamente einige Kenntnisse, gesunden Menschenverstand und Verantwortungsbewusstsein.

Neben Substanzen wie Aspirin und Paracetamol, die üblicherweise mit rezeptfreien Medikamenten assoziiert werden, gelten laut der US-amerikanischen Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) eine Reihe anderer allgemein verfügbarer Produkte als rezeptfreie Medikamente. Einige Zahnpasten, Mundwasser, Augentropfen, Warzenentferner, Erste-Hilfe-Cremes und -Salben, die Antibiotika enthalten, und auch einige Anti-Schuppen-Shampoos gelten als rezeptfreie Arzneimittel. Jedes Land schreibt fest, welche Medikamente in diesem Land rezeptfrei erhältlich sind.

Einige dieser Arzneimittel waren ursprünglich nur auf Rezept erhältlich. Nach vielen Jahren der Verwendung als verschreibungspflichtige Medikamente mit ausgezeichneter Sicherheitsstatistik können Arzneimittel von der FDA für den freien Verkauf zugelassen werden. Beispiele für solche Medikamente sind das Schmerzmittel Ibuprofen sowie das Mittel gegen Sodbrennen Famotidin. Häufig enthält die freiverkäufliche Version eine viel geringere Menge des Wirkstoffs in der einzelnen Tablette, Kapsel oder Filmtablette als das verschreibungspflichtige Medikament. Bei der Festlegung sachgerechter Dosen für rezeptfreie Medikamente versuchen Hersteller und FDA, ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Wirksamkeit zu erreichen.

Rezeptfreie Medikamente werden nicht immer besser vertragen als ähnliche verschreibungspflichtige Medikamente. So kann das rezeptfreie Schlafmittel Diphenhydramin insbesondere für ältere Menschen so schwere unerwünschte Ereignisse verursachen wie viele verschreibungspflichtige Schlafmittel.

Historischer Hintergrund

Einstmals waren die meisten Medikamente ohne Rezept erhältlich. Bevor die US-amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) existierte, konnte praktisch alles in ein Behältnis gefüllt und als absolut sicheres Medikament verkauft werden. Alkohol, Kokain, Marihuana und Opium waren in einigen rezeptfreien Produkten enthalten, ohne dass Verbraucher darüber informiert wurden. Der „Food, Drug, and Cosmetic (FDC) Act“ von 1938 gab der FDA eine gewisse Autorität für den Erlass von Regulierungen, gab aber keine klaren Richtlinien darüber vor, welche Medikamente nur gegen Rezept und welche ohne Rezept verkäuflich sein sollten.

Ein Zusatz zum FDC Act im Jahre 1951 versuchte, den Unterschied zwischen rezeptfreien und rezeptpflichtigen Medikamenten klarzustellen und Fragen der Arzneimittelsicherheit zu klären. Rezeptpflichtige Medikamente wurden als Präparate definiert, die ohne ärztliche Aufsicht suchterzeugend, toxisch oder unsicher sein könnten. Alles andere durfte frei verkauft werden.

In einem Zusatz zum FDC Act von 1962 wurde festgelegt, dass freiverkäufliche Medikamente sowohl wirksam als auch sicher sein müssen. Allerdings kann es schwierig sein, Wirksamkeit und Sicherheit nachzuweisen. Was bei einem Menschen wirksam ist, muss es bei einem anderen nicht sein, und jedes Medikament kann unerwünschte Arzneimittelwirkungen (auch unerwünschte Ereignisse oder Nebenwirkungen genannt) verursachen. Bis zum Jahr 2007 gab es in den Vereinigten Staaten kein organisiertes System, um unerwünschte Ereignisse von rezeptfreien Medikamenten zu berichten. Dann trat in diesem Jahr ein Gesetz in Kraft, das Unternehmen dazu verpflichtete, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit rezeptfreien Medikamenten zu berichten (siehe Rezeptfreie Produkte und Nahrungsergänzungsmittel).

Sicherheitserwägungen

Sicherheit ist für die US-amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA) ein wichtiges Anliegen bei der Reklassifizierung eines rezeptpflichtigen Medikaments als rezeptfreies Arzneimittel. Im Unterschied zu Reformkost, Nahrungsergänzungsmitteln (inkl. Heilkräuter) und komplementärmedizinischen Therapien wurden die meisten rezeptfreien Medikamente umfassend wissenschaftlich erforscht. Allerdings sind alle Medikamente mit Nutzen und Risiken verbunden, und um von dem Nutzen eines Medikaments profitieren zu können, muss ein gewisses Risiko in Kauf genommen werden. Ein akzeptables Risiko zu definieren ist eine Ermessensfrage.

Reklassifizierung als rezeptfreie Arzneimittel

Die folgenden Fragen können dabei helfen, festzustellen, ob ein Arzneimittel sicher genug ist, um frei verkauft zu werden:

  • Ist das Arzneimittel lange genug im Gebrauch, so dass schädliche Wirkungen bekannt sein müssten?

  • Welche schädlichen Wirkungen (auch infolge von Missbrauch) könnte das Arzneimittel hervorrufen?

  • Kann das Arzneimittel süchtig machen?

  • Überwiegen die Vorteile gegenüber den Risiken?

Andere Fragen helfen bei der Bestimmung, wie einfach eine Erkrankung diagnostiziert und dann außerhalb des Rahmens der Gesundheitsversorgung behandelt werden kann:

  • Kann der Durchschnittsverbraucher die Erkrankung, für die dieses Arzneimittel gedacht ist, selber diagnostizieren?

  • Kann eine durchschnittliche Person die Behandlung ohne Hilfe einer medizinischen Fachkraft vornehmen?

Letztendlich müssen Personen verstehen, wie das Arzneimittel anzuwenden ist. Die Beschriftung auf der Außen- und Innenseite der Verpackung ist daher ein wichtiger Faktor.

  • Können genaue Gebrauchsinformationen formuliert werden?

  • Können Warnhinweise vor unsicherem Gebrauch formuliert werden?

  • Sind die Informationen auf dem Etikett für jedermann verständlich?

Auswahl und Verwendung rezeptfreier Arzneimittel

Die Sicherheit hängt von der sachgerechten Verwendung des Medikaments ab. Bei rezeptfreien Arzneimitteln hängt die korrekte Verwendung oft von der Selbstdiagnose des Verbrauchers ab, was Raum für Irrtümer lässt. So sind Kopfschmerzen zumeist nicht gefährlich. Dennoch können sie, wenn auch selten, ein frühes Warnzeichen eines Hirntumors oder einer Hirnblutung sein. Schmerzen, die als heftiges Sodbrennen erscheinen, können Vorboten eines Herzinfarkts sein. Letztlich entscheidet aber jeder Mensch mit seinem gesunden Menschenverstand für sich selbst, welche Beschwerden und Symptome geringfügig sind und wann er einen Arzt oder Apotheker hinzuziehen will.

Die Leitlinien zur Wahl und Verwendung von rezeptfreien Arzneimitteln lauten wie folgt:

  • Vergewissern Sie sich, dass Ihre Selbstdiagnose so genau wie möglich ist. Geben Sie sich nicht damit zufrieden, dass eine Erkrankung „gerade grassiert“.

  • Wählen Sie ein Präparat, weil die Inhaltsstoffe für Ihre Symptome geeignet sind, nicht weil Ihnen der Markenname bekannt ist.

  • Wählen Sie ein Präparat mit den wenigsten Bestandteilen. Präparate, die jedes denkbare Symptom lindern sollen, enthalten meist auch Wirkstoffe, die der Einzelne gerade nicht braucht, und kosten zudem mehr.

  • Lesen Sie das Etikett sorgfältig, um die korrekte Dosis und Vorsichtsmaßnahmen herauszufinden und zu erfahren, unter welchen Umständen das Medikament die falsche Wahl sein könnte.

  • Fragen Sie im Zweifelsfall Ihren Arzt oder Apotheker nach dem passenden Wirkstoff bzw. Präparat.

  • Bitten Sie Ihren Apotheker, mögliche Wechselwirkungen mit anderen von Ihnen verwendeten Medikamenten zu überprüfen.

  • Fragen Sie Ihren Apotheker nach möglichen Nebenwirkungen.

  • Überschreiten Sie die empfohlene Dosierung nicht.

  • Nehmen Sie ein rezeptfreies Arzneimittel nicht länger ein als auf der Packung bzw. in der Gebrauchsinformation vermerkt. Setzen Sie das Arzneimittel ab, wenn sich Ihre Symptome verschlimmern.

  • Bewahren Sie alle Arzneimittel, auch rezeptfreie Arzneimittel, außerhalb der Reichweite von Kindern auf.

Lesen der Etiketten der rezeptfreien Arzneimittel

Wer rezeptfreie Arzneimittel kauft, sollte die Anweisungen gründlich lesen und befolgen. Da unterschiedliche Formulierungen – etwa mit sofortiger oder kontrollierter (verzögerter) Wirkstofffreisetzung – den gleichen Produktnamen haben können, sollte das Etikett bei jedem Kauf eines Produktes geprüft und die Dosierung beachtet werden. Die Annahme, es handele sich um die gleiche Dosierung, ist nicht sicher.

Auch können unterschiedliche Formulierungen mit demselben Produktnamen unterschiedliche Bestandteile haben. Also ist es wichtig, die Angaben über Bestandteile auf dem Etikett zu prüfen. So existieren etwa mehrere Dutzend unterschiedliche Tylenol®-Formulierungen mit einer Vielzahl von Bestandteilen und Dosen. Einige Maalox®-Produkte enthalten Aluminium- und Magnesiumhydroxide, andere dagegen Kalziumkarbonat.

Bei der Auswahl eines Produktes sollten Verbraucher das Etikett aufmerksam lesen und bestimmen, welches Produkt am besten für ihr individuelles Problem geeignet ist. Etiketten auf rezeptfreien Arzneimitteln sind von der FDA vorgeschrieben und helfen dabei, den Nutzen und das Risiko eines Mittels zu verstehen, aber auch beim richtigen Gebrauch. Bei Fragen über ein rezeptfreies Mittel sollten Sie sich an den Apotheker wenden.

Oft listen die Etiketten von rezeptfreien Medikamenten nicht das volle Spektrum möglicher Nebenwirkungen auf. Daher nehmen viele Menschen an, dass diese Mittel wenige oder gar keine Nebenwirkungen haben. So wird beispielsweise in der Packungsbeilage eines Analgetikums davor gewarnt, das Mittel nicht länger als 10 Tage am Stück einzunehmen. Die möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen in Verbindung mit einer längerfristigen Einnahme (wie etwa lebensbedrohliche Blutungen im Verdauungstrakt) sind weder auf der Verpackung noch dem Beipackzettel erwähnt. Also können Patienten mit chronischen Schmerzen oder Entzündungen das Mittel über längere Zeit einnehmen, ohne zu wissen, dass dies zu ernsthaften Problemen führen könnte.

Lesen eines Arzneimitteletiketts

Rezeptfreie Arzneimittel müssen in den Vereinigten Staaten Etiketten haben, die erklären, worin die Vorteile und Risiken liegen und wie das Arzneimittel korrekt anzuwenden ist. Das Etikett trägt den Titel “Drug Facts”. Aktive Bestandteile werden ganz oben aufgelistet, darauf folgen Anwendungsgebiete, Warnhinweise, andere Informationen und inaktive Bestandteile.

Aktiver Bestandteil: Der aktive Bestandteil ist der Wirkstoff. Kombinations-Präparate haben mehr als einen aktiven Bestandteil. Es wird die generische Bezeichnung angegeben, und wie viel von dem Wirkstoff bzw. den Inhaltsstoffen in jeder Tablette, Kapsel oder Dosiereinheit enthalten ist. Dasselbe generische Arzneimittel kann unter mehreren unterschiedlichen Handelsnamen angeboten werden.

Anwendungsgebiete: Es sind die Symptome und Erkrankungen aufgeführt, für die dieses Präparat empfohlen wird.

Warnhinweise: Zumeist wird in vier Abschnitten aufgelistet, wann das Mittel nicht verwendet werden sollte, wann ein Arzt oder Apotheker konsultiert werden sollte und welche Faktoren die erwartete Reaktion verändern können.

  • Unter „Konsultieren Sie Ihren Arzt vor der Anwendung, wenn Sie“ werden Erkrankungen aufgelistet, die die Anwendung des rezeptfreien Arzneimittels problematisch oder unsicher machen kann. Dieser Abschnitt behandelt Wechselwirkungen zwischen Arzneimittel und Erkrankung.

  • Unter „Konsultieren Sie einen Arzt oder Apotheker vor der Anwendung von” werden weitere Medikamente aufgelistet, welche die Wirkung oder Sicherheit dieses Arzneimittels beeinträchtigen können. Dieser Abschnitt handelt von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten.

  • Unter „Bei der Anwendung dieses Produkts” werden häufige Nebenwirkungen sowie Nahrungsmittel, die die Wirksamkeit oder Sicherheit des Mittels beeinträchtigen können und besondere Vorsichtsmaßnahmen (z. B. nicht Autofahren bei der Anwendung des Arzneimittels) aufgelistet.

  • Im letzten Abschnitt werden besondere Warnhinweise für schwangere oder stillende Frauen und für Kinder aufgelistet. Hier finden Sie auch Anweisungen für den Fall einer Überdosierung.

Anweisungen: Es wird für unterschiedliche Altersgruppen angegeben, wie viel von dem Mittel einzunehmen ist, da u. a. Größe und Alter bestimmen, wie eine Person auf ein Mittel reagiert.

Weitere Informationen: Spezielle Anweisungen beispielsweise darüber, wie das Mittel zu lagern ist, werden aufgelistet.

Hilfsstoffe: Zusätzlich zum Wirkstoff enthalten Produkte Substanzen, welche die Einnahme erleichtern sollen, indem sie etwa einen angenehmen Geschmack machen. Produkte mit demselben Wirkstoff können unterschiedliche inaktive Bestandteile enthalten. Inaktive Bestandteile sind gewöhnlich harmlos, aber einige von ihnen lösen allergische Reaktionen aus. Betroffene sollten Mittel ohne solche Bestandteile wählen.

Weitere Informationen

Bei dem Folgenden handelt es sich um ein englischsprachiges Hilfsmittel, das nützlich sein kann. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. OTC Products and Dietary Supplements: Eine Website zur Meldung unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von frei verkäuflichen (OTC) Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln.