Übersicht über soziale Einflüsse auf das Verhalten von Kindern

VonSteven D. Blatt, MD, State University of New York, Upstate Medical University
Überprüft/überarbeitet Okt. 2021
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Eine gesunde Entwicklung setzt voraus, dass dem Kind beständige und verlässliche Zuwendung durch eine liebevolle und fürsorgliche Bezugsperson zukommt, ganz gleich, ob es sich dabei um die Eltern oder eine andere Person handelt. Durch die so vermittelte Sicherheit und Geborgenheit entwickelt es das Selbstvertrauen und die Stabilität, die es braucht, um Belastungen erfolgreich zu bewältigen.

Um emotionale und soziale Reife zu erlangen, brauchen Kinder den Umgang mit Menschen außerhalb der Familie. Dazu gehören in der Regel nahe Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn und Menschen, denen das Kind in Kinderbetreuungsstätten, in der Schule, in Kultstätten, beim Sport oder bei anderen Aktivitäten begegnet. Indem das Kind die kleineren Spannungen und Konflikte, die sich aus diesem Umgang ergeben, bewältigt, lernt es allmählich, auch mit größeren Belastungen fertig zu werden. Das Kind lernt auch am Beispiel der Eltern, mit schwierigeren Situationen umzugehen.

Wie Erwachsene sind auch Kinder von Ereignissen betroffen, die außerhalb ihrer eigenen Gemeinden auftreten. Schießereien an Schulen und anderen öffentlichen Orten, zum Beispiel, sind Ereignisse, die von allen Medien im großen Stil behandelt werden, und die meisten Kinder erfahren auf irgendeine Weise darüber. Besonders Schießereien an Schulen werden von den traditionellen Medienplattformen wie Fernsehen, Radio und Zeitungen sowie digitalen Medienplattformen wie Websites für Nachrichten und Diskussionsplattformen, aber auch in sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram behandelt. Je älter das Kind ist, desto mehr Zugang zu Informationen über diese Ereignisse hat das Kind. Darüber hinaus werden politische Auseinandersetzungen über polarisierende Probleme, wie Einwanderung und Schusswaffen, häufig von den verschiedenen Medien in extrem aggressiver und einseitiger Sprache veröffentlicht. Selbst Themen zur Gesundheitsversicherung werden oft extrem emotional oder auf feindselige Weise diskutiert. Diese Arten von Informationen, die auf eine solche Weise veröffentlicht werden, können bei jedem Angstgefühle auslösen, aber besonders belastend und schädlich für Kinder sein. Die Eltern sind möglicherweise gar nicht in der Lage, ihre Kinder vor Stress oder Schaden zu bewahren, weil sie vielleicht gar nicht wissen, was ihr Kind außerhalb des eigenen Heims gehört hat.

Wenn Kinder zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen heranreifen, entwickeln sie ihre eigenen Ansichten und Handlungsweisen. Eltern und Schulen sowie religiöse Einrichtungen sind von jeher damit betraut, Kinder zu erziehen und ihnen ihren Glauben nahezubringen. Die Meinungen und Überzeugungen von Kindern werden aber auch von äußeren Einflüssen geprägt. Einen wesentlichen Einfluss darauf haben soziale Medien. Der Einfluss der sozialen Medien ist in den letzten Jahren extrem angestiegen, und Kinder haben über Smartphones, Tablets, Laptops, Smartwatches und andere mobile Geräte nun so viel Zugang zu Informationen und Fehlinformationen wie noch nie zuvor. Eltern und Betreuer wissen häufig gar nichts über die Informationsquellen, denen ihre Kinder ausgesetzt sind, und haben oft nicht die Möglichkeit, diese starken Einflüsse zu kontrollieren. Die meisten kleinen Kinder können ganz leicht auf Informationen zugreifen, die falsch, unangemessen oder mit den Werten der Eltern unvereinbar sind. Aus diesem Grund müssen alle Eltern und Betreuer über alle Quellen informiert sein, aus denen ihre Kinder Informationen beziehen. Zu wissen, auf welche Quellen die Kinder zugreifen, gelingt Eltern am besten durch offene Gespräche mit ihnen, Überwachung ihrer Online-Aktivitäten und nötigenfalls durch Beschränkung des Zugangs der Kinder auf unangemessene Inhalte.

Wussten Sie ...?

  • Häufig machen sich die Eltern eines erkrankten oder verstorbenen Säuglings bzw. Kindes Vorwürfe, auch wenn sie keine Schuld trifft.

  • Manchmal müssen Kindern schwierige Botschaften mehrmals vermittelt werden.

  • Kinder, die gemobbt werden, sind oftmals zu eingeschüchtert oder verlegen, um einem Erwachsenen davon zu berichten.

Gewisse tragische Ereignisse, die die Familienstruktur oder den normalen Tagesablauf zerstören, wie eine Krankheit oder Scheidung, können ein Kind überfordern. Diese Ereignisse können die emotionale und soziale Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Chronische Krankheiten etwa können das Kind daran hindern, an bestimmten Aktivitäten teilzunehmen, und sich negativ auf die schulischen Leistungen auswirken.

Andererseits können sich Ereignisse, die das Kind betreffen, auch negativ auf die Menschen auswirken, die ihm nahe stehen. Personen, die sich um ein krankes Kind oder ein Kind mit schweren Verhaltensstörungen kümmern, stehen unter einer enormen Belastung. Wie sich das im Einzelnen auswirkt, hängt von Art und Schwere der Krankheit oder Verhaltensstörungen ab und davon, welche emotionalen und anderen Ressourcen der Familie zur Verfügung stehen.

Mit Kindern über schwierige Themen sprechen

Viele Lebensereignisse, darunter Krankheit oder Tod in der Familie (siehe Tod eines Familienmitglieds oder geliebten Menschen), Scheidung und Mobbing, sind für Kinder beängstigend oder werden als unangenehm empfunden. Auch Ereignisse, die das Kind nicht unmittelbar betreffen, wie etwa Naturkatastrophen, Krieg oder Terrorismus können bedrohlich wirken. Kinder können begründet oder unbegründet Furcht vor solchen Ereignissen empfinden. Eltern vermeiden möglicherweise angstauslösende Ereignisse, wie z. B. mit ihrem Kind über eine Schießerei in der Schule einer anderen Gemeinde zu sprechen, weil sie hoffen, dass ihr Kind noch gar nichts davon weiß. Für Eltern könnte es aber ratsamer sein, davon auszugehen, dass ihr Kind bereits über das Ereignis Bescheid weiß, und dann auf sanfte Weise versuchen, herauszufinden, wie viel es davon versteht. Am besten ist es, wenn das Kind von seinen Eltern über ein angstauslösendes Ereignis erfährt oder zumindest mit ihnen darüber sprechen kann.

Kindern fällt es meist schwer, über unangenehme Dinge zu reden. Ein offenes Gespräch kann dem Kind jedoch helfen, schwierige oder peinliche Themen zu verarbeiten und unbegründete Ängste zu vertreiben. Das Kind muss wissen, dass Angst völlig normal ist und dass dieses Gefühl im Laufe der Zeit nachlassen wird. Wenn Eltern schwierige Themen bereits in der frühen Kindheit mit ihren Kindern besprechen, sind diese als Jugendliche häufig offener, über die Probleme zu sprechen, die sie als Jugendliche haben.

Eltern sollten schwierige Themen dann mit dem Kind besprechen, wenn es Interesse bekundet, und Zeitpunkt und Ort so wählen, dass sich das Kind sicher und wohl fühlt. Die Eltern sollten ruhig und sachlich bleiben und ihre Aufmerksamkeit ganz dem Kind widmen. Nehmen Sie das Gesagte durch Kommentare wie „Ich verstehe“ oder leises Nicken zur Kenntnis, um das Kind zu ermutigen, sich Ihnen anzuvertrauen. Auch das Gesagte noch einmal zu wiederholen, wirkt auf das Kind ermutigend. Wenn das Kind zum Beispiel seiner Verärgerung über eine Scheidung Luft macht, können die Eltern antworten „Die Scheidung macht dich also wütend“ oder „Erklär mir das bitte genauer“. Indem man fragt, wie sich das Kind fühlt, kann man eine Diskussion über wichtige Gefühle oder Ängste anstoßen. Zum Beispiel über die Angst, während der Scheidung den Kontakt zu dem Elternteil zu verlieren, der kein Sorgerecht mehr hat, oder Schuldgefühle, die Scheidung verursacht zu haben.

Wenn Eltern über ihre eigenen Gefühle sprechen, machen sie dem Kind Mut, seine Ängste und Sorgen einzugestehen. Bezüglich einer anstehenden Scheidung könnten die Eltern sagen: „Ich bin auch traurig darüber, dass wir uns scheiden lassen. Aber ich weiß auch, dass es für Mami und Papi das Beste ist. Auch wenn wir nicht mehr zusammenleben können, werden wir dich immer lieb haben und uns um dich kümmern.“ Auf diese Weise können Eltern über ihre eigenen Gefühle sprechen, das Kind beruhigen und ihm erklären, dass die Scheidung die richtige Entscheidung ist. Vielen Kindern, insbesondere kleinen Kindern, müssen solche Botschaften oft mehrmals vermittelt werden. Eltern sollten den Wert dieser Aussagen nicht unterschätzen.

Es kann vorkommen, dass Eltern ihr Kind auf problematische Aspekte seines Verhaltens ansprechen müssen. Wenn Eltern den Verdacht haben, dass ihr Kind Drogen nimmt oder Alkohol trinkt, sollten sie mit dem Kind darüber reden. Die Eltern können beispielsweise etwas sagen wie „Ich mache mir Sorgen, dass du Drogen nimmst. Ich habe diesen Eindruck, weil ... Es ist wichtig, deutlich und ruhig zu sprechen und sowohl die Sorgen über das Verhalten des Kindes sowie die eigene Unterstützung und Liebe auszudrücken. Nachdem die Eltern ihre Bedenken geäußert haben, sollte dem Kind die Möglichkeit gegeben werden, zu sprechen. Das Kind und die Eltern sollten einen Plan erstellen, der auch einen Termin beim Kinderarzt oder einem Therapeuten beinhalten kann.

Jüngste Ereignisse zeigen, wie wichtig Gespräche in der Familie sind. Die COVID-19-Pandemie hat ein einfaches „Gesundheitsthema“ politisch so aufgeladen, dass die Meinungen und Ansichten der Bürger nun gespalten sind und es zu Demonstrationen unter den Bürgern kommt. Die Pandemie hat sich auf alle, auch auf die Kinder, ausgewirkt, und die Eltern sollten in der Lage sein, die vielen unterschiedlichen, auf die COVID-Pandemie bezogenen Probleme mit ihren Kindern zu besprechen. In ähnlicher Weise haben es auch politische Fragen wie Rassenkonflikte, das Stimmrecht und das Fortpflanzungsrecht mittlerweile in die nationalen und lokalen Nachrichten geschafft. Wenn schon Erwachsene solche Schwierigkeiten haben, in all diesen Fragen zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen, kann man sich vorstellen, wie schwierig es für Kinder sein muss, diese Probleme zu verstehen und damit umzugehen. Eltern müssen wissen, dass ihre Kinder durch die sozialen Medien und das Internet von diesen sozialen Problemen erfahren, und müssen ihnen dabei helfen, diese Informationen zu verarbeiten.