Ingestion von ätzenden Substanzen

VonGerald F. O’Malley, DO, Grand Strand Regional Medical Center;
Rika O’Malley, MD, Grand Strand Medical Center
Reviewed ByDiane M. Birnbaumer, MD, David Geffen School of Medicine at UCLA
Überprüft/überarbeitet Geändert Apr. 2025
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Ätzende Substanzen (starke Säuren und Laugen) verursachen bei oraler Aufnahme Verbrennungen des oberen Gastrointestinaltrakts und können gelegentlich zu Ösophagus- oder Magenperforationen führen. Symptome können Speichelfluss, Schluckbeschwerden und Schmerzen im Mund, in der Brust oder im Epigastrium umfassen; Strikturen können sich später entwickeln. Eine diagnostische Endoskopie ist ggf. erforderlich. Die Therapie ist unterstützend. Magenentleerung sowie die Gabe von Aktivkohle sind kontraindiziert. Eine Perforation wird chirurgisch behandelt.

(Siehe auch Allgemeine Grundlagen zu Vergiftungen.)

Weltweit sind 80% der Ingestionen von ätzenden Substanzen bei Kleinkindern zu verzeichnen; dabei handelt es sich in der Regel um die versehentliche Aufnahme kleiner Mengen, die häufig harmlos sind. Bei Erwachsenen handelt es sich bei der Aufnahme ätzender Substanzen häufig um vorsätzliche Ingestionen großer Mengen im Rahmen eines Suizidversuchs, die lebensbedrohlich sind. Häufige Quellen ätzender Substanzen sind feste und flüssige Rohrreiniger, WC-Reiniger und Waschmittelkapseln (1, 2). Industrieprodukte sind üblicherweise höher konzentriert als Haushaltsprodukte und führen daher zu schwerwiegenderen Schäden.

Literatur

  1. 1. Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Health hazards associated with laundry detergent pods - United States, May-June 2012. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2012;61(41):825-829.

  2. 2. Hoffman RS, Burns MM, Gosselin S. Ingestion of Caustic Substances. N Engl J Med. 2020;382(18):1739-1748. doi:10.1056/NEJMra1810769

Pathophysiologie der Verätzungen

Säuren bewirken Koagulationsnekrosen; die Schorfbildung verhindert tiefere Schäden. Säuren scheinen den Magen mehr als den Ösophagus zu schädigen.

Basen führen zu raschen Kolliquationsnekrosen; es erfolgt nicht die Ausbildung einer Schorfbarriere, sodass die Schäden so lange weiter in die Tiefe vordringen können, bis die Lauge neutralisiert oder verdünnt wird. Laugen scheinen den Ösophagus stärker zu schädigen als den Magen, große Einnahmemengen schädigen beide jedoch gleichermaßen

Feste Produkte hinterlassen häufig Partikel, die am Gewebe festhaften und lokale Schäden bewirken; sie verhindern eine weitere Einnahme. Da flüssige Zubereitungen nicht haften, können ohne weiteres größere Mengen ingestiert werden und zu ausgeprägten Schäden führen. Flüssigkeiten können auch aspiriert werden, was die Schädigung der oberen Atemwege zur Folge haben kann.

Symptome und Anzeichen von Verätzungen

Die initiale Symptomatik bei Ingestion ätzender Substanzen manifestiert sich in Speichelfluss und Schluckbeschwerden. In schweren Fällen kommt es, verbunden mit Blutungen und Erbrechen, zu einem sofort einsetzenden Schmerz in Mund, Kehle, Brust und/oder Abdomen. Die Schädigung der Luftwege kann zu Husten, Tachypnoe und Stridor führen.

In der Mundhöhle kann geschwollenes und gerötetes Gewebe sichtbar werden; allerdings rufen flüssige Säuren und Laugen nicht unbedingt sichtbare Schädigungen im Mund-Rachen-Raum hervor, obwohl es im weiteren Verlauf des Gastrointestinaltrakts zu schweren Schäden kommen kann.

Eine Ösophagusperforation kann zur Mediastinitis mit schwerem Brustschmerz, Tachykardie, Fieber, Atemnot und Schock führen. Eine Magenperforation führt in aller Regel zu einer Peritonitis. Eine Perforation von Ösophagus oder Magen kann innerhalb von Stunden aber auch erst nach Wochen eintreten.

Ösophageale Strikturen können sich nach Wochen entwicklen, selbst wenn die initiale Symptomatik leicht und die Behandlung adäquat war. Strikturen können zu einer Verkürzung oder Verengung des Ösophagus sowie zu Schluckbeschwerden und Motilitätsstörungen führen.

Überlebende von Verätzungen haben ein höheres Risiko für die Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms (1).

Hinweise auf Symptome und Zeichen

  1. 1. Kochhar R, Sethy PK, Kochhar S, et al. Corrosive induced carcinoma of esophagus: report of three patients and review of literature. J Gastroenterol Hepatol. 2006;21(4):777-780. doi:10.1111/j.1440-1746.2006.03211.x

Diagnose von Verätzungen

  • Endoskopie

Weil das Vorliegen oder Fehlen von Schäden innerhalb der Mundhöhle nicht zuverlässig Auskunft gibt, ob Schäden im Bereich der Speiseröhre oder des Magens vorliegen, sollte eine frühzeitige Endoskopie zur Überprüfung auf Schäden im Ösophagus oder am Magen erfolgen, sofern die Symptomatik oder die Anamnese eine relevante Einnahme vermuten lassen. Eine Endoskopie muss nicht sofort durchgeführt werden; der Patient sollte stabilisiert werden, bevor er für eine Endoskopie in Frage kommt.

Röntgenaufnahmen des Thorax haben eine begrenzte Sensitivität für die Beurteilung einer Ösophagusperforation, daher sollte bei Verdacht auf eine Perforation eine CT-Untersuchung des Thorax und des Abdomens durchgeführt werden (1, 2).

Literatur zur Diagnose

  1. 1. Kaewlai R, Noppakunsomboon N, Tongsai S, et al. Performance of computed tomography and its reliability for the diagnosis of transmural gastrointestional necrosis in a setting of acute ingestion of predominantly strong acid substances in adults. Clin Toxicol (Phila). 2023;61(5):346-354. doi:10.1080/15563650.2023.2184242

  2. 2. Khan HK, Rathi V, Shreshtha S, et al. CT appearances of gastric injury due to caustic ingestion and associated findings (a study of 30 cases). Emerg Radiol. 2023;30(4):539-553. doi:10.1007/s10140-023-02148-3

Behandlung von Verätzungen

  • Magenentleerung sowie die Gabe von Aktivkohle sind kontraindiziert

  • Manchmal Verdünnung mit Mundflüssigkeiten

Im Allgemeinen werden Säure- und Laugenintoxikationen ähnlich behandelt, mit unterstützender Pflege. (VORSICHT: Eine Magenentleerung durch Erbrechen oder eine Lavage ist kontraindiziert, da dadurch der obere Gastrointestinaltrakt wieder dem ätzenden Stoff ausgesetzt werden kann. Versuche, eine ätzende Säure zu neutralisieren, indem der pH-Wert mit einer alkalischen Substanz korrigiert wird [und umgekehrt], sind kontraindiziert, da schwere exotherme Reaktionen auftreten können.Aktivkohle ist kontraindiziert, da sie ätzende Substanzen nicht absorbiert und möglicherweise verbranntes Gewebe infiltrieren sowie die endoskopische Beurteilung beeinträchtigen kann.Die Einführung einer nasogastrischen Sonde ist umstritten wegen der Sorge um weitere Schäden an der bereits beeinträchtigten Oberfläche der Ösophagusschleimhaut. Direkte Visualisierung mit Endoskopie während der Insertion kann verwendet werden, um eine Perforation der Ösophagusschleimhaut mit der Magensonde zu vermeiden) (1).

Tipps und Risiken

  • Eine Magenentleerung durch induziertes Erbrechen oder eine Magenspülung nach Ingestion einer ätzenden Substanz ist kontraindiziert, da dadurch der obere Gastrointestinaltrakt erneut der ätzenden Substanz ausgesetzt wird.

  • Versuchen sollten unterbleiben, eine ätzende Säure mit einer alkalischen Substanz (und umgekehrt) zu neutralisieren, weil es zu einer thermischen Reaktion kommt, die die Gewebeschäden verschimmern kann.

Verdünnung mit Milch oder Wasser ist nur in den ersten Minuten nach der Einnahme einer ätzenden Flüssigkeit sinnvoll, aber eine verzögerte Verdünnung kann nach der Einnahme einer soliden ätzenden Substanz nützlich sein. Eine Verdünnung sollte vermieden werden, wenn die Patienten Übelkeit, Speichelfluss, Stridor oder Symptome aufweisen, die auf eine viszerale Perforation hindeuten.

Die Ösophagus- oder Magenperforation wird mit Antibiotika und chirurgischen Maßnahmen behandelt (siehe Akute Perforation). Die prophylaktische Gabe von Antibiotika oder intravenösen Kortikosteroiden wird nicht empfohlen (2, 3). Strikturen können mit Bougies behandelt oder, sofern sie besonders schwerwiegend oder einer Behandlung nicht zugänglich sind, durch Ersatz des Ösophagus mittels Koloninterponat therapiert werden (4).

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Chen RJ, O'Malley RN, Salzman M. Updates on the Evaluation and Management of Caustic Exposures. Emerg Med Clin North Am. 2022;40(2):343-364. doi:10.1016/j.emc.2022.01.013

  2. 2. Pelclová D, Navrátil T. Do corticosteroids prevent oesophageal stricture after corrosive ingestion?. Toxicol Rev. 2005;24(2):125-129. doi:10.2165/00139709-200524020-00006

  3. 3. Katibe R, Abdelgadir I, McGrogan P, Akobeng AK. Corticosteroids for Preventing Caustic Esophageal Strictures: Systematic Review and Meta-analysis. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2018;66(6):898-902. doi:10.1097/MPG.0000000000001852

  4. 4. Kuehn F, Klar E, Schwandner F, et al. Endoscopic continuity-preserving therapy for esophageal stenosis and perforation following colliquative necrosis. Endoscopy. 2014;46 Suppl 1 UCTN:E361-E362. doi:10.1055/s-0034-1377283

Wichtige Punkte

  • Schwerwiegende Folgen sind zu erwarten, wenn eine große Menge einer ätzenden Flüssigkeit eingenommen wurde.

  • Laugen können Schäden durch Gewebsverflüssigung verursachen, es sei denn, sie wurden ausreichend verdünnt.

  • Eine Magenspülung sollte nicht vorgenommen werden, ebens wenig die Gabe von Aktivkohle oder die Neutralisation einer Säure oder Lauge.

  • Verätzungen von Speiseröhre und Magen sollten angenommen werden, auch wenn intraorale Verätzungen fehlen. Eine Endoskopie sollte veranlasst werden.

  • Behandeln Sie Perforation mit Gabe von Antibiotika und chirurgischer Intervention.

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