Kommentar: Studie ergibt, dass Statine keine Muskelsymptome bei Personen verursachten, die zuvor unter der Einnahme von Statinen schwere Muskelsymptome berichteten
Kommentar06.02.21 Vishnu Priya Pulipati, MD, The University of Chicago Medicine; Michael H. Davidson, MD, FACC, FNLA, The University of Chicago Medicine

Das BMJ berichtete kürzlich über die Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten n-of-1-Studie (n = 200), die keine Gesamtwirkung von Atorvastatin 20 mg einmal täglich auf Muskelsymptome im Vergleich zu Placebo bei Personen zeigte, die zuvor bei der Einnahme von Statinen über schwere Muskelsymptome berichteten [1]. In dieser Studie wurden Teilnehmer, die vor kurzem Statine aufgrund von Muskelsymptomen abgesetzt hatten oder in Erwägung zogen, diese abzusetzen, randomisiert und erhielten eine Abfolge von sechs doppelblinden Behandlungszeiträumen (jeweils zwei Monate) mit Atorvastatin 20 mg einmal täglich oder Placebo. Rund 70 % der Teilnehmer hatten eine bekannte kardiovaskuläre Erkrankung, die Statine zur sekundären kardiovaskulären Risikominderung erforderte. Die Primäranalyse verglich die von den Teilnehmern auf einer visuellen Analogskala (0–10) während der Statin- und Placebo-Zeiträume beurteilten Muskelsymptome. Die 151 Teilnehmer, welche in die Primäranalyse einbezogen wurden, zeigten keinen Unterschied bei den Muskelsymptom-Scores zwischen Statin- und Placebo-Zeiträumen (mittlere Differenz Statin minus Placebo -0,11, 95 %-Konfidenzintervall -0,36 bis 0,14; p = 0,40). Das Absetzen des Medikaments aufgrund von nicht tolerierbaren Muskelsymptomen betrug 9 % während des Statin-Zeitraums und 7 % während des Placebo-Zeitraums. Zwei Drittel der Teilnehmer, welche die Studie abschlossen, berichteten über die Wiederaufnahme der Langzeitbehandlung mit Statinen.

Diese Studie ist eine wichtige Ergänzung der erweiterten Evidenz, die den Mythos der Notwendigkeit, die Statintherapie aufgrund von vagen nicht schweren Muskelsymptomen zu beenden, auffliegen lässt, die, wie die BMJ-Studie zeigt, sowohl bei mit Placebo als auch bei mit Statinen behandelten Patienten häufig sind. Die optimale Behandlung der Dyslipidämie, ein schwerwiegender, weltweit prävalenter Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, ist eine wichtige Priorität der öffentlichen Gesundheit, und hochwertige Evidenz, die über mehrere Jahrzehnte hinweg gesammelt wurde, zeigt konsistent, dass Statine atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen in allen Altersgruppen signifikant reduzieren. Statine werden im Allgemeinen gut vertragen und weisen ein gutes Sicherheitsprofil auf. Selten sind schwere statinassoziierte Nebenwirkungen auf die Muskeln wie Myopathie (1 von 10.000 jährlich behandelten Personen) und Rhabdomyolyse (0,2 von 10.000 jährlich behandelten Personen) [2]. Wie die BMJ-Studie jedoch vermuten lässt, ist der kausale Zusammenhang zwischen Statinen und weniger schweren Muskelsymptomen unklar. Die Ergebnisse aus unverblindeten Beobachtungsstudien und kontroverse Medienberichte haben unbegründete Bedenken über Statine in der Allgemeinbevölkerung aufgeworfen. Dies hat zu einer Resistenz gegenüber der Einleitung von Statinen und Nichtadhärenz gegenüber der verordneten Therapie trotz ihrer profunden Vorteile geführt, wodurch die Patienten einem unnötigen und erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt waren. Daher sind große, gut kontrollierte, randomisierte Studien zur Beurteilung von statinassoziierten Muskelsymptomen zu einem Forschungsschwerpunkt geworden, um diese Literaturlücke zu schließen.

Diese Studie scheint gut durchgeführt zu sein, und die Ergebnisse sind wahrscheinlich valide. Die Ergebnisse stimmen mit anderen Studien überein, die ähnliche Forschungsendpunkte bewerten. Die randomisierte n-of-1-SAMSON-Studie (n = 60) zeigte keinen signifikanten Unterschied bei den Symptomen zwischen den Teilnehmern, die Placebo erhielten, und denen, die 20 mg Atorvastatin einmal täglich erhielten (p = 0,39) [3]. Die gepoolten Ergebnisse zeigten 90 % der Symptome, die auf den Nocebo-Effekt zurückzuführen sind. In der Studie GAUSS-3 berichteten 26,5 % in der Placebogruppe (nicht aber in der Statingruppe) während der Re-Challenge mit einem Statin über Muskelsymptome, was darauf hindeutet, dass die Symptome nicht immer mit der Statinanwendung zusammenhängen [4].

Diese Befunde bedeuten nicht, dass sich Ärzte über Muskelsymptome hinwegsetzen können, die von Patienten berichtet werden, welche ein Statin einnehmen. Eine umfassende Beurteilung muss durchgeführt werden, um mögliche Ätiologien der berichteten Symptome zu identifizieren. Das Muster der Symptome, der Zeitpunkt des Einsetzens und der Zeitpunkt der Verbesserung nach Absetzen des Statins kann helfen, echte statinassoziierte Nebenwirkungen zu identifizieren. Die Ergebnisse klinischer Studien wie diese bieten jedoch eine starke Grundlage für die Erörterung einer niedrig dosierten Statin-Re-Challenge und könnten Ärzten helfen, Patienten mit leichten unspezifischen Muskelsymptomen zu beruhigen.

Quellen

1. Herrett E, Williamson E, Brack K et al..: Statin treatment and muscle symptoms: series of randomized, placebo-controlled n-of-1 trials. BMJ. 2021;372:n135. Veröffentlicht am 24. Februar 2021. doi:10.1136/bmj.n135

2. Collins R, Reith C, Emberson J et al.: Interpretation of the evidence for the efficacy and safety of statin therapy [published correction appears in Lancet. 11. Feb. 2017;389(10069):602]. Lancet. 2016;388(10059):2532-2561. doi:10.1016/S0140-6736(16)31357-5

3. Wood FA, Howard JP, Finegold JA et al.: N-of-1 Trial of a statin, placebo, or no treatment to assess side effects. N Engl J Med 2020;383(22):2182-2184. doi:10.1056/NEJMc2031173

4. Nissen SE, Stroes E, Dent-Acosta RE, et al.: Efficacy and tolerability of evolocumab vs ezetimibe in patients with muscle-related statin intolerance: The GAUSS-3 randomized clinical trial. JAMA 2016;315(15):1580-1590. doi:10.1001/jama.2016.3608