Kachexie bei Tumorerkrankungen

VonRobert Peter Gale, MD, PhD, DSC(hc), Imperial College London
Überprüft/überarbeitet Aug. 2022
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Unter Kachexie versteht man den Verbrauch sowohl von Fettgewebe als auch von Skelettmuskulatur. Sie tritt bei vielen Krankheiten auf und ist bei vielen Tumorarten weit verbreitet, wenn eine Tumorkontrolle nicht erreicht werden kann. Einige Tumorarten, v. a. Pankreas- und Magentumoren, führen zu einer ausgeprägten Kachexie. Die betroffenen Patienten können 10–20% ihres Körpergewichts verlieren. Männer neigen dazu, eine schlechtere Kachexie durch Krebs zu erleiden als Frauen. Das Ausmaß der Kachexie ist weder von der Tumorgröße noch der Ausbreitung einer metastasierenden Krankheit abhängig. Eine Kachexie ist mit einem reduzierten Ansprechen auf eine Chemotherapie (siehe auch Überblick über die Krebstherapie), körperlicher Schwäche und erhöhter Mortalität verbunden.

Die primäre Ursache der Kachexie ist nicht Anorexie oder eine verminderte Kalorienaufnahme. Vielmehr liegt die Ursache dieses komplexen metabolischen Geschehens in einem gesteigerten Gewebekatabolismus. Die Proteinsynthese ist vermindert und die Degradation erhöht. Die Kachexie wird durch verschiedene Zytokine gefördert, v. a. Tumornekrosefaktor Alpha, Interleukin-1b und Interleukin-6, die von Tumor- und Wirtszellen im Gewebe produziert werden. Der Adenosin Triphosphat (ATP) -Ubiquitin-Protease-Signalweg spielt ebenfalls eine Rolle.

Eine Kachexie ist leicht feststellbar, in erster Linie durch den Gewichtsverlust, der dann am auffälligsten ist, wenn es zu einem Verlust von Muskelmasse im Gesicht kommt (Hippokratische Fazies). Der Verlust von subkutanem Fettgewebe erhöht das Risiko einer Verletzung an Knochenvorsprüngen.

Kachexie bei Tumorerkrankungen

Zur Behandlung gehört die Behandlung des Tumors selbst. Kann der Tumor kontrolliert oder geheilt werden, so bessert sich die Kachexie.

Eine dem Alter, der Größe und dem Aktivitätsniveau des Patienten angemessene Ernährung sollte das Ziel sein; häufig wird eine zusätzliche Kalorienzufuhr verabreicht. Eine Gewichtszunahme ist gewöhnlich nur gering und meist eher durch die Zunahme an Fettgewebe als an Muskelgewebe bedingt, wodurch sich weder die körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten noch die Prognose verbessern. Daher wird bei den meisten Patienten mit einer Tumorerkrankung und einer Kachexie eine hochkalorische Ernährung nicht generell empfohlen. Eine zusätzliche parenterale Ernährung ist nicht indiziert, es sei denn, eine orale Nahrungsaufnahme ist nicht möglich.

Andere Interventionen können manchmal die Kachexie mildern und die Funktion verbessern. Kortikosteroide erhöhen den Appetit und können dazu beitragen, dass sich die Patienten allgemein etwas besser fühlen, allerdings erhöhen sie das Körpergewicht nur in geringem Maße. Auf ähnliche Weise erhöhen Cannabinoide (Marihuana, Dronabinol) den Appetit, jedoch nicht das Gewicht. Progestogene, z. B. Megestrolacetat 40 mg p.o. 2- oder 3-mal täglich, können zur Erhöhung des Appetits und des Körpergewichts führen. Arzneimittel, die die Produktion von Zytokinen beeinflussen, werden derzeit untersucht. Androgene Steroide werden manchmal verabreicht, können aber die Leberfunktion beeinträchtigen und möglicherweise das Wachstum einiger Krebsarten wie Prostatakrebs beschleunigen.