Erworbene Thrombozytenfunktionsstörungen

VonDavid J. Kuter, MD, DPhil, Harvard Medical School
Überprüft/überarbeitet Juni 2022
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    Die häufig auftretende, erworbene Thrombozytendysfunktion kann durch Acetylsalicylsäure und andere nichtsteroidale Antiphlogistika sowie systemische Krankheiten hervorgerufen werden.

    (Siehe auch Übersicht über die Herzklappenkrankheiten.)

    Erworbene Störungen der Thrombozytenfunktion sind sehr häufig. Ursachen sind

    • Medikamentöse Therapie

    • Systemische Erkrankungen

    • Herz-Lungen-Maschine

    Eine erworbene Thrombozytenfunktionsstörung wird vermutet und diagnostiziert, wenn ungewöhnliche oder anhaltende Blutungen beobachtet werden und andere mögliche Diagnosen (z. B. Thrombozytopenie, Gerinnungsanomalien) ausgeschlossen wurden. Untersuchungen zur Thrombozytenaggregation sind nicht erforderlich.

    Medikamentöse Therapie

    Aspirin, andere nichtsteroidale Antiphlogistika, Inhibitoren des Blutplättchens P2Y12 Adenosin-Diphosphat-Rezeptors (z. B. Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) und Glykoprotein IIb/IIIa-Rezeptor-Inhibitoren (z. B. Abciximab, Eptifibatid, Tirofiban) können zu einer Dysfunktion der Blutplättchen führen. Diese Wirkung kann unbeabsichtigt (z. B. bei Arzneimitteln zur Schmerzlinderung oder Entzündungshemmung) und gelegentlich therapeutisch (z. B. bei Acetylsalicylsäure oder P2Y12-Inhibitoren zur Schlaganfall- und Koronarthromboseprophylaxe) auftreten.

    Acetylsalicylsäure und nichtsteroidales Antiphlogistikum verhindern die durch Cyclooxygenase vermittelte Produktion von Thromboxan A2. Dieser Effekt kann 5–7 Tage andauern. Acetylsalicylsäure führt nur zu einer geringfügigen Verstärkung der Blutung bei Gesunden, jedoch zu einer deutlichen Verstärkung bei älteren Patienten und bei Patienten mit zugrunde liegender Thrombozytendysfunktion oder schweren Gerinnungsstörungen (z. B. Patienten unter Heparintherapie, Patienten mit schwerer Hämophilie). Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor können deutlich die Thrombozytenfunktion beeinträchtigen und Blutungen verstärken.

    Eine Reihe anderer Medikamente kann auch eine Thrombozytendysfunktion verursachen (1).

    Systemische Erkrankungen

    Zahlreiche Krankheiten (z. B. myeloproliferative Neoplasien und myelodysplastische Syndrome, Urämie, Makroglobulinämie, multiples Myelom, Leberzirrhose, systemischer Lupus erythematosus) können zu einer Beeinträchtigung der Thrombozytenfunktion führen.

    Urämie verlängert die Blutungszeit. Die hierbei zugrunde liegenden Mechanismen sind jedoch unbekannt. Wenn bei urämischen Patienten klinisch Blutungen beobachtet werden, kann die Blutung durch eine kräftige Dialyse, Verabreichung von Kryopräzipitaten oder eine Desmopressin-Infusion reduziert werden. Falls erforderlich können über eine Erhöhung der Hämoglobinkonzentration auf > 10 g/dl (> 100 g/l) durch Transfusion oder über eine Erythropoetingabe Blutungrisiken reduziert werden.

    Herz-Lungen-Maschine

    Wenn Blut während eines kardiopulmonalen Bypass durch einen Pumpenoxygenator zirkuliert, können die Blutplättchen ihre Funktionsfähigkeit verlieren, was die Blutung verlängert. Dies scheint durch eine Aktivierung der Fibrinolyse auf der Thrombozytenoberfläche bedingt zu sein, durch die es zu einem Verlust der Glykoprotein-Ib-/-IX-Bindungsstelle für den Von-Willebrand-Faktor kommt. Unabhängig von der Thrombozytenzahl besteht bei Patienten mit starken Blutungen nach Eingriffen unter Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine oft die Indikation zur Transfusion von Thrombozyten. Die perioperative Gabe eines antifibrinolytischen Mittels kann zur Erhaltung der Thrombozytenfunktion und damit zur Reduktion des Transfusionsbedarfs beitragen.

    Allgemeiner Hinweis

    1. 1. Scharf RE: Drugs that affect platelet function. Semin Thromb Hemost 38(8): 865–883, 2012. doi: 10.1055/s-0032-1328881