Störungen der mitochondrialen oxidativen Phosphorylierung

VonMatt Demczko, MD, Mitochondrial Medicine, Children's Hospital of Philadelphia
Überprüft/überarbeitet Okt. 2021
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Eine Störung der oxidativen Phosphorylierung verursacht oft, aber nicht immer eine Laktatazidose, die vor allem das Zentralnervensystem, die Retina und die Muskeln betrifft.

Siehe auch Vorgehen bei einem Patienten mit Verdacht auf eine angeborene Stoffwechselstörung.

Die Zellatmung (oxidative Phosphorylierung) läuft in den Mitochondrien ab. Dort katalysiert eine Reihe von Enzymen den Transfer von Elektronen zum molekularen Sauerstoff und die Erzeugung des Energiespeichers Adenosintriphosphat. Defekte von Enzymen, die an diesem Prozess beteiligt sind, stören die Zellatmung und vermindern das Verhältnis von ATP (Adenosindiphosphat) zu ADP. Mitochondrien haben eine eigene DNA (mitochondriale DNA [mtDNA]), die maternal abgeleitet ist. MtDNA teilt jedoch die Verantwortung mit der Kern-DNA für die Mitochondrienfunktion. Somit können sowohl mitochondriale als auch nukleare Mutationen mitochondriale Störungen verursachen.

Gewebe mit hohem Energiebedarf (z. B. Gehirn, Nerven, Netzhaut, Skelett und Herzmuskel) sind besonders anfällig für Defekte in der oxidativen Phosphorylierung.

Die häufigsten klinischen Erscheinungsformen sind:

  • Krampfanfälle

  • Hypotonie

  • Ophthalmoplegie

  • Schlaganfallartige Episoden

  • Muskelschwäche

  • Schwere Konstipation

  • Kardiomyopathie

Biochemisch kann eine ausgeprägte Laktatazidose bestehen, da das Verhältnis NADH zu NAD größer wird und sich dadurch das Gleichgewicht der Laktatdehydrogenasereaktion in Richtung Laktat verschiebt. Die Erhöhung des Laktat-/Pyruvat-Verhältnisses unterscheidet Defekte in der oxidativen Phosphorylierung von anderen genetischen Defekten, die eine Laktatazidose verursachen können, etwa der Mangel an Pyruvatcarboxylase oder Pyruvatdehydrogenase, bei dem das Verhältnis Lactat: Pyruvat normal bleibt. Der Fibroblasten-Wachstumsfaktor-21 (FGF-21) und der Wachstumsdifferenzierungsfaktor-15 (GDF-15) sind weitere Biomarker, die auf eine mitochondriale Dysfunktion hinweisen können. Eine große Anzahl von Defekten der oxidativen Phosphorylierung ist beschrieben worden, hier sollen aber nur die häufigsten mit ihren spezifischen Zeichen erwähnt werden.

Tipps und Risiken

  • Eine Erhöhung des Laktat-Pyruvat-Verhältnisses unterscheidet Defekte der oxidativen Phosphorylierung von anderen genetischen Ursachen der Laktatazidose.

Mitochondriale Mutationen und ihre Varianten werden auch für Alterungsprozesse verantwortlich gemacht (z. B. Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer, Diabetes, Taubheit und Krebserkrankung).

Die folgenden Erkrankungen sind Zustände mit einer bekannten Phänotyp/Genotyp-Korrelation. Andere, weniger gut definierte Defekte in der mitochondrialen Funktion, existieren. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Bedingungen, unter denen ein genetischer Defekt eine sekundäre mitochondriale Dysfunktion verursacht.

Lebersche Optikusatrophie (LHON)

LHON ist durch einen akuten oder subakuten beidseitigen zentralen Sehverlust gekennzeichnet, der durch eine Netzhautdegeneration verursacht wird. die normalerweise mit 20–30 Jahren einsetzt, aber von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter vorkommen kann. Das Verhältnis Männer zu Frauen liegt bei 4:1. Es wurden viele mitochondriale DNA-Mutationen definiert, aber 3 häufige Mutationen machen 90% der Fälle aus. Der LHON- Stammbaum zeigt normalerweise eine mütterliche Vererbung, wie sie für mitochondriale Krankheiten typisch ist, bei denen Mutationen von mtDNA dazugehören.

Die intravitreale Gentherapie hat in frühen klinischen Versuchen sehr vielversprechende Ergebnisse gezeigt.

Mitochondriale Enzephalomyopathie, Laktatazidose und schlaganfallähnliche Episoden (MELAS-Syndrom)

Mutationen im mitochondrialen tRNAleu-Gen verursachen eine progressive neurodegenerative Krankheit, die durch wiederholte Episoden eines „chemischen (metabolischen) Schlaganfalls“, Myopathie und Laktatazidose gekennzeichnet ist. In vielen Fällen enthalten die Zellen beide, einen Wildtyp und die mutante mitochondriale DNA (Heteroplasmie); dadurch ist die Expression variabel.

Myoklonische Epilepsie mit rissigen roten Fasern (MERRF)

Dies ist eine progressiv verlaufende Krankheit mit unkontrollierten Muskelkontraktionen (myoklonische Anfälle), Demenz, Ataxie und Myopathie, die mit speziellen Färbemethoden bei der Biopsie rissige rote Fasern (dies indiziert eine mitochondriale Proliferation) zeigt. Die Mutationen sind im mitochondrialen tRNAlys -Gen lokalisiert. Eine Heteroplasie ist häufig und bedeutet eine variable Expression.

Kearns-Sayre-Syndrom und chronische progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO)

Diese Krankheiten werden durch eine Ophthalmoplegie, Ptosis, atypische Retinitis pigmentosa, rissige rote Fasernmyopathie, Ataxie, Taubheit und Kardiomyopathie gekennzeichnet. Sie kommen typischerweise vor dem 20. Lebensjahr vor.

Das Kearns-Sayre-Syndrom wird durch eine große zusammenhängende Deletion in der mtDNA verursacht, die zum Verlust von Genen führt, die für die Mitochondrien-Proteinbildung und die oxidative Phosphorylierung wichtig sind.

CPEO kann aus Mutationen in einem von verschiedenen Kerngenen resultieren, die für die Produktion und Aufrechterhaltung von mtDNA kritisch sind und zur Deletion großer Abschnitte von mtDNA in Muskelzellen führen. Weniger häufige Ursachen sind Punktmutationen in mtDNA-Genen, die Anweisungen für die Herstellung von als Transfer-RNAs bezeichneten Molekülen enthalten.

Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa (NARP)

NARP ist eine fortschreitende Erkrankung, die durch sensorische Neuropathie (Taubheit, Kribbeln oder Schmerzen in den Extremitäten), Muskelschwäche, Ataxie, Sehstörungen infolge einer Verschlechterung der Netzhaut (Retinitis pigmentosa), kognitiver Abfall, Anfälle, Hörverlust und Herzleitungsfehler charakterisiert ist. Die Erkrankung kann in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter beginnen.

NARP resultiert aus Mutationen im ATP6-Gen, das in der mtDNA enthalten ist. ATP6-Mutationen verändern die Struktur oder Funktion der Adenosintriphosphat (ATP)-Synthase und reduzieren die Fähigkeit der Mitochondrien, ATP herzustellen.

Leigh-Krankheit (subakute nekrotisierende Enzephalopathie)

Die Leigh-Krankheit ist eine schwere neurologische Erkrankung, die sich normalerweise im ersten Lebensjahr manifestiert. Es zeichnet sich durch fortschreitende Schluckbeschwerden, schlechte Gewichtszunahme, Hypotonie, Schwäche, Ataxie, Ophthalmoplegie, Nystagmus und Optikusatrophie zusammen mit einer Laktatazidose aus. Die Patienten sterben in der Regel innerhalb von 2 bis 3 Jahren, meist aufgrund von Atemwegsversagen.

Bildgebende Studien zeigen degenerative Läsionen in den Basalganglien, im Kleinhirn und im Hirnstamm.

Die Leigh-Krankheit beruht auf Mutationen in einem von mehr als 75 verschiedenen Kern- oder mtDNA-Genen, die an der Energieproduktion in Mitochondrien beteiligt sind.

Mitochondriale neurogastrointestinale Enzephalomyopathie (MNGIE)

MNGIE ist eine sehr seltene Erkrankung, die durch eine Degeneration der Muskeln des Gastrointestinaltrakts gekennzeichnet ist, was zu einer schlechten Beweglichkeit des Gastrointestinaltrakts führt und zahlreiche gastrointestinale Symptome verursacht. Hinzu kommen eine Schwäche der Augenmuskeln sowie Gefühlsverlust und Schwäche der Extremitäten aufgrund der Degeneration der peripheren Nerven. Der Beginn ist unterschiedlich, aber in der Regel vor dem 20. Lebensjahr.

MNGIE wird durch Mutationen im TYMP-Gen verursacht, das Thymidinphosphorylase kodiert, mit sekundären Veränderungen in der mtDNA. Die Vererbung ist autosomal-rezessiv; Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Die Behandlung konzentriert sich auf das Management der Symptome. Die Langzeitprognose ist schlecht, das mittlere Sterbealter liegt bei Ende 30.

Weitere Informationen

Im Folgenden finden Sie eine englischsprachige Quelle, die nützlich sein könnte. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Online Mendelian Inheritance in Man® (OMIM®) database: Vollständige Informationen zu Genen, molekularen und chromosomalen Positionen