Sjögren-Syndrom

(Sjögren-Syndrom)

VonAlana M. Nevares, MD, The University of Vermont Medical Center
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Das Sjögren-Syndrom ist eine relativ häufige, chronische, autoimmune, systemisch-entzündliche Erkrankung mit unbekannter Ätiologie. Es ist gekennzeichnet durch Trockenheit des Mundes, der Augen und anderer Schleimhäute (Sicca-Syndrom) aufgrund einer lymphozytären Infiltration der exokrinen Drüsen und einer sekundären Drüsenfunktionsstörung. Das Sjögren-Syndrom kann verschiedene exokrine Drüsen oder auch andere Organe befallen. Die Diagnose wird mittels spezifischer Kriterien gestellt, die den Befall von Augen, Mund und Speicheldrüsen, spezielle Autoantikörper und (gelegentlich) die Histopathologie beinhalten. Die Behandlung erfolgt in der Regel symptomatisch, aber die Beteiligung viszeraler Organe wird mit Kortikosteroiden und Immunsuppressiva behandelt.

Das Sjögren-Syndrom tritt am häufigsten bei Frauen mittleren Alters auf. Die Erkrankung wird als primär klassifiziert, wenn keine andere assoziierte Erkrankung besteht. Etwa 30% der Patienten mit Autoimmunkrankheiten wie rheumatoider Arthritis, systemischem Lupus erythematodes,systemischer Sklerose, Gemischte Bindegewebekrankheit, Hashimoto-Thyreoiditis, primär-biliärer Zirrhose oder chronischer Autoimmunhepatitis entwickeln ein Sjögren-Syndrom, und in diese Fällen wird die Krankheit als sekundär eingestuft. Genetische Assoziationen wurden gefunden (z. B. HLA-DR3-Antigene bei Weißen mit primärem Sjögren-Syndrom), sind aber für die Diagnose oder das klinische Management nicht erforderlich.

Pathophysiology of Sjögren Syndrome

Speichel-, Tränen- und andere exokrine Drüsen werden von CD4+-T-Zellen und in geringerem Ausmaß von B-Zellen infiltriert. Die T-Zellen produzieren proinflammatorische Zytokine (wie Interleukin-2, Interferon-gamma). Die Zellen des Speichelganges produzieren ebenfalls Zytokine, hierdurch werden schließlich die sekretorischen Ausführgänge zerstört. Eine Atrophie des sekretorischen Epithels der Tränendrüsen verursacht ein Austrocknen der Horn- und Bindehaut (Keratoconjunctivitis sicca). Lymphozytäre Infiltrate und Zellproliferation in den Gängen der Parotis verursachen eine Verengung des Lumens, in manchen Fällen bilden sich kompakte Zellstrukturen, sog. myoepitheliale Inseln, eine Atrophie der Drüse ist häufig die Folge. Die Trockenheit und Atrophie der Mukosa und Submukosa sowie diffuse lymphoplasmazelluläre Infiltrate können im Gastrointestinalrakt zu Symptomen wie Dysphagie führen.

Symptome und Zeichen des Sjögren-Syndroms

Glanduläre Manifestationen

Beim Sjögren-Syndrom sind häufig zunächst die Augen oder der Mund betroffen, manchmal auch ausschließlich (Sicca-Syndrom). Trockene Augen können ein sandiges, körniges Gefühl ohne Juckreiz verursachen. In fortgeschrittenen Fällen kommt es zu einer schweren Schädigung der Hornhaut, epitheliale Fäden bilden sich auf der Oberfläche (Keratitis filiformis), das Sehvermögen kann beeinträchtigt werden. Die Verminderung der Speichelproduktion (Xerostomie) führt zu Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken, sekundärer Candida-Infektion, Zahnverfall und Steinbildung in den Speichelgängen. Geschmack und Geruch können beeinträchtigt sein. Die Trockenheit kann auch die Haut und Schleimhäute in Nase, Rachen, Larynx, Bronchien, Vulva und Vagina betreffen. Die Trockenheit in den Atemwegen führt nicht selten zu einem trockenen Reizhusten.

Bei etwa 33% der Patienten kommt es zur Parotisvergrößerung mit fester, glatter Beschaffenheit und geringer Druckschmerzhaftigkeit. Die Vergrößerung kann asymmetrisch sein, aber eine stark überproportionale, anhaltende Vergrößerung einer Drüse kann auf einen Tumor hinweisen und sollte ausgewertet werden. Eine chronische Vergrößerung der Speicheldrüse ist selten schmerzhaft, es sei denn, es besteht eine Obstruktion oder Infektion.

Extraglanduläre Manifestationen

Gelenkerkrankungen bei einem Sjögren-Syndrom sind typischerweise nichterosiv und nichtdestruktiv. Arthralgien treten bei etwa 50% der Patienten auf. Eine Arthritis tritt ebenfalls in etwa 33% der Fälle in ähnlicher Form wie bei einer rheumatoiden Arthritis auf, ist aber nicht erosiv.

Zu den weiteren extraglandulären Manifestationen gehören generalisierte Lymphadenopathie, Raynaud-Syndrom, interstitielle Lungenbeteiligung (die häufig, aber selten schwerwiegend ist), Pankreasinsuffizienz und Vaskulitis. Eine Vaskulitis kann gelegentlich die peripheren Nerven (mit sensorischer peripherer Polyneuropathie oder multipler Mononeuropathie) oder das zentrale Nervensystem betreffen. Es kann Hautausschläge (einschließlich Purpura) und Glomerulonephritis verursachen. Die Nierenbeteiligung kann auch zur renalen tubulären Azidose, herabgesetzter Konzentrationsfähigkeit, Nierensteinen oder interstitieller Nephritis führen. Es können sich Pseudolymphome, ein B-Zell- Lymphom oder eine Waldenström-Makroglobulinämie entwickeln; ein Non-Hodgkin-Lymphom entwickelt sich bei SS-Patienten 40-mal häufiger als in der Normalbevölkerung. Es können auch eine chronische hepatobiliäre Erkrankung und eine Pankreatitis (das exokrine Pankreasgewebe ähnelt dem der Speicheldrüsen) auftreten.

Auch eine Alopezie ist möglich. Häufig liegt Müdigkeit vor.

Diagnose des Sjögren-Syndroms

  • Klinische Kriterien

  • Augen- und Speicheldrüsenuntersuchungen

  • Autoantikörper

  • Gelegentlich Biopsie der Speicheldrüse

Der Verdacht auf ein Sjögren Syndrom besteht bei Patienten mit grobkörnigen oder trockenen Augen oder trockenem Mund, bei Parotisvergrößerung, peripherer Neuropathie, Purpura oder unerklärlicher renaler tubulärer Azidose. Diese Patienten sollten weiter gezielt untersucht werden, inkl. genauer Untersuchung der Augen und Speicheldrüsen sowie auch serologischer Untersuchungen.

Für die Klassifizierung der primären Sjögren-Syndrome wurden verschiedene Kriterien vorgeschlagen. 2016 wurden Änderungen an den amerikanisch-europäischen Klassifizierungskriterien für das primäre Sjögren-Syndrom vorgeschlagen (siehe Tabelle EULAR/ACR-Kriterien für die Klassifizierung des primären Sjögren-Syndroms; 1). Nicht jeder Patient, der eine klinische Sjögren-Syndrom-Diagnose erhält, erfüllt die vorgeschlagenen Kriterien, aber die Kriterien bieten eine nützliche Orientierungshilfe für die Bewertung und werden bei Patienten angewendet, die mindestens ein Symptom einer Augen- oder Mundtrockenheit haben:

  • Augensymptome: 3 MO täglich, hartnäckige, lästige trockene Augen, wiederkehrendes Gefühl von Sand oder Kies in den Augen oder die Verwendung von Tränenersatzmitteln 3 mal/Tag

  • Orale Symptome: > 3 Monate täglich trockenes Mundgefühl oder täglicher Gebrauch von Flüssigkeiten zur Unterstützung des Schluckens von trockenen Lebensmitteln

Um die Kriterien zu erfüllen, müssen die Patienten mindestens ein Symptom von Augen- oder Mundtrockenheit aufweisen, einen Score von ≥ 4 haben und dürfen keines der folgenden Ausschlusskriterien haben:

  • Zurückliegende Strahlenbehandlung von Kopf und Hals

  • Aktive Hepatitis-C-Infektion (bestätigt durch Polymerase-Kettenreaktion)

  • AIDS

  • Sarkoidose

  • Amyloidose

  • Graft-versus-Host-Reaktion

  • IgG4-assoziierte Erkrankung

Tabelle

Die häufigsten Ursachen für Augen- und Mundtrockenheit (Sicca-Symptomatik) sind das Alter und Medikamente, wenn jedoch eine Parotisvergrößerung zusätzlich zur Sicca-Symptomatik auftritt, sollten Krankheiten wie Hepatitis C, HIV, Bulimie und Sarkoidose von dem Sjögren-Syndrom unterschieden werden. Bei vergrößerten Submandibulardrüsen, insbesondere bei Patienten mit Pankreatitis in der Anamnese, sollte eine IgG4-assoziierte Erkrankung (gekennzeichnet durch lymphoplasmozytäre Infiltration und Fibrose verschiedener Organe) erwogen werden.

Veränderungen an den Augensollten mit dem Schirmer-Test abgeklärt werden, der die Menge an Tränenflüssigkeit misst, die innerhalb von 5 min nach Reizung des Auges durch einen unter dem unteren Augenlid angebrachten Filterpapierstreifen produziert wird. Junge gesunde Menschen produzieren normalerweise 15 mm Flüssigkeit auf dem Streifen, Die meisten Patienten mit einem Sjörgen Syndrom < 5 mm. Allerdings sind ca. 15% der Ergebnisse falsch-positiv bzw. falsch-negativ. Die Färbung des Auges mittels eines Tropfens Bengalrot- oder Lissamin-Grün-Lösung ergibt hochspezifische Resultate. Der Augengesamtfleckwert (OSS) für jedes Auge wird aufgezeichnet (2). Auch eine Spaltlampenuntersuchung, die einen Abriss des fluoresceingefärbten Tränenfilms in < 10 s zeigt, legt die Diagnose nahe.

Der Speicheldrüsenbefall kann durch Nachweis einer abnorm niedrigen Speichelproduktion (< 0,1 ml/min) mittels Speichelflussmessung, Sialographie oder Speicheldrüsenszintigraphie bestätigt werden, allerdings werden diese Untersuchungen selten eingesetzt. Die Speichelproduktion kann durch verschiedene Methoden qualitativ bewertet werden (3), einschließlich der Suche nach einer normalen Speichelbildung unter der Zunge. Alternativ kann für 10 s ein Zungenspatel gegen die Wangenschleimhaut gehalten werden. Fällt der Spatel sofort herunter, wenn man ihn loslässt, ist der Speichelfluss normal. Je schwerer sich der Zungenspatel von der Wange löst, desto stärker ist die Trockenheit. Bei Frauen kann das Lippenstiftzeichen, wonach sich Lippenstift an den Vorderzähnen hält, ein nützlicher Indikator für Mundtrockenheit sein.

Autoantikörper sind von eher begrenzter Sensitivität und besonders geringer Spezifität. Hierzu zählen der Nachweis von anti-Ro- und anti-La-Antikörpern (anti-SS-A- bzw. anti-SS-B-Antikörper; siehe Systemischen Lupus erythematodes), ANA oder ein Anstieg von anti-Gamma-Globulin-Antikörpern. Mehr als 70% der SS-Patienten sind RF-positiv, Die Erythrozytensedimentationsrate (ESR) ist bei 70% erhöht, 33% haben eine Anämie und bis zu 25% eine Leukopenie. Jedoch sind nur SSA-Autoantikörper als Teil der neuen Klassifizierungskriterien enthalten.

Die Histopathologie wird anhand einer Biopsie der kleinen Speicheldrüsen in der Wangenschleimhaut beurteilt. Eine Biopsie der Speicheldrüse ist in der Regel Patienten vorbehalten, bei denen die Diagnose nicht durch Autoantikörper-Tests gestellt werden kann, oder wenn ein größeres Organ beteiligt ist. Ein typischer histopathologischer Befund gilt als bestätigt, wenn im Drüsengewebe multiple große Herde von Lymphozyten in Verbindung mit Atrophie des azinären Gewebes zu finden sind. Biopsie kann durch langwierige Dysästhesien kompliziert sein.

Literatur zur Diagnose

  1. 1. Shiboski CH, Shiboski SC, Seror R, et al: 2016 American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism classification criteria for primary Sjögren's syndrome: A consensus and data-driven methodology involving three international patient cohorts. Arthritis Rheumatol 69(1):35–45, 2017. doi: 10.1002/art.39859

  2. 2. Whitcher JP, Shiboski CH, Shiboski SC, et al: A simplified quantitative method for assessing keratoconjunctivitis sicca from the Sjögren's syndrome international registry. Am J Ophthalmol 149(3):405–415, 2010. doi: 10.1016/j.ajo.2009.09.013

  3. 3. Navazesh M: Methods for collecting saliva. Ann N Y Acad Sci 694:72–77, 1993. doi: 10.1111/j.1749-6632.1993.tb18343.x

Prognose für Sjögren-Syndrom

Das Sjögren-Syndrom ist chronisch. Der allgemeine Gesundheitszustand und die Lebenserwartung sind bei Patienten, deren einzige Symptome trockene Augen und ein trockener Mund sind, weitgehend unbeeinträchtigt. Bei einer systemischen Organbeteiligung ist die Prognose jedoch ungünstiger. Bei schwerer Erkrankung kann der Tod gelegentlich durch eine Lungeninfektion und selten durch Nierenversagen oder Lymphome eintreten. Assoziierte systemische Autoimmunerkrankungen bestimmen die Prognose.

Behandlung von Sjögren-Syndrom

  • Symptomatische Behandlung der Sicca-Symptomatik

  • Vermeiden verstärkender Faktoren

  • Kortikosteroide oder Rituximab für schwere Erkrankungen

  • Hydroxychloroquin und/oder Methotrexat für muskuloskelettale Manifestationen

Das Sjörgen-Syndrom sollte zunächst durch eine topische Therapie der Augen- und Mundtrockenheit behandelt werden. Andere systemische Manifestationen der Krankheit sollten in Abhängigkeit von der Schwere und der Organbeteiligung behandelt werden. Eine Kenntnis von Therapien bei anderen Krankheiten, die die Beschwerden infolge Trockenheit verschlimmern können, ist von entscheidender Bedeutung. Hydroxychloroquin zum Einnehmen in einer Dosierung von 5 mg/kg Körpergewicht einmal täglich wird häufig verabreicht, um das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten und um Arthralgien zu behandeln, doch gibt es nur wenige unterstützende Studiendaten. Orales Methotrexat in einer Dosierung von 15–20 mg einmal wöchentlich kann bei muskuloskelettalen Manifestationen verabreicht werden.

Trockene Augen sollten mit Augentropfen- Zubereitungen (zunächst Tropfen wie Hypromellose oder Methylcellulose und eine rezeptfreie-Salbe vor dem Schlafengehen) behandelt werden. Andere Behandlungen umfassen Drainage (punktuell), Tränenkanalstilllegung und die topische Anwendung von Cyclosporin. Die Trockenheit von Haut und Genitalregion kann mit Lubrikanzien behandelt werden.

Mundtrockenheit kann durch häufige Flüssigkeitszufuhr über den ganzen Tag, Kauen von zuckerfreiem Kaugummi oder Verwendung von Speichelersatz mit Carboxymethylcellulose zur Befeuchtung verhindert werden. Auf Medikamente, die Mundtrockenheit als Nebenwirkung haben (z. B. Antihistaminika, Antidepressiva, andere Anticholinergika) sollte verzichtet werden. Gründliche Mundhygiene und häufige zahnärztliche Kontrollen sind essenziell. Speichelsteine müssen sofort entfernt werden, um einen Stau in den Speichelgängen zu vermeiden. Schmerzen bei plötzlicher Speicheldrüsenschwellung werden am besten mit warmen Kompressen und Analgetika behandelt. Pilocarpin zum Einnehmen in einer Dosierung von 5 mg 3-mal täglich oder Cevimelinhydrochlorid zum Einnehmen in einer Dosierung von 30 mg 3-mal täglich können die Speichelproduktion anregen, sollten aber bei Patienten mit Bronchospasmus und Engwinkelglaukom vermieden werden.

Eine aggressive systemische Behandlung ist gelegentlich indiziert; in der Regel bleibt sie Patienten mit Begleiterkrankungen (z. B. schwere Vaskulitis, Sehnerventzündung oder viszerale Beteiligung) vorbehalten. Kortikosteroide (z. B. Prednison 1 mg/kg p.o. einmal/Tag) oder Rituximab können bei schweren Erkrankungen mit Kryoglobulinämie, peripherer Neuropathie/multipler Mononeuropathie, schwerer Parotisschwellung, schwerer Lungenbeteiligung oder entzündlicher Arthritis, die nicht auf eine nichtbiologische Therapie reagiert, erforderlich sein. (Siehe auch treatment guidelines or rheumatologic manifestations of Sjögren syndrom.)

Für Fatigue gibt es keine eindeutig wirksame Behandlung.

Wichtige Punkte

  • Der Verdacht auf ein Sjögren-Syndrom besteht bei Patienten mit Grieß und Trockenheit in den Augen oder Mundtrockenheit, bei Parotisvergrößerung, peripherer Neuropathie, Purpura oder unerklärlicher renaler tubulärer Azidose.

  • Die Bestätigung der Diagnose erfolgt in der Regel durch spezifische klinische Kriterien.

  • Die Sicca-Symptomatik wird symptomatisch behandelt (z. B. mit topischen Lubrikanzien), austrocknende Faktoren sind zu vermeiden, insbesondere Medikamente, die die Speicheldrüsenfunktion vermindern.

  • Wenn Patienten eine schwere Erkrankung haben (z. B. schwere Vaskulitis oder viszerale Beteiligung), behandeln Sie mit Kortikosteroiden und manchmal anderen Immunsuppressiva (z. B. Rituximab).

Weitere Informationen

Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Treatment guidelines for rheumatologic manifestations of Sjögren syndrome: Use of biologic agents, management of fatigue, and inflammatory musculoskeletal pain