Kiefergelenkerkrankungen (CMD)

VonGary D. Klasser, DMD, Louisiana State University School of Dentistry
Überprüft/überarbeitet Sep. 2023
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Kurzinformationen

Die Kiefergelenke sind die Verbindungen zwischen dem Schläfenbein der Schädelknochen und dem Unterkieferknochen (Mandibula). Es gibt 2 Kiefergelenke (Articulatio temporomandibularis), jeweils eines auf jeder Seite des Gesichts direkt vor den Ohren. Bänder, Sehnen und Muskeln stützen die Gelenke und sind für die Beweglichkeit des Kiefers verantwortlich.

  • Erkrankungen des Kiefergelenks (craniomandibuläre Dysfunktionen, CMD) werden von Problemen in den Kiefermuskeln oder -gelenken oder dem damit verbundenen Bindegewebe verursacht.

  • Betroffene leiden unter Kopfschmerzen und Druckempfindlichkeit der Kaumuskulatur oder hören Klick-/Knackgeräusche in den Kiefergelenken.

  • Der Arzt oder Zahnarzt kann die Diagnose gewöhnlich durch eine Anamnese und eine körperliche Untersuchung stellen. In manchen Fällen werden aber auch bildgebende Verfahren eingesetzt.

  • Die Behandlung umfasst in der Regel Selbsthilfe und vom Arzt angewiesene Maßnahmen, eine medizintechnische Therapie (Aktivator) und Schmerzlinderung.

Das Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis) ist eines der komplexesten Gelenke des menschlichen Körpers: Es öffnet und schließt sich wie ein Scharnier und verschiebt sich vorwärts, nach unten, rückwärts und seitlich. Beim Kauen ist das Kiefergelenk enormem Druck ausgesetzt, abhängig von der Position und dem Gesundheitszustand der oberen und unteren Zähne, die beim Schließen des Gelenks wie eine Art Türstopper wirken. Das Kiefergelenk enthält ein Stück dichten Fasergewebes, das als Gelenkscheibe bezeichnet wird. Die Gelenkscheibe dient als Polster zwischen Schädel und Unterkiefer und verhindert, dass diese beiden Knochen aneinander reiben.

Craniomandibuläre Dysfunktionen (CDM) treten am häufigsten bei Frauen Anfang 20 sowie zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. In seltenen Fällen sind CMD angeboren. Zu den CMD gehören Probleme mit den Gelenken, den Muskeln, und den umliegenden Bindegewebssträngen (Faszien).

Eine Kieferluxation ist ein zahnärztlicher Notfall und zeichnet sich durch einen weit geöffneten Mund und Schmerzen aus, wobei es schwer ist, den Mund zu schließen (mit übereinander liegenden Zähnen).

Ursachen für Kiefergelenkerkrankungen

Ursache einer Kiefergelenkerkrankung (CMD) ist sehr häufig eine Kombination aus Muskelverspannungen und anatomischen Problemen innerhalb des Gelenks. Manchmal tragen auch psychologische Komponenten und andere Faktoren dazu bei. Das Zusammenbeißen und Knirschen von Zähnen (Bruxismus), den ganzen Körper betreffende Erkrankungen (z. B. Osteopenie, Autoimmunkrankheiten, Bindegewebserkrankungen oder genetisch bedingte Knochenerkrankungen), Infektionen, Verletzungen, Fehlstellungen von Zähnen und selbst dauerhaftes Kaugummikauen können Symptome hervorrufen. Spezifische Ursachen umfassen Folgendes:

  • Muskelermüdung und Überbeanspruchung, was zu einem temporomandibulären myofaszialen Schmerzsyndrom des Kiefergelenks führt

  • Diskusverlagerung im Kiefergelenk

  • Arthritis

  • Versteifung

  • Übermäßige Beweglichkeit

Temporomandibuläres myofasziales Schmerzsyndrom

Das temporomandibuläre myofasziale Schmerzsyndrom ist die am häufigsten auftretende Erkrankung des Kiefergelenks. Muskelschmerzen und Verspannungen um den Kiefer herum und eine eingeschränkte Kieferöffnung sowie Kopfschmerzen und Schmerzen in anderen Bereichen von Kopf und Hals treten auf. Die Schmerzen werden hauptsächlich durch Ermüdung oder Überbeanspruchung der Muskeln verursacht, manchmal nach Zähneknirschen im Wach- oder Schlafzustand aufgrund von psychologischem oder schlafbedingtem Stress. Im Schlaf sind die Kräfte beim Pressen und Knirschen meist größer als im Wachzustand. Die Schmerzen können auch durch eine Verletzung an Kopf und Hals entstehen, durch Schlafstörungen, durch Probleme aufgrund einer Fehlstellung der oberen und unteren Zahnreihen oder sogar durch Zahnschmerzen. Das Kiefergelenk kann normal sein. Das temporomandibuläre myofasziale Schmerzsyndrom tritt häufiger bei Frauen auf und betrifft in der Regel Frauen ab zwanzig Jahren sowie kurz vor oder während der Wechseljahre (Menopause).

Das Kiefergelenk

Craniomandibuläre Dysfunktion

Bei der häufigsten Form der craniomandibulären Dysfunktion (Störung des Kausystems) liegt die Knorpelscheibe im Inneren des Kiefergelenks vor ihrer normalen Position (anteriore Diskusverlagerung). Sie kann verschoben werden, wenn die Bänder, die sie fixieren, länger oder überdehnt werden, was oft aufgrund einer Verletzung des Gelenks (Verstauchung) erfolgt.

Eine craniomandibuläre Dysfunktion kann mit oder ohne Reposition auftreten. Reposition bedeutet, dass sich die Gelenkteile wieder an ihre normale Position zurückbewegt haben. Eine Diskusverlagerung mit Reposition ist häufiger als eine Verlagerung ohne Reposition. Sie tritt bei etwa einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung auf. Bei einer Diskusverlagerung mit Reposition liegt die Gelenkscheibe nur beim Schließen des Mundes vor ihrer normalen Position. Wenn der Mund aufgeht und sich der Kiefer nach vorne schiebt, rutscht die Knorpelscheibe in ihre normale Lage und gibt dabei oftmals ein knackendes oder klickendes Geräusch ab. Wenn sich der Mund schließt, rutscht die Scheibe wieder nach vorne. Bei einer Diskusverlagerung ohne Reposition schiebt sich die Gelenkscheibe überhaupt nicht mehr in die normale Position zurück und die Kieferöffnung ist eingeschränkt. Eine craniomandibuläre Dysfunktion kann zu einer Entzündung am Gelenk (Kapsulitis) führen. Die craniomandibuläre Dysfunktion kann Schmerzen verursachen oder auch nicht.

Arthritis

Gelenkentzündung (Arthritis) im Kiefergelenk kann aus einer Arthrose, einer rheumatoiden Arthritis, einer infektiösen Arthritis und einer Verletzung, besonders einer solchen, die ins Gelenk blutet, resultieren. Solche Verletzungen sind bei Kindern relativ häufig, die einen Schlag frontal oder seitlich auf das Kinn erhalten.

Arthrose, eine Art von Gelenkentzündung, die zum Abbau von Knorpeln in den Gelenken führt, kommt am häufigsten bei Menschen ab dem 50. Lebensjahr vor. Eine Arthrose des Kiefergelenks kann auftreten, wenn die Faserknorpelscheibe im Gelenk verschoben ist oder darin Löcher entstanden sind, wodurch der Gelenkknochen aufgrund degenerativer Veränderungen umgebaut wird.

Rheumatoide Arthritis ist eine Erkrankung, bei der der Körper sein eigenes Gewebe angreift (Autoimmunkrankheit) und eine Entzündung verursacht, die bei 17 Prozent der Betroffenen das Kiefergelenk in Mitleidenschaft zieht. Das Kiefergelenk ist in der Regel das letzte Gelenk, das von rheumatoider Arthritis befallen wird.

Infektiöse Arthritis wird von einer Infektion hervorgerufen, die sich aus einem Nachbarbereich, wie Kopf oder Hals, oder über das Blut aus einer anderen Körperregion auf das Kiefergelenk ausgebreitet hat.

Posttraumatische Arthritis, bei der sich das Gelenk aufgrund einer Verletzung (z. B. wenn der Kiefer bei einer Zahnbehandlung übermäßig weit geöffnet wurde) entzündet, ist eine seltene Form von Arthritis.

Versteifung

Gelenkversteifung (Ankylose) tritt auf, wenn die Knochen im Gelenk vernarben (Fibrosierung), zusammenwachsen oder die dazugehörigen Bänder verkalken (kalzifizieren). Eine Gelenkversteifung wird häufig durch eine Verletzung oder eine Infektion verursacht. Sie kann allerdings bereits bei der Geburt bestehen oder durch rheumatoide Arthritis hervorgerufen werden.

Übermäßige Beweglichkeit

Zu einer übermäßigen Beweglichkeit (Hypermobilität) kann es kommen, wenn sich die Bänder, die das Gelenk zusammenhalten, übermäßig dehnen, sodass es quasi zu einem Doppelglied kommt. Bei der Hypermobilität wird die Verlagerung gewöhnlich durch die Form der Gelenke, Bandinstabilität (Laxität) und Muskelspannung hervorgerufen. Ursachen sind beispielsweise ein übermäßiges Öffnen des Mundes oder ein Schlag auf den Kiefer.

Symptome von Kiefergelenkerkrankungen

Symptome einer CMD sind Kopfschmerzen, Empfindlichkeit der Kaumuskulatur und knackende, klickende oder klemmende Gelenke. Manchmal scheinen die Schmerzen eher in der Umgebung der Kiefergelenke als direkt in ihnen zu sitzen. Kiefergelenkerkrankungen können die Ursache ständig wiederkehrender Kopfschmerzen sein, die auf die übliche Behandlung nicht ansprechen. Andere Symptome, die auftreten können, sind Nackensteife und -schmerzen, die bis in die Schultern ausstrahlen, Benommenheit, Ohrenschmerzen, „verstopfte“ Ohren und Schlafprobleme.

Menschen mit Kiefergelenkerkrankungen haben Schwierigkeiten, den Mund weit zu öffnen. Die meisten Menschen ohne Erkrankungen des Kiefergelenks können bei geöffnetem Mund mühelos ihren Zeige-, Mittel- und Ringfinger übereinander in den Zwischenraum zwischen Ober- und Unterkiefer schieben. Wenn jemand Kiefergelenkerkrankungen hat, ist dieser Zwischenraum meist kleiner (mit Ausnahme von Hypermobilität).

Temporomandibuläres myofasziales Schmerzsyndrom

Menschen mit temporomandibulären myofaszialem Schmerzsyndrom (auch funktionelles Schmerzsyndrom und Costen-Syndrom genannt) können Schmerzen, Müdigkeit und Verspannungen an den Gesichtsseiten beim Aufwachen oder nach einem stressvollen Tag spüren. Nächtliches Zusammenbeißen der Zähne und Zähneknirschen sowie schlafbedingte Atmungsstörungen wie das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom können dazu führen, dass die Betroffenen morgens mit Kopfschmerzen aufwachen, die im Laufe des Tages langsam verschwinden. Die Symptome, einschließlich Kopfschmerzen, können jedoch auch tagsüber anhalten, wenn die Betroffenen im Wachzustand weiterhin die Zähne zusammenpressen und mit den Zähnen knirschen. Wenn sich der Mund öffnet, kann sich der Unterkiefer leicht nach der einen oder anderen Seite verschieben (Deviation). In manchen Fällen lässt er sich nicht vollständig öffnen. Die Kaumuskulatur schmerzt in der Regel und ist berührungsempfindlich. Kleine Punkte oder Knoten in den Muskeln (sogenannte Triggerpunkte) sind berührungsempfindlich und können bei Druck an anderen Stellen im Kopf und Hals zu übertragenen Schmerzen führen.

Craniomandibuläre Dysfunktion

Bei einer internen Gelenkverschiebung in Verbindung mit einer anterioren Diskusverlagerung mit Reposition tritt gewöhnlich ein klickendes oder knackendes Geräusch im Gelenk auf, wenn der Mund weit geöffnet wird, und wenn sich der Unterkiefer seitlich verschiebt. Manche Menschen nehmen diese Geräusche bei der Kieferbewegung wahr. Bei vielen Menschen sind diese Gelenkgeräusche die einzigen Symptome. Manche Menschen haben jedoch auch Schmerzen, insbesondere, wenn sie Nahrungsmittel von zäher Konsistenz kauen. Bei einem kleinen Prozentsatz der Betroffenen beginnt das Kiefergelenk auch zu klemmen.

Bei Verlagerung der Knorpelscheibe in Verbindung mit einer anterioren Diskusverlagerung ohne Reposition kommt es in der Regel nicht zu Geräuschen, jedoch können die Betroffenen ihren Mund nur unter Schwierigkeiten weit öffnen. In der Regel treten Schmerzen auf und die Person hat das Gefühl, dass ihr Gelenk deplatziert ist. Bei Personen mit früher anhaltendem Kiefergelenkknacken (anteriore Diskusverlagerung mit Reposition) tritt diese Art der Gelenkverschiebung in der Regel plötzlich auf. Zuweilen können die Betroffenen ihren Mund morgens nicht vollständig öffnen. Nach 6 bis 12 Monaten können die Schmerzen nachlassen, und die Kiefereinschränkungen können verschwinden.

Arthritis

Da eine Arthrose vorwiegend auftritt, wenn die Knorpelscheibe fehlt oder löchrig geworden ist, haben die Betroffenen ein häufig auch hörbares Reibungsgefühl in den Kiefergelenken, wenn sie den Mund öffnen oder schließen. Steifigkeit und/oder leichte Schmerzen können ebenfalls auftreten. Bei schwerer Arthrose flacht sich die Spitze des Kieferknochens ab, und die Betroffenen können den Mund nicht weit öffnen. Der Kiefer kann zu der betroffenen Seite verschoben sein und sich nicht in die ursprüngliche Position zurückbewegen lassen. Der Betroffene bemerkt möglicherweise eine Veränderung dabei, wie die oberen und unteren Zähne auf der nicht betroffenen Seite aufeinandertreffen.

Rheumatoide Arthritis verursacht Schmerzen, Schwellungen im Kiefergelenk und eingeschränkte Beweglichkeit des Kiefers. Hier sind gewöhnlich beide Kiefergelenke etwa gleich stark betroffen, was bei anderen CMD nur selten der Fall ist. Bei schwerer rheumatoider Arthritis, vor allem bei Kindern, wird die Spitze des Kieferknochens abgebaut und verkürzt sich, was eine Deformierung des Gesichts hervorruft. Diese Schäden können zu einer baldigen Fehlstellung einiger oder aller Zähne im Ober- und Unterkiefer führen. Bei schweren Schäden kann der Knochen des Kiefers schließlich mit dem Schädel verwachsen (Ankylose), obwohl dies sehr selten ist.

Bei einer infektiösen Arthritis ist der Bereich über und rund um das Kiefergelenk entzündet, der Kiefer lässt sich nur eingeschränkt bewegen und schmerzt.

Posttraumatische Arthritis verursacht Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Kiefergelenk und führt zu eingeschränkter Beweglichkeit des Kiefers.

Versteifung

Eine Verwachsung der Bänder und Knochen um das Gelenk (extraartikuläre Ankylose) ist in der Regel nicht schmerzhaft, allerdings lässt sich der Mund nur ungefähr zweieinhalb Zentimeter oder weniger öffnen. Eine Verwachsung der Knochen innerhalb des Gelenks (intraartikuläre Ankylose) verursacht Schmerzen und beeinträchtigt die Kieferbeweglichkeit noch weiter.

Übermäßige Beweglichkeit

Bei übermäßiger Beweglichkeit (Hypermobilität) kann der Unterkiefer nach vorne rutschen und sich völlig aus seiner Gelenkverbindung lösen (Luxation), was Schmerzen verursacht und dazu führt, dass der Mund nicht mehr geschlossen werden kann. Eine Gelenkausrenkung kann plötzlich und wiederholt auftreten.

Diagnose von Kiefergelenkerkrankungen

  • Beurteilung durch einen Arzt oder Zahnarzt

  • Manchmal bildgebende Diagnostikverfahren

  • Für infektiöse Arthritis: Aspiration von Flüssigkeit

  • Manchmal Polysomnographie (Schlafstudie)

Der Arzt oder Zahnarzt stellt die Diagnose einer Kiefergelenkerkrankung fast immer lediglich anhand der medizinischen und zahnmedizinischen Vorgeschichte des Patienten und einer körperlichen Untersuchung. Zur Untersuchung gehört es, das Gesicht an den Seiten abzutasten und mit dem kleinen Finger vorsichtig gegen das Ohr des Betroffenen zu drücken, während er den Kiefer öffnet und schließt. Dabei wird auf Schließ-, Klick- und Knackgeräusche geachtet. Außerdem tastet der Arzt die Kaumuskulatur ab, um festzustellen, ob sie schmerzt oder druckempfindlich ist, und achtet darauf, ob sich der Kiefer verschiebt, wenn der Betroffene die Kiefer schließt. Der Arzt bittet den Betroffenen, den Mund so weit wie beschwerdefrei möglich zu öffnen. Eine Person mit durchschnittlicher Körpergröße kann den Mund mindestens ca. vier Zentimeter öffnen.

Wenn der Arzt eine interne Verlagerung des Kiefergelenks vermutet, können weitere Tests durchgeführt werden. Standardmäßig wird anhand einer Magnetresonanztomographie (MRT) festgestellt, ob sich das Kiefergelenk intern verlagert hat oder warum die Behandlung nicht erfolgreich ist.

Eine Arthrose wird vermutet, wenn beim Öffnen des Mundes ein knirschendes/schabendes Geräusch (Crepitus) vernommen werden kann. Eine Röntgenaufnahme und/oder eine Computertomographie (CT) können die Diagnose bestätigen.

Eine infektiöse Arthritis kann vorliegen, wenn der Bereich über und rund um das Kiefergelenk entzündet ist, das Gelenk schmerzt und der Mund sich nicht richtig öffnen lässt. Infektionen in anderen Teilen des Körpers können ebenfalls als Hinweis dienen. Um die Diagnose zu bestätigen, entnimmt der Arzt mit einer Kanüle eventuell Flüssigkeit aus dem Kiefergelenk (Aspiration), die auf Bakterien untersucht wird.

Ist übermäßige Beweglichkeit des Kiefergelenks die Ursache, kann der Betroffene den Mund gewöhnlich mehr als 3 Finger breit öffnen. Dabei ist der Kiefer unter Umständen dauerhaft ausgerenkt. Ist hingegen Gelenkversteifung die Ursache, ist der Bewegungsspielraum des Kiefers in der Regel stark eingeschränkt.

Treten weiterhin Symptome wie Muskelschmerzen und -verspannungen auf, wird von den Ärzten womöglich eine Untersuchung auf eine Schlafstörung veranlasst. Bei dieser Untersuchung handelt es sich um die sogenannte Polysomnographie.

Behandlung von Kiefergelenkerkrankungen

  • Medizintechnische Therapie und Schmerzmittel

  • Selbsthilfemaßnahmen

  • Zuweilen Physiotherapie

  • Manchmal operative Eingriffe

  • Manchmal weitere Medikamente (z. B. Muskelrelaxantien, Schlafmittel oder Botulinumtoxin)

Die Behandlung kann je nach Ursache sehr unterschiedlich ausfallen. Zwei weit verbreitete Behandlungsmethoden sind eine medizintechnische Therapie (mit Aktivator oder Aufbissschiene) und die Verabreichung von Schmerzmitteln, wie nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR).

Temporomandibuläres myofasziales Schmerzsyndrom

Medizingeräte für den Mund

Ein medizintechnisches Gerät ist häufig die Hauptbehandlung bei Muskelschmerzen und Verspannungen im Kiefer. Wenn die Betroffenen wissen, dass sie die Zähne zusammenpressen oder mit den Zähnen knirschen, können sie mit der medizintechnischen Therapie etwas gegen diese Angewohnheit unternehmen. Eine dünne Kunststoffschiene wird an der oberen oder unteren Zahnreihe angepasst und gleicht so den Biss der betroffenen Person aus. Das Gerät, das normalerweise beim Schlafen getragen wird (Aktivator), verringert oft das Zähneknirschen und das Zusammenpressen der Zähne, sodass sich die Kiefermuskeln entspannen und erholen können. Bei Schmerzen im Wachzustand führt das Gerät dazu, dass die Kiefermuskulatur entspannt und der Biss stabil bleibt, wodurch die Beschwerden verringert werden. Das Gerät kann auch Schäden an Zähnen verhindern, die durch das Knirschen und Zusammenpressen außergewöhnlich stark belastet werden. Solche Geräte werden im Wachzustand nur so lange eingesetzt, bis die Symptome abklingen, meist weniger als 8 Wochen. Bei schwerer Symptomatik kann auch ein längeres Tragen sinnvoll sein.

Selbsthilfemaßnahmen

Die Betroffenen sollten Selbsthilfemaßnahmen zur Schmerzlinderung und Wiederherstellung der normalen Funktionsfähigkeit ergreifen.

  • Durch die Umstellung auf eine Ernährung mit weicheren Nahrungsmitteln, das Zubereiten von Nahrung in kleineren Stücken, langsames Kauen und das weniger weite Öffnen des Mundes verringert sich die Muskelspannung und die Belastung der Kiefergelenke.

  • Wenn man im Wachzustand die oberen und unteren Zähne auseinander hält, kann dies dazu beitragen, die Angewohnheit des Zusammenpressens oder Zähneknirschens zu unterbrechen, wodurch auch die Muskelspannung und die Belastung der Kiefergelenke verringert werden.

  • Wenn man sich eine Methode ausdenkt, um sich bei schlechter Haltung an eine entsprechende Korrektur zu erinnern, dürfte dies zur Erholung der Kiefer- und Nacken-/Schultermuskeln beitragen.

  • Durch richtiges Schlafverhalten, beispielsweise indem man immer zur gleichen Zeit in einer ruhigen und komfortablen Umgebung einschläft, dürften sich die Schmerzen verringern, sodass der Körper heilen kann.

  • Auch das Auflegen von feuchter Wärme auf erschöpfte Muskeln dürfte helfen.

Physiotherapie

Auch Physiotherapie kann verordnet werden. Physiotherapie kann zusammen mit einer Ultraschallbehandlung, elektromyographischem Biofeedback (bei dem die Betroffenen lernen, ihre Muskeln bewusst zu entspannen) und Dehnübungen unter Verwendung von Sprays erfolgen (bei denen der Kiefer passiv geöffnet wird, nachdem die Haut über dem schmerzenden Bereich mit einem Eisspray besprüht oder mit Eis betäubt wurde). Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS – siehe Randleiste Physiotherapie für Kiefermuskeln) kann auch helfen. Verbesserung erreicht man in manchen Fällen auch mithilfe von Methoden zur Stressbewältigung, mitunter zusammen mit elektromyographischem Biofeedback und therapeutischer Beratung.

Arzneimittel

Auch Medikamente können hilfreich sein. Beispielsweise können Muskelrelaxantien wie Cyclobenzaprin verschrieben werden, um die Versteifung zu lösen und die Schmerzen zu lindern. Ein Benzodiazepin (Anxiolytikum, das die Muskeln entspannt) kann manchmal zeitweise vor der Schlafenszeit eingenommen werden, um die Symptome zu lindern. Diese Medikamente bieten allerdings keine Heilung und sind im Allgemeinen bei älteren Erwachsenen nicht zu empfehlen. Sie werden nur für einen kurzen Zeitraum, in der Regel für einen Monat oder weniger, verschrieben.

Analgetika wie Paracetamol oder andere NSAR können ebenfalls Schmerzen lindern. Opioide Schmerzmittel werden gewöhnlich nicht verschrieben, da die Behandlung womöglich über einen längeren Zeitraum erforderlich ist und diese Medikamente süchtig machen können. Wenn die Schmerzen die Betroffenen vom Schlafen abhalten, werden manchmal für kurze Zeit Schlafmittel (Sedativa) eingesetzt. Personen, die unter einer Schlafstörung leiden könnten, z. B. unter obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, sollten ihren Arzt konsultieren, bevor sie Benzodiazepine oder Beruhigungsmittel (einschließlich frei verkäuflichen Medikamenten) oder Medikamente zur Muskelentspannung einnehmen, da diese die Störung verstärken können.

Injektionen mit Botulinumtoxin in den Muskel oder in die muskulären Triggerpunkte injizierte Anästhetika werden zur Entspannung von Muskelkrämpfen sowie zur Schmerzlinderung eingesetzt.

In manchen Fällen mit chronischen Schmerzen können Antidepressiva hilfreich sein.

Unabhängig von der Art der Behandlung geht es den meisten Betroffenen innerhalb von rund drei Monaten deutlich besser. Wenn die Symptome nicht schwer sind, erholen sich die meisten Betroffenen auch ohne Behandlung.

Physiotherapie für die Kiefermuskulatur

  • Ultraschall kann Wärme tief im Inneren des schmerzenden Gebiets erzeugen. Durch die Erwärmung mittels Ultraschall weiten sich die Blutgefäße, sodass das Blut die angesammelten Abfallprodukte der Muskeln, die Schmerzen verursachen können, schneller abtransportiert.

  • Beim elektromyographischen Biofeedback wird die Muskelaktivität mit einem Messgerät überwacht. Der Patient versucht, den ganzen Körper oder bestimmte Muskeln zu entspannen, während er die Anzeige beobachtet. Auf diese Weise lernt er, bestimmte Muskeln zu kontrollieren und zu entspannen.

  • Bei Dehnübungen unter Verwendung von Sprays wird der schmerzhafte Bereich mit einem Eisspray besprüht, oder es wird Eis angewendet, damit die Kiefermuskeln gedehnt werden können.

  • Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) werden Nervenfasern, die keine Schmerzsignale übermitteln, mit einem Gerät gereizt. Man geht davon aus, dass die dabei entstehenden Impulse die Schmerzimpulse des Betroffenen blockieren.

Craniomandibuläre Dysfunktion

Bei einer internen Verlagerung des Kiefergelenks mit oder ohne Reposition, ist eine Behandlung nur dann erforderlich, wenn jemand Schmerzen im Kiefergelenk hat oder es der Person schwerfällt, den Kiefer zu bewegen. Gegen die Schmerzen werden oftmals NSAR verordnet. Wenn der Betroffene unverzüglich nach Einsetzen der Beschwerden einen Zahnarzt aufsucht, lässt sich die Knorpelscheibe womöglich manuell in ihre normale Position zurückdrücken.

Wenn eine Person die Störung seit weniger als 3 bis 6 Monaten hat, kann eine Aufbisshilfe zur mandibulären Reposition verwendet werden. Die Aufbisshilfe hält den Unterkiefer nach vorne, hält den Diskus in Position und ermöglicht es den stützenden Bändern, sich anzuspannen und schmerzfrei zu werden. Über einen Zeitraum von zwei bis vier Monaten verändert der Zahnarzt das eingesetzte Gerät so, dass der Kiefer wieder in seine normale Position zurückkehrt, wobei davon ausgegangen wird, dass die Knorpelscheibe am richtigen Platz bleibt. Je länger die Knorpelscheibe verschoben ist, desto weniger wahrscheinlich ist es jedoch, dass ihre Neupositionierung erfolgreich verläuft.

Menschen mit einer internen Verlagerung des Kiefergelenks mit oder ohne Reposition sollen den Mund z. B. beim Gähnen oder Abbeißen möglichst nicht weit öffnen, da die geschädigten Gelenke dabei nicht so gut geschützt sind wie normale Kiefergelenke. Betroffene sollten ihre Nahrung klein schneiden und Lebensmittel wählen, die leicht zu kauen sind.

Manchmal verklemmt sich die verschobene Knorpelscheibe vor dem Kiefergelenk, sodass sich der Mund nicht mehr vollständig öffnen lässt. Die Scheibe muss dann manuell noch weiter verschoben werden, damit das Gelenk wieder vollständig beweglich ist. Vorrichtungen zur passiven Kieferbewegung, die den Kiefer dehnen, sind eine Möglichkeit, die Spannweite zwischen den Kiefern ganz allmählich zu erhöhen. Sie werden mehrmals täglich angewandt. Bei einer dieser Vorrichtungen handelt es sich um ein Schraubgewindeinstrument, das ähnlich wie ein Wagenheber zwischen die Vorderzähne gesetzt und gedreht wird, um die Mundöffnung allmählich zu weiten, indem die Knorpelscheibe behutsam nach vorne geschoben wird. Ist ein solches Instrument nicht verfügbar, kann der Arzt einen kleinen Stapel mit Zungenspateln zwischen die Vorderzähne legen, wobei nach und nach zusätzliche Spatel in die Mitte geschoben werden, um die Mundöffnung so nach und nach zu vergrößern.

Kann eine interne Verlagerung des Kiefergelenks nicht konservativ behandelt werden, muss ein Kieferchirurg möglicherweise einen operativen Eingriff vornehmen. Seit der Einführung von Verfahren wie der Arthroskopie werden herkömmliche Operationen verhältnismäßig selten durchgeführt. Alle operativen Verfahren werden zusammen mit der medizintechnischen Therapie, den Selbsthilfemaßnahmen und unter der Aufsicht eines Arztes oder Zahnarztes vorgenommen.

Arthritis

Menschen mit Arthrose im Kiefergelenk müssen den Kiefer so oft wie möglich ruhig halten, ein medizintechnisches Gerät oder andere Vorrichtungen zur Bekämpfung von Muskelversteifungen anwenden und Schmerzmittel (z. B. Paracetamol oder ein NSAR) einnehmen. Mit oder ohne Behandlung klingen die Schmerzen gewöhnlich innerhalb von sechs Monaten ab. Die meisten Symptome verschwinden selbst ohne Behandlung wieder, vermutlich, weil der Gewebestreifen hinter der Knorpelscheibe vernarbt und dann die Funktion der eigentlichen Knorpelscheibe übernimmt. Die Beweglichkeit des Kiefers reicht gewöhnlich weitgehend für normale Funktionen aus, auch wenn sich der Mund vielleicht nicht mehr ganz so weit öffnen lässt wie vorher. Das medizintechnische Gerät wird in der Regel im Schlaf getragen, manchmal aber auch im Wachzustand.

Eine rheumatoide Arthritis im Kiefergelenk wird mit denselben Medikamenten behandelt wie eine rheumatoide Arthritis in jedem anderen Gelenk. Bei schweren Schmerzen werden NSAR verschrieben. Besonders wichtig ist es, die Beweglichkeit des Gelenks zu erhalten und eine Verwachsung der Knochen zu verhindern. Um das zu erreichen, eignen sich gewöhnlich am besten Kieferübungen nach Anweisung eines Physiotherapeuten. Um die Symptome zu lindern, insbesondere die Muskelverspannungen, trägt die betroffene Person im Schlaf ein medizintechnisches Gerät. Lässt sich der Kiefer aufgrund einer Gelenkverwachsung gar nicht mehr bewegen, kann eine Operation erforderlich sein sowie in seltenen Fällen ein künstliches Kiefergelenk, um die Beweglichkeit wiederherzustellen.

Eine infektiöse Arthritis wird mit Antibiotika, ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Schmerztherapie und Bewegungseinschränkung behandelt. Anfangs wird gewöhnlich das Antibiotikum Penicillin verabreicht, bis die Testergebnisse vorliegen und man weiß, welche Bakterien die Verursacher sind und welches Antibiotikum am wirksamsten ist. Falls sich im Gelenk Eiter angesammelt hat, kann er mit einer Kanüle abgeleitet werden. Sobald die Infektion unter Kontrolle gebracht wurde, werden kieferöffnende Übungen durchgeführt, die einer Vernarbung und der Bewegungseinschränkung entgegenwirken.

Posttraumatische Arthritis wird mit NSAR und Kortikosteroiden (Arzneimittel, welche die Entzündung reduzieren und Symptome wie Schwellungen, Rötung und Schmerzen lindern), Wärmeanwendungen, weicher Kost und einer Einschränkung der Kieferbewegungen behandelt.

Versteifung

Gelegentlich können kieferöffnende Übungen hilfreich sein, aber Patienten mit einer Verwachsung der Knochen benötigen in der Regel einen chirurgischen Eingriff zur Wiederherstellung der Kieferbewegung, und anschließend müssen über Monate bis Jahre hinweg Übungen durchgeführt werden, um die chirurgische Korrektur aufrechtzuerhalten.

Übermäßige Beweglichkeit

Die Vorbeugung und Behandlung einer Luxation (Gelenkausrenkung), die durch eine übermäßige Beweglichkeit (Hypermobilität) verursacht wurde, ist die gleiche wie bei anderen Ursachen eines ausgerenkten Kiefergelenks. Bei einem ausgerenkten Kiefergelenk (Luxation) ist unter Umständen Unterstützung erforderlich, um den Kiefer wieder einzurenken. Viele Betroffene, die öfter unter diesem Problem zu leiden haben, lernen jedoch, ihr Kiefergelenk selbst wieder in die richtige Position zu bringen, indem sie ihre Muskeln bewusst entspannen und den Unterkiefer leicht bewegen, bis er wieder einschnappt. Um wiederholte Luxationen zu verhindern, kann der Arzt eine Substanz in das Gelenk spritzen (z. B. Blut), das zur Narbenbildung führt und die Beweglichkeit einschränkt. Um wiederholte Luxationen zu verhindern, ist in manchen Fällen auch eine Operation erforderlich, um den Knochen umzubilden oder die Bänder rund um das Kiefergelenk zu kürzen.