Legasthenie

VonStephen Brian Sulkes, MD, Golisano Children’s Hospital at Strong, University of Rochester School of Medicine and Dentistry
Überprüft/überarbeitet Feb. 2022
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Legasthenie ist der allgemeine Ausdruck für Lese-Rechtsschreib-Störung (LRS). Die Diagnose wird aufgrund einer Bewertung des Intellekts, der Lernfähigkeit, der Sprache und des Sprechens in medizinischen und psychologischen Untersuchungen gestellt. Die Behandlung stützt sich vor allem auf ein Unterrichtskonzept zur Erkennung von Wörtern und Phonemen.

Legasthenie ist eine spezielle Art von Lernstörung. Lernstörungen schließen Schwierigkeiten in Lesen, Mathematik, Buchstabieren, schriftlichem Ausdruck, Handschrift und Benutzung der verbalen und nonverbalen Sprache () ein.

Es gibt keine universell akzeptierte Definition der Legasthenie, deshalb ist die Inzidenz der Krankheit unbekannt. Ungefähr 15% der Kinder erhalten Förderstunden für das Lesen, von diesen haben ungefähr die Hälfte dauernde Schwierigkeiten. Legasthenie findet sich häufiger bei Jungen als bei Mädchen, aber es gibt keinen Beweis, dass das Geschlecht ein Risikofaktor ist.

Die Unfähigkeit, abgeleitete Rechtschreibregeln zu verstehen, ist Teil der Legasthenie. Den betroffenen Kindern fällt es schwer, Wortwurzeln oder Wortstämme zu bestimmen oder herauszufinden, welche Buchstabenfolge in einem Wort vorliegt.

Leseschwierigkeiten ohne Legasthenie werden meistens durch mangelndes Sprachverständnis oder niedrige Intelligenz verursacht. Störungen der visuellen Wahrnehmung und pathologische Augenbewegungen gehören ebenfalls nicht zur Legasthenie. Diese Störungen können aber das Wörtererlernen erschweren.

Ätiologie der Legasthenie

Nicht Sehstörungen, sondern Probleme beim Hören werden zur Zeit als Hauptursachen von Leseschwächen diskutiert. Eine ungenügende Phonemerkennung verursacht eine fehlerhafte Lautdiskriminierung, -erinnerung, -mischung und -analyse. Legasthenie kann sowohl das Verfassen wie auch das Verstehen von geschriebener Sprache beeinflussen. Überdies werden beide durch das mangelnde Gedächtnis für Gehörtes sowie durch Defizite hinsichtlich der Sprachproduktion, Wortbenennung und Wortfindung begrenzt. Dahinter verbergen sich oft auch Schwächen im verbalen Ausdruck.

Pathophysiologie der Legasthenie

Legasthenie tritt familiär gehäuft auf. Kinder mit einer positiven Familienanamnese haben ein höheres Erkrankungsrisiko. Da es bei Patienten mit Legasthenie Veränderungen im Gehirn gibt, glaubt man, dass die Legasthenie hauptsächlich eine kortikale Dysfunktion ist, die von einer angeborenen neurologischen Fehlentwicklung stammt. Läsionen, die die Integration und Interaktion von bestimmten Hirnfunktionen beeinträchtigen, kommen als Ursache in Frage. Die meisten Forscher stimmen überein, dass die Legasthenie einen Zusammenhang mit der linken Hemisphäre hat und eine Beeinträchtigung und Funktionsstörung der Sprachassoziation (sensorisches Wernicke-Sprachzentrum), Laut- und Sprachbildung (Broca-motorisches Sprachzentrum) und der Verbindung beider Sprachzentren über den Fasciculus arcuatus vorliegen. Funktionsstörungen im Bereich des Gyrus anularis, des medialen Okzipitalbereichs und der rechten Hemisphäre sind mit Worterkennungsstörungen in Verbindung gebracht worden. Forschungsergebnisse weisen auf eine gewisse Formbarkeit des Gehirn als Resultat von Trainigsmaßnahmen hin.

Gehirnareale

Symptome und Anzeichen von Legasthenie

Legasthenie kann sich äußern als

  • Verzögerte Sprachfähigkeit

  • Artikulationsschwierigkeiten

  • Schwierigkeit, sich an die Begriffe von Buchstaben, Zahlen und Farben zu erinnern

  • Schwierigkeiten mit Wortproblemen trotz normaler Rechenfähigkeiten

Kinder mit Störungen der phonologischen Verarbeitung haben oft Schwierigkeiten, Laute zu mischen, Wörter aufeinander zu reimen, die Positionen eines bestimmten Lautes innerhalb eines Wortes zu identifizieren, Wörter zu zerlegen und die Klangreihenfolge innerhalb eines Wortes umzudrehen. Verzögerungen bei der Wortwahl, beim Finden von Synonymen oder bei der Benennung von Buchstaben oder Bildern sind frühe Symptome. Probleme des Kurzzeitgedächtnisses und Schwierigkeiten bei der Reproduktion von Gehörtem in der korrekten Reihenfolge sind häufig.

Weniger als 20% der Kinder mit Legasthenie haben Schwierigkeiten mit visuellen Anforderungen des Lesens. Es verwechseln jedoch einige Kinder Buchstaben und Wörter, die ähnlich aufgebaut sind oder sie haben Schwierigkeiten damit, gesprochene Buchstabenfolgen im Geschriebenen wiederzuerkennen oder zu identifizieren (Phonem-Graphem-Verbindungen). Umstellungen von Buchstaben oder visuelle Verwechslungen kommen oft vor und hängen mit den Schwierigkeiten bei Erinnerung und Wiedergabe zusammen, die dazu führen, dass die Betroffenen ähnliche Buchstaben und Wörter vergessen und verwechseln. Aus dwird dann b, aus m wird w, aus h wird nx, aus "was" wird "sah und aus "on" wird "no". Solche Verdrehungen sind jedoch bei Kindern in einem Alter von < 8 Jahren normal.

Legasthenie stellt ein lebenslang bestehendes Problem dar; allerdings entwickeln die meisten Kinder mit der Zeit ausreichende funktionelle Lesefähigkeiten. Andere Kinder erreichen auch später keine angemessene Lesekompetenz.

Diagnose von Legasthenie

  • Lesetests

  • Untersuchung von passivem und aktivem Sprachvermögen und Gehör

  • Psychologische Tests

(Siehe auch Untersuchung von Lernstörungen.)

Die meisten Kinder mit Legasthenie werden erst im Kindergarten oder im ersten Schuljahr identifiziert, wenn sie mit dem Lernen von symbolischen Zeichen anfangen. Kinder, die eine positive Anamnese für eine Sprachentwicklungsverzögerung haben und die sich mit dem Wörtererlernen am Ende der ersten Klasse schwer tun, die nicht entsprechend ihrer sonstigen verbalen und intellektuellen Fähigkeiten lesen, sollten auf eine Legasthenie hin untersucht werden. Der beste diagnostische Hinweis ist, wenn der Erstklässler nicht nach traditionellen oder typischen Methoden lesen lernen kann; allerdings findet sich gerade in dieser Stufe eine große Variationsbreite. Das Erkennen einer phonologischen Verarbeitungsstörung ist wichtig für die Diagnose.

Besteht bei Kindern der Verdacht auf eine Legasthenie, sollten Untersuchungen des Intellekts, der Sprache und des Sprechens, des Gehörs und kognitive und psychologische Tests durchgeführt werden, um eventuelle Stärken und Schwächen und den bevorzugten Lernstil zu identifizieren. Solche Bewertungen können vom Lehrer oder der Familie des Kindes an das Schulpersonal angefordert werden, basierend auf dem Individuals with Disabilities Education Act (IDEA), dem primären amerikanischen Sonderbildungsgesetz. Nach den Tests versucht man, dem Kind die am besten geeigneten Unterrichtsmethoden zuteil werden zu lassen.

Lesetests prüfen die Fähigkeit des Kindes, Wörter zu erkennen und zu analysieren, flüssig zu lesen, einen gehörten oder gelesenen Text zu verstehen sowie die Größe ihres Wortschatzes.

Sprach- und Hörtests beurteilen Probleme in der phonologischen Verarbeitung gesprochener Sprache. Rezeptive und expressive Sprachfunktionen werden ebenfalls bewertet. Auch kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken sind Gegenstand der Untersuchung.

Psychologische Tests beurteilen den Einfluss von emotionalen Stressfaktoren auf die Lesefähigkeit. Eine vollständige Familienanamnese bezüglich psychischer Krankheiten und emotionaler Belastungen wird erhoben.

Der Arzt sollte sich entweder in der eigenen Praxis oder durch Überweisung zum entsprechenden Facharzt vergewissern, dass keine Seh- oder Hörprobleme vorliegen. Die neurologische Untersuchung kann neurologische Entwicklungsverzögerungen und kleine neurologische Krankheiten identifizieren und andere Krankheiten ausschließen (Anfälle).

Behandlung von Legasthenie

  • Pädagogische Interventionen

Die Behandlung von Legasthenie verbindet direkte und indirekte Methoden der Worterkennung und der Erkennung von Wortkomponenten.

Die direkte Methode behandelt die phonemische Komponente des Sprachverständnisses unabhängig von anderen Methoden der Leseunterstützung. Die indirekte Methode schließt die Phoneme in den Leseprozess mit ein. Das Lesenlernen geht vom ganzen Wort und von der Sprache aus oder folgt einer Hierarchie des Könnens von Lautverbindung zum Wort, vom Wort zum Satz. Multisensorische Ansätze, die das Erlernen ganzer Wörter und die Integration visueller, akustischer und taktiler Verfahren für das Erlernen von Lauten, Wörtern und Sätzen beinhalten, werden dann empfohlen.

Lehrmethoden zur Förderung von Teilkomponenten leiten die Kinder an, Laute zu vermischen, um Wörter zu bilden, Wörter in Segmente zu unterteilen und innerhalb eines Wortes Laute zu identifizieren. Durch diese Art des Lernens soll den Kindern ermöglicht werden, die Kernaussage zu erfassen, Fragen zu beantworten, Fakten und Details herauszuarbeiten und das Lesen zu erleichtern. Mit Hilfe von Computern können viele Kinder Wörter innerhalb eines Textes finden, Wörter buchstabieren und Texte verfassen.

Kompensatorische Strategien wie die Verwendung von Hörbüchern und Computern können Kindern in späteren Grundschulklassen helfen, die Lerninhalte zu bewältigen, während sie weiterhin ihre Lesefährigkeiten ausbauen.

Andere Behandlungen (optometrisches Training, Wahrnehmungstraining, Training zur Integration von Gehörtem) und die medikamentöse Therapie sind nicht gesichert und werden nicht empfohlen.

Wichtige Punkte

  • Legasthenie beinhaltet Schwierigkeiten beim Lesen, Produzieren und Verstehen der geschriebenen Sprache; es kann auch Probleme mit dem auditorischen Gedächtnis, der Sprachproduktion, der Namensgebung oder der Wortfindung und Wortprobleme geben.

  • Legasthenie resultiert wahrscheinlich aus angeborenen neurologischen Anomalien in der linken Hemisphäre des Gehirns, die für die Ton- und Sprachverarbeitung und die Verbindungen zwischen Ton und Sprache zuständig ist.

  • Betroffene Kinder können einen verzögerten Spracherwerb haben, aber manchmal ist der erste Indikator ist die Unfähigkeit, mit Erfolg den üblichen Lese- und Schreibunterricht in der Grundschule zu absolvieren.

  • Kognitive, psychische, auditive und visuelle Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden.

  • Es werden verschiedene pädagogische Maßnahmen eingesetzt, aber die Forschung spricht bei den meisten Kindern nicht für optometrisches Training, Wahrnehmungsschulung oder auditives Integrationstraining.

Weitere Informationen

Nachfolgend finden Sie einige englischsprachige Quellen, die nützlich sein können. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Individuals with Disabilities Education Act (IDEA): Ein US-Gesetz, das qualifizierten Kindern mit Behinderungen eine angemessene öffentliche Bildung kostenlos zur Verfügung stellt und eine spezielle Bildung und damit verbundene Dienstleistungen für diese Kinder gewährleistet

  2. International Dyslexia Association: Eine Organisation, die Hilfsmittel und Dienstleistungen für Fachleute, Interessenvertreter, Einzelpersonen und Familien anbietet, die von Legasthenie betroffen sind

  3. Learning Disabilities Association of America (LDA): Eine Organisation, die Bildungs-, Unterstützungs- und Beratungsangebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten bereitstellt