Zerebralparese (CP)

VonM. Cristina Victorio, MD, Akron Children's Hospital
Überprüft/überarbeitet März 2023
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Zerebralparese (CP) bezeichnet eine Gruppe von nicht progressiven Erkrankungen, die durch eine gestörte Willkürmotorik oder -haltung infolge einer pränatalen Entwicklungsfehlbildung oder perinatalen oder postnatalen Schäden des Zentralnervensystems gekennzeichnet sind. Zerebralparese manifestiert sich vor dem Alter von 2 Jahren. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Behandlung kann Krankengymnastik, Ergotherapie, Schienen, Medikamente oder Botulinustoxin, orthopädische Eingriffe, intrathekales Baclofen oder in manchen Fällen eine dorsale Rhizotomie beinhalten.

Zerebralparesen (CP) stellen eine Gruppe von Erkrankungen dar, die eine nichtprogressive Spastik, Ataxie oder unwillkürliche Bewegungen verursachen, die nicht für eine bestimmte Störung oder einen einzelnen Zustand spezifisch sind.

CP tritt bei 2 bis 3/1000 Lebendgeburten auf. Die höchste Prävalenz, 111,8/1000 Lebendgeburten, tritt bei Frühgeborenen < 28 Schwangerschaftswochen auf (1).

Hinweis

  1. 1. Wimalasundera N, Stevenson VL: Cerebral palsy. Pract Neurol 16(3):184–194, 2016. doi: 10.1136/practneurol-2015-001184

Ätiologie der Zerebralparese

Die Ätiologie der Zerebralparese ist multifaktoriell und eine spezifische Ursache ist manchmal schwer zu finden. Häufig tragen Frühgeburtlichkeit, Störungen in utero, neonatale Enzephalopathie und Kernikterus dazu bei. Perinatale Faktoren (wie perinatale Asphyxie, Schlafanfall, ZNS-Infektionen) verursachen 15–20% der Fälle.

Beispiele für Arten von Zerebralparese sind

  • Spastische Diplegie nach Frühgeburt

  • Spastische Tetraparese nach perinataler Asphyxie

  • Athetoid und dystone Formen nach perinataler Asphyxie oder Kernikterus

Auch ZNS-Traumata oder eine schwere Systemkrankheit (z. B. Schlaganfall, Meningitis, Sepsis, Dehydratation) in der frühen Kindheit (vor dem Alter von 2 Jahren) können ein Zerebralparese verursachen.

Symptome und Beschwerden der Zerebralparese

Bevor sich ein spezifischer Typ entwickelt, sind Symptome wie fehlende motorische Entwicklung und oft persistierende primitive Reflexformen, Hyperreflexie und ein veränderter Muskeltonus vorhanden.

Arten von Zerebralparese

Je nachdem, welche Teile des Zentralnervensystems fehlgebildet oder geschädigt sind, wird die Zerebralparese (CP) in eine der folgenden Kategorien eingeteilt (1, 2):

  • Die spastische Zerebralparese ist die häufigste Form und tritt in > 80% der Fälle auf (2). Spastik ist ein Zustand, bei dem Widerstand gegen eine passive Bewegung auftritt und der Widerstand mit der Schnelligkeit der Bewegung wächst. Sie ist auf eine Störung der supraspinalen Motorneuronen zurückzuführen und kann die motorische Funktion leicht oder schwer beeinträchtigen. Spastische Zerebralparese (CP) kann Hemiplegie, Tetraplegie, Diplegie oder Paraplegie verursachen. Gewöhnlich sind die tiefen Sehnenreflexe in den betroffenen Gliedmaßen gesteigert, die Muskeln hypertonisch und die willkürlichen Bewegungen schwach und schlecht koordiniert. Gelenkkontrakturen entwickeln sich und die Gelenke sind schlecht positioniert. Typisch ist ein Scheren- oder Zehengang. Bei milden Formen kann die Beeinträchtigung nur während gewisser Aktivitäten (z. B. beim Rennen) vorkommen. Eine kortikobulbäre Beeinträchtigung der oralen, lingualen und palatinalen Bewegungen mit einer konsequenten Dysarthrie kommt bei der Tetraplegie häufig vor.

  • Die athetoide Zerebralparese oder dyskinetische Zerebralparese ist der zweithäufigste Typ. Sie tritt in etwa 15% der Fälle auf und resultiert aus einer Beteiligung der Basalganglien. Die athetoide oder dyskinetische Zerebralparese (CP) ist definiert durch langsame, sich windende, unwillkürliche Bewegungen der proximalen Extremitäten und des Rumpfes (athetoide Bewegungen), die oft durch Versuche einer willkürlichen Bewegung oder durch Erregung ausgelöst werden. Abrupte, zuckende, ruckartige, distale (choreatische) Bewegungen können ebenfalls auftreten. Die Bewegungen werden bei emotionaler Anspannung stärker und verschwinden im Schlaf. Eine Dysarthrie kommt oft vor und kann sehr schwer ausgeprägt sein.

  • Eine ataxische Zerebralparese ist selten und entsteht durch eine Beteiligung des Kleinhirns oder seiner Bahnen. Schwäche, Koordinationsstörungen und Intentionstremor bewirken einen unsicheren Stand, breitbeinigen schwankenden Gang und Schwierigkeiten bei schnellen und präzisen Bewegungen.

  • Eine gemischte Zerebralparese (CP) ist häufig – meist mit Spastik und Athetose.

Ein Tool mit der Bezeichnung Gross Motor Function Classification System–Expanded and Revised (GMFCS–E&R) kann verwendet werden, um die grobmotorische Funktion von Kindern mit Zerebralparese zu beschreiben. Das System teilt die grobmotorischen Funktionen in 5 verschiedene Gruppen ein. Es liefert eine Beschreibung der aktuellen motorischen Funktion, die hilft, den aktuellen und zukünftigen Bedarf an Mobilitätshilfen zu ermitteln.

Befunde, die mit Zerebralparese assoziiert werden

Über 25% der Patienten, meist solche mit Spastik, haben andere Erscheinungsformen. Strabismus oder andere visuelle Störungen können vorkommen. Kinder mit einer Athetose infolge eines Kernikterus haben oft eine Nerventaubheit und eine Blickparese nach oben.

Viele Kinder mit einer spastischen Hemiplegie oder Paraplegie haben eine normale Intelligenz; Kinder mit einer spastischen Tetraplegie oder einer gemischten Zerebralparese (CP) haben meist eine schwere geistige Behinderung.

Literatur zu Symptomen und Beschwerden

  1. 1. Wimalasundera N, Stevenson VL: Cerebral palsy. Pract Neurol 16(3):184–194, 2016. doi: 10.1136/practneurol-2015-001184

  2. 2. Monbaliu E, Himmelmann K, Lin JP, et al: Clinical presentation and management of dyskinetic cerebral palsy. Lancet Neurol 16(9):741–749, 2017. doi: 10.1016/S1474-4422(17)30252-1

Diagnose der Zerebralparese (CP)

  • MRT des Gehirns

  • Manchmal Tests zum Ausschlus erblicher metabolischer oder neurologischer Störungen

Wenn Zerebralparese vermutet wird, ist es wichtig, die zugrunde liegenden Krankheit zu identifizieren. Die Anamnese deutet eventuell auf eine Ursache hin. Ein MRT des Gehirns kann in den meisten Fällen Anomalien aufdecken.

Nur selten können Zerebralparesen (CP) in der frühen Kindheit bestätigt werden, und der spezifische Typ kann meist nicht vor dem 2. Lebensjahr definiert werden. Hochrisikokinder (z. B. mit Asphyxie, Schlaganfall, periventrikulären Anomalien im kranialen Ultraschall bei Frühgeborenen, Gelbsucht, Meningitis, neonatalen Krampfanfällen, Hypertonie, Hypotonie oder Reflexsuppression) sollten engmaschig kontrolliert werden.

Differenzialdiagnosen

Eine Zerebralparese sollte von einer progressiven hereditären neurologischen Störung und Störungen, die eine chirurgische oder andere spezifisch neurologische Behandlung benötigen, unterschieden werden.

Ataktische Zerebralparese (CP) ist besonders schwer zu unterscheiden. Bei vielen Kindern mit einer persistenten Ataxie wird letztlich eine progressive zerebelläre degenerative Krankheit als Ursache identifiziert.

Athetose, Selbstverstümmelung und Hyperurikämie bei Jungen deuten auf ein Lesch-Nyhan-Syndrom hin.

Kutane Zeichen oder Störungen der Augen lassen auf eine tuberösen Sklerosekomplex, Neurofibromatose, Ataxia teleangiectatica, von-Hippel-Lindau-Syndrom oder Sturge-Weber-Syndrom schließen.

Einer infantilen spinalen Muskelatrophie, Muskeldystrophien und neuromuskulären Verbindungsstörungen, die mit einer Hypotonie und Hyporeflexie assoziiert sind, fehlen normalerweise die Zeichen einer zerebralen Krankheit.

Eine Adrenoleukodystrophie beginnt später in der Kindheit, aber auch andere Leukodystrophien beginnen früher und können zunächst mit einer Zerebralparese verwechselt werden.

Abklärung einer Ursache

Wenn die Anamnese und/oder eine MRT des Schädels keine klare Ursache identifizieren, sollten Labortests durchgeführt werden, um bestimmte progressive Speicherkrankheiten, die das motorische System betreffen (z. B. Tay-Sachs-Syndrom, metachromatische Leukodystrophie, Mukopolysaccharidosen) und metabolische Störungen (z. B. organische oder Aminosäuremetabolismusstörungen), ausschließen.

Andere progressive Störungen wie die infantile neuroaxonale Dystrophie können aufgrund von Untersuchungen der Nervenleitgeschwindigkeit und Elektromyographie im Verdacht stehen. Diese und viele andere Hirnstörungen, die Zerebralparese (und andere Manifestationen) verursachen, werden zunehmend durch Gentests identifiziert (z. B. Microarray-Analyse, Gen-Panel für CP-Spektrum-Störungen, Ganz-Exom-Sequenzanalyse), die zur Überprüfung auf eine bestimmte Störung oder zum Screening auf viele Störungen durchgeführt werden können.

Behandlung der Zerebralparese (CP)

  • Physio- und Ergotherapie

  • Stützbehandlung, Einschränkungstherapie, medikamentöse Therapie oder operative Verfahren zur Behandlung der Spastik

  • Injektionen mit Botulinumtoxin

  • Intrathekales Baclofen

  • Hilfsgeräte

Krankengymnastik und Ergotherapie werden zunächst zum Dehnen, Stärken und Erleichtern von Bewegungsmustern eingesetzt und später fortgesetzt. Stützbehandlung, Einschränkungstherapie und Medikamente können hinzugefügt werden.

Botulinustoxin kann in die Muskeln injiziert werden, um eine ungleiche Belastung an den Gelenken zu vermeiden und fixierte Kontrakturen zu verhindern.

Baclofen, Benzodiazepin (z. B. Diazepam), Tizanid und manchmal Dantrolen können die Spastik vermindern. Die intrathekale Gabe von Baclofen (mit einer subkutanen Pumpe und Katheter) ist die wirksamste Therapie für eine schwere Spastik.

Orthopädische Eingriffe (z. B. Muskelsehnenentspannung oder -transfer) können helfen, beschränkte Gelenkbewegungen und Gelenkfehlstellungen zu vermindern. Eine selektive dorsale Rhizotomie, durchgeführt in der Neurochirurgie, kann einigen wenigen Kindern helfen, wenn die Spastik nur die Beine betrifft und die kognitiven Fähigkeiten gut sind.

Wenn die intellektuellen Einschränkungen nicht schwerwiegend sind, können die Kinder den regulären Schulunterricht besuchen und an angepassten Trainingsprogrammen und sogar Wettbewerben teilnehmen. Sprachtherapie und andere Formen der Kommunikationserleichterung können nötig sein, um Interaktionen zu verbessern.

Einige schwer betroffene Kinder können von der Einübung einfacher Alltagsverrichtungen, die die Unabhängigkeit fördern, profitieren (z. B. Waschen, Anziehen, Essen). Dies fördert ihre Unabhängigkeit und Selbstachtung und vermindert die Last für die Familie und Pflegepersonen. Hilfsgeräte können die Mobilität und die Kommunikation verbessern, sie können bei der Erhaltung der Beweglichkeit helfen und die täglichen Verrichtungen des Alltags erleichtern. Manche Kinder benötigen – in unterschiedlichem Umfang – eine lebenslange Überwachung und Hilfe.

Viele Einrichtungen für Kinder richten Übergangsprogramme für Patienten ein, wenn sie erwachsen werden und weniger Unterstützung haben, die ihnen mit ihren besonderen Bedürfnissen helfen.

Bei allen chronisch behinderten Kindern benötigen die Eltern dauernde Hilfe und Beratung, um den Zustand und die Möglichkeiten ihres Kindes zu verstehen und um mit ihren eigenen Gefühlen von Schuld, Wut, Leugnen und Trauer umgehen zu können (siehe Auswirkungen auf die Familie). Diese Kinder erreichen ihr maximales Potenzial nur mit einer stabilen, konsequenten elterlichen Betreuung und der Unterstützung durch öffentliche und private Einrichtungen (z.B. Gemeindehelfer, Organisationen für berufliche Rehabilitation, Laienorganisationen wie United Cerebral Palsy).

Prognose bei Zerebralparese

Die meisten Kinder überleben bis in das Erwachsenenalter. Kinder mit schweren Einschränkungen beim Saugen und Schlucken, die eine Ernährung über eine Gastrostomie nötig machen, haben eine niedrigere Lebenserwartung.

Das Ziel ist es, dass die Kinder eine größtmögliche Eigenständigkeit innerhalb der Grenzen ihrer motorischen Fähigkeiten und den damit verbundenden Defiziten erreichen. Mit einem entsprechenden organisatorischen Aufwand können viele Kinder, vor allem jene mit spastischer Diplegie oder Hemiplegie, ein fast normales Leben führen.

Wichtige Punkte

  • Zerebralparese (CP) gehört zu einer Gruppe von Erkrankungen (nicht zu einer spezifischen Störung), die mit nicht progredienter Spastik, Ataxie und/oder unwillkürlichen Bewegungen einhergehen.

  • Die Ätiologie ist oft multifaktoriell und manchmal unklar, umfasst aber prä- und perinatale Faktoren, die mit Fehlbildung oder Schäden des Zentralnervensystems (z. B. genetische Erkrankungen und solche im Mutterleib, Frühgeburt, Kernikterus, perinatale Asphyxie, Schlaganfall, ZNS-Infektionen) assoziiert sind.

  • Geistige Behinderung und andere neurologische Manifestationen (z. B. Strabismus, Taubheit) sind nicht Teil der Zerebralparese (CP), können aber je nach Ursache vorhanden sein.

  • Die Symptome manifestieren sich vor dem Alter von 2 Jahren; ein späterer Beginn ähnlicher Symptome deutet auf eine andere neurologische Störung hin.

  • Eine kraniale MRT des Schädels wird durchgeführt und, falls notwendig, Tests auf erbliche metabolische und neurologische Störungen.

  • Die Behandlung hängt von der Art und dem Grad der Behinderung ab, aber Physiotherapie und Ergotherapie werden in der Regel verwendet; einige Kinder profitieren von Verstrebungen, Botulinum-Toxin, Benzodiazepinen, anderen Muskelrelaxantien, intrathekalem Baclofen und/oder einer Operation (z. B. Muskel-Sehnenfreseitzung oder -transfer, selten dorsale Rhizotomie).

Weitere Informationen

Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. CanChild: Gross Motor Function Classification System–Expanded and Revised (GMFCS–E&R) (Klassifizierungssystem fürgrobmotorische Funktionen - erweitert und überarbeitet [GMFCS-E&R]): Ein Tool zur Beschreibung der grobmotorischen Funktionen von Kindern mit Zerebralparese (in vielen Sprachen verfügbar)

  2. United Cerebral Palsy: Informationen über Therapien, Frühförderprogramme und Unterstützungsdienste für Menschen mit zerebraler Kinderlähmung und anderen Behinderungen