Resorption des Arzneimittels

VonJennifer Le, PharmD, MAS, BCPS-ID, FIDSA, FCCP, FCSHP, Skaggs School of Pharmacy and Pharmaceutical Sciences, University of California San Diego
Überprüft/überarbeitet Juni 2022
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Die Resorption von Arzneimitteln wird durch die physikochemischen Eigenschaften des Arzneimittels, die Formulierung und die Art der Anwendung bestimmt. Darreichungsformen (z. B. Tablette, Kapsel, Lösung), die sich aus der Wirksubstanz und weiteren Bestandteilen zusammensetzen, werden jeweils für bestimmte Arten der Anwendung (z. B. oral, bukkal, sublingual, rektal, parenteral, topisch, zur Inhalation) formuliert. Unabhängig von der Darreichungsform müssen Arzneimittel gelöst sein, um resorbiert werden zu können. Daher müssen feste Formulierungen (z. B. Tabletten) zerfallen und sich auflösen können.

Sofern nicht IV gegeben, muss ein Arzneimittel mehrere semipermeable Zellmembranen überwinden, bevor es den großen Kreislauf erreicht. Zellmembranen sind biologische Barrieren, die selektiv den Durchtritt von Arzneimittelmolekülen hemmen. Die Membranen bestehen primär aus einer bimolekularen Lipidmatrix, die die Permeabilitätseigenschaften der Membran bestimmt. Medikamente können Zellmembranen durchkreuzen durch

  • Passive Diffusion

  • Erleichterte passive Diffusion

  • Aktiver Transport

  • Pinozytose

Manchmal fungieren verschiedene globuläre Proteine, die in die Matrix eingebettet sind, als Rezeptoren und helfen, Moleküle durch die Membran zu transportieren.

(Siehe auch Übersicht Pharmakokinetik.)

Passive Diffusion

Arzneimittel diffundieren durch eine Zellmembran von einer Region höherer Konzentration (z. B. gastrointestinale Flüssigkeiten) zu einer solchen mit niedrigerer Konzentration (z. B. Blut). Die Diffusionsrate ist direkt proportional zum Gradienten, hängt aber auch von der Fettlöslichkeit des Moleküls, der Molekülgröße, dem Ionisationsgrad sowie der Größe der resorbierenden Oberfläche ab. Da die Zellmembran lipoid ist, diffundieren fettlösliche Arzneimittel am schnellsten. Kleine Moleküle neigen dazu, schneller durch Membranen zu dringen als größere.

Die meisten Arzneimittel sind schwache organische Säuren oder Basen, die in wässrigem Milieu in nichtionisierter oder ionisierter Form vorliegen. Die nichtionisierte Form ist gewöhnlich fettlöslich (lipophil) und diffundiert leicht durch Zellmembranen. Die ionisierte Form hat eine geringe Fettlöslichkeit (hingegen eine hohe Wasserlöslichkeit – ist z. B. hydrophil) und einen hohen elektrischen Widerstand und kann daher nur schwer durch Zellmembranen dringen.

Der Anteil der vorliegenden nichtionisierten Form (und somit die Fähigkeit des Arzneimittels, durch eine Zellmembran zu gelangen) wird durch den Umgebungs-pH-Wert und den pKa-Wert (pKs-Wert, Säuredissoziationskonstante) des Arzneimittels bestimmt. Der pKa ist derjenige pH-Wert, bei dem die Konzentrationen der ionisierten und nichtionisierten Formen gleich sind. Wenn der pH-Wert geringer ist als der pKa, überwiegt die nichtionisierte Form einer schwachen Säure, hingegen die ionisierte Form einer schwachen Base. Im Magensaft (pH 1,4) ist das Verhältnis umgekehrt (1000:1). Daher liegt im Plasma (pH 7,4) für eine schwache Säure (z. B. mit einem pKa von 4,4) ein Verhältnis von nichtionisierter zu ionisierter Form von 1:1000 vor. Bei oraler Gabe einer schwachen Säure liegt daher der Großteil des Arzneimittels im Magen in nichtionisierter Form vor, was die Diffusion durch die Magenschleimhaut begünstigt. Der Großteil des Arzneimittels liegt im Magen ionisiert vor. Für eine schwache Base mit einem pKa von 4,4 ist das Ergebnis umgekehrt.

Theoretisch werden schwach saure Arzneimittel (z. B. Acetylsalicylsäure) in einem sauren Milieu (z. B. dem Magen) leichter resorbiert als schwach basische Arzneimittel (z. B. Chinidin). Der Großteil der Resorption erfolgt jedoch im Dünndarm, egal, ob das Arzneimittel sauer oder basisch ist, da im Dünndarm die Oberfläche größer ist und die Membranen eine höhere Permeabilität aufweisen (siehe Oral Applikation).

Erleichterte passive Diffusion

Bestimmte Moleküle mit geringer Fettlöslichkeit (z. B. Glukose) durchdringen Membranen schneller als erwartet. Eine Theorie hierzu ist die erleichterte passive Diffusion: Ein Transportmolekül (Carrier) in der Membran bindet das Substratmolekül reversibel außerhalb der Zellmembran, diffundiert als Carrier-Substrat-Komplex schnell durch die Membran und setzt das Substrat an der inneren Oberfläche frei. In diesen Fällen transportiert die Membran nur Substrate mit einer relativ spezifischen molekularen Konfiguration, und die Verfügbarkeit der Transport-Moleküle begrenzt den Prozess. Dieser Prozess erfordert keine Energie, und ein Transport gegen das Konzentrationsgefälle ist nicht möglich.

Aktiver Transport

Der aktive Transport ist selektiv, benötigt Energie und kann einen Transport gegen das Konzentrationsgefälle einschließen. Der aktive Transport scheint auf Arzneimittel beschränkt zu sein, die endogenen Substanzen strukturell ähnlich sind (z. B. Ionen, Vitamine, Zucker, Aminosäuren). Diese Arzneimittel werden gewöhnlich an spezifischen Orten im Dünndarm resorbiert.

Pinozytose

Bei der Pinozytose werden Flüssigkeiten oder Partikel von der Zelle „verschlungen“. Die Zellmembran stülpt sich ein, umschließt die Flüssigkeit oder das Partikel, verschmilzt dann wieder und bildet dabei ein Bläschen, das sich später ablöst und in das Zellinnere wandert. Hierfür muss Energie aufgewendet werden. Mit Ausnahme von Protein-Arzneimitteln spielt Pinozytose wahrscheinlich eine geringe Rolle beim Transport von Arzneimitteln.

Oral Applikation

Um resorbiert zu werden, muss ein oral gegebenes Arzneimittel den Kontakt mit einem niedrigen pH-Wert und zahlreichen gastrointestinalen Sekreten einschließlich potenziell abbauender Enzyme überstehen. Peptid-Arzneimittel (z. B. Insulin) sind gegenüber einem Abbau besonders anfällig und werden nicht oral angewendet. Die Resorption oraler Arzneimittel schließt den Transport durch Membranen der Epithelzellen im Gastrointestinaltrakt ein. Die Resorption wird beeinflusst durch

  • Unterschiede hinsichtlich des pH-Werts entlang dem Gastrointestinallumen

  • Größe der Oberfläche pro Gastrointestinalvolumen

  • Durchblutung

  • Anwesenheit von Galle und Schleim

  • Die Art der epithelialen Membranen

Allerdings ist der Kontakt mit der Schleimhaut in der Regel zu kurz für eine wesentliche Resorption. Die Mundschleimhaut hat ein dünnes Epithel und ist reich an Gefäßen, was die Resorption begünstigt. Ein Arzneimittel, das zwischen Zahnfleisch und Backen geschoben (bukkale Verabreichung) oder unter die Zunge gegeben wird (sublinguale Verabreichung), verweilt länger, was die Resorption erhöht.

Der Magen ist in der Regel das erste Organ, in dem ein intensiver Kontakt zwischen einem oral verabreichten Medikament und den Flüssigkeiten des Magen-Darm-Traktes stattfindet (Übersicht siehe [1]). Obwohl der Magen eine relativ große Epitheloberfläche besitzt, begrenzen seine dicke Schleimschicht und die kurze Verweildauer die Medikamentenresorption. Diese Eigenschaften des Magens können die Zusammensetzung und das Verhalten von Arzneimitteln beeinflussen. Da die Resorption überwiegend im Dünndarm erfolgt, ist die Magenentleerung häufig der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Nahrungsaufnahme, insbesondere fettreiches Essen, verzögert die Magenentleerung (und die Resorptionsrate von Arzneimitteln), was erklärt, warum die Einnahme mancher Arzneimittel auf nüchternen Magen die Resorption beschleunigt. Arzneimittel, die die Magenentleerung beeinflussen (z. B. Parasympatholytika), beeinflussen zugleich die Resorptionsrate anderer Arzneimittel. Nahrungsaufnahme kann bei schlecht löslichen Arzneimitteln das Ausmaß der Resorption steigern (z. B. Griseofulvin), diese für Arzneimittel, die im Magen abgebaut werden, verringern (z. B. Penicillin G) oder aber nur geringe oder keine Auswirkungen haben.

Der Dünndarm hat die größte Oberfläche zur Resorption von Arzneimitteln im Gastrointestinaltrakt, und seine Membranen haben eine höhere Permeabilität als die im Magen. Aus diesen Gründen werden die meisten Arzneimittel primär im Dünndarm resorbiert, und Säuren werden im Darm schneller resorbiert als im Magen, obwohl sie als nichtionisierte Arzneimittel leichter durch Membranen gelangen können (Ubersicht siehe [1]. Der pH-Wert im Darmlumen liegt zwischen 4 und 5 im Duodenum, wird aber zunehmend alkalischer und erreicht im unteren Ileum ungefähr 8. Die gastrointestinale Mikroflora kann die Resorption vermindern. Eine verminderte Durchblutung (z. B. bei Schock) kann das Konzentrationsgefälle entlang der intestinalen Mukosa herabsetzen und die Resorption durch passive Diffusion reduzieren.

Die Zeitdauer der Darmpassage kann die Resorption von Arzneimitteln ebenfalls beeinflussen, insbesondere für solche Arzneimittel, die über aktiven Transport aufgenommen werden (z. B. B-Vitamine), die sich nur langsam lösen (z. B. Griseofulvin) und die polar sind (d. h. mit geringer Fettlöslichkeit, z. B. zahlreiche Antibiotika).

Um die dauerhafte Einnahme möglichst zu gewährleisten, sollten Ärzte orale Suspensionen und Kautabletten für Kinder unter 8 Jahren verschreiben. Bei Jugendlichen und Erwachsenen werden die meisten Arzneimittel oral als Tabletten oder Kapseln verabreicht, primär aus Gründen der Bequemlichkeit, Ökonomie, Stabilität und Akzeptanz durch den Patienten. Da sich feste Arzneimittelformulierungen zunächst lösen müssen, damit eine Resorption erfolgen kann, bestimmt die Lösungsrate die Verfügbarkeit des Arzneimittels für die Resorption. Ist die Auflösung langsamer als die Resorption, wird der Lösungsvorgang zum geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Eine Abwandlung der Formulierung (z. B. der Arzneimittelform als Salz, Kristall oder Hydrat) kann die Lösungsrate verändern und somit die gesamte Resorption kontrollieren.

Allgemeiner Hinweis

  1. 1. Vertzoni M, Augustijns P, Grimm M, et al: Impact of regional differences along the gastrointestinal tract of healthy adults on oral drug absorption: An UNGAP review. Eur J Pharm Sci 134:153-175, 2019. doi:10.1016/j.ejps.2019.04.013

Parenterale Applikation

Arzneimittel, die IV verabreicht werden, gelangen direkt in den großen Kreislauf. Arzneimittel, die intramuskulär oder subkutan injiziert werden, müssen jedoch eine oder mehrere biologische Membranen überwinden, um in den großen Kreislauf zu gelangen. Werden Proteine mit einem Molekulargewicht > 20.000 g/mol i.m. oder subkutan injiziert, gelangen diese so langsam durch die Kapillarmembranen, dass die Resorption größtenteils durch das Lymphsystem erfolgt. In solchen Fällen gelangt das Arzneimittel langsam und, aufgrund des First-Pass-Metabolismus (Metabolismus eines Arzneimittels vor Erreichen des großen Kreislaufs) durch proteolytische Enzyme in den Lymphgefäßen, oftmals unvollständig in den großen Kreislauf.

Die Durchblutung (Blutfluss/g Gewebe) beeinflusst sehr stark die kapilläre Resorption kleiner Moleküle, die i.m. oder subkutan injiziert werden. Daher kann die Injektionsstelle die Resorptionsrate beeinflussen. Bei Salzen von schlecht löslichen Basen und Säuren (z. B. parenterale Formen von Phenytoin) und bei Patienten mit schlechter peripherer Durchblutung (z. B. bei Hypotonie oder Schock) kann die Resorption nach i.m. oder subkutan Injektionen verzögert oder ungleichmäßig sein.

Formulierungen zur kontrollierten Freisetzung

Formulierungen zur kontrollierten Freisetzung werden entwickelt, um die Häufigkeit der Anwendung für Arzneimittel mit einer kurzen Eliminations-Halbwertszeit und Wirkungsdauer zu reduzieren. Diese Formulierungen begrenzen auch Schwankungen in der Plasmakonzentration des Arzneimittels und führen so zu einem einheitlicheren therapeutischen Effekt, während die unerwünschten Wirkungen minimiert werden. Die Resorptionsrate kann verlangsamt werden, indem Arzneimittelpartikel mit Wachs oder anderen wasserunlöslichen Materialien überzogen werden, indem sie in eine Matrix eingebettet werden, die das Arzneimittel während der Passage durch den Gastrointestinaltrakt freigibt, oder indem sie mit Ionenaustauscherharz komplexiert werden. Bei diesen Formulierungen erfolgt der Großteil der Resorption im Dickdarm. Ein Zerkleinern oder eine anderweitige Zerstörung einer kontrolliert freisetzenden Tablette oder Kapsel kann oftmals gefährlich sein.

Transdermale Systeme zur kontrollierten Freisetzung werden entwickelt, um Arzneimittel über verlängerte Zeiträume hinweg freizusetzen, manchmal über mehrere Tage hinweg. Für eine transdermale Gabe müssen Arzneimittel geeignete Charakteristika hinsichtlich der Hautpenetrationseigenschaften sowie eine hohe Potenz haben, da die Penetrationsrate und die Applikationsfläche begrenzt sind.

Viele nicht intravenöse parenterale Formulierungen werden entwickelt, um die Plasmakonzentration des Arzneimittels aufrecht zu erhalten. Die Resorption von Antibiotika kann verlängert werden, wenn sie in Form ihres relativ unlöslichen Salzes i.m. injiziert werden (z. B. Penicillin G, Benzathin). Für andere Arzneimittel werden Suspensionen oder Lösungen in nichtwässrigen Vehikeln entwickelt, um die Resorption zu verzögern (z. B. kristalline Suspensionen für Insulin).