Sportlerherz

VonRobert S. McKelvie, MD, PhD, Western University
Überprüft/überarbeitet Sep. 2022
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Das Sportlerherz ist eine Konstellation von strukturellen und funktionellen Veränderungen, die am Herzen von Menschen auftreten, die über längere Zeit (z. B. 1 Stunde an den meisten Tagen) und/oder häufig mit hoher Intensität trainieren. Die Veränderungen sind asymptomatisch; klinisch zeigen sich Bradykardie, systolische Herzgeräusche und zusätzliche Herztöne. Anomalien im Elektrokardiogramm (EKG) sind häufig. Die Diagnose wird klinisch oder durch die Echokardiographie gestellt. Eine Behandlung ist nicht erforderlich. Das Sportlerherz ist deshalb von Bedeutung, weil es von den schwerwiegenden Herzerkrankungen abgegrenzt werden muss.

Intensives Ausdauer- und Krafttraining führen zu veschiedenen physiologischen Anpassungsmechanismen. Die vermehrte Druck- und Volumenbelastung im linken Ventrikel (LV) führt mit der Zeit zu einer Zunahme der linksventrikulären Herzmuskelmasse, der Wanddicke und Kammergröße. Maximales Schlagvolumen und Herzauswurfleistung nehmen zu, und führen zu einer niedrigeren Ruheherzfrequenz und einer verlängerten diastolischen Füllungsdauer. Die niedrigere Herzfrequenz resultiert in erster Linie aus einem gesteigerten Vagotonus, aber eine verminderte sympathische Aktiviierung und nicht-autonome, die intrinsischen Aktivität reduzierende Faktoren spielen möglicherweise auch eine Rolle. Die Bradykardie führt zu einer geringerem mykoardialem Sauerstoffbedarf; gleichzeitig führt eine Zunahme des Gesamthämoglobins und des Blutvolumens zu einem gesteigerten Sauerstofftransport. Trotz dieser Veränderungen bleiben die systolische und die diastolische Funktion normal. Strukturveränderungen sind bei Frauen typischerweise geringer als bei Männern gleichen/r Alters, Körpergröße und Trainingslevels (1, 2).

Die Prävalenz von Koronarkalkwerten (CAC), die 100 Agatston-Einheiten oder mehr betragen, scheint bei Personen mit hoher körperlicher Aktivität (gleich oder mehr als 3000 MET [metabolisches Äquivalent der Aufgabe] Minuten/Woche) höher zu sein als bei Personen mit geringerer körperlicher Aktivität. Dies führt jedoch nicht zu einem höheren Risiko für die Gesamtmortalität oder die kardiovaskuläre Mortalität. Die Daten belegen, dass selbst bei Vorhandensein von CAC das Risiko der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität bei einem hohen Maß an körperlicher Aktivität geringer ist als bei einem niedrigen Maß an körperlicher Aktivität (3).

Allgemeine Literatur

  1. 1. Brosnan MJ, Rakit D: Differentiating athlete's heart from cardiomyopathies − The left side. Heart Lung Circ 27(9):1052-1062, 2018. doi: 10.1016/j.hlc.2018.04.297

  2. 2. Martinez MW, Kim JH, Shah AB, et al: Exercise-induced cardiovascular adaptations and approach to exercise and cardiovascular disease. JACC State-Of-The-Art Review. J Am Coll Cardiol 78 (14): 1454–1470, 2021. doi: 10.1016/j.jacc.2021.08.003

  3. 3. DeFina LF, Radford NB, Barlow CE, et al: Association of all-cause and cardiovascular mortality with high levels of physical activity and concurrent coronary artery calcification. JAMA Cardiol. 4(2):174–181, 2019. doi:10.1001/jamacardio.2018.4628

Symptome und Anzeichen von Sportlerherz

Bei einem Sportlerherz bestehen keine Symptome. Die Beschwerden variieren, können aber folgende Punkte umfassen:

  • Bradykardie

  • Ein LV-Impuls, der seitlich verschoben, vergrößert und in der Amplitude erhöht ist

  • Ein systolisches Ejektionsgeräusch (Strömungsgeräusch) am linken unteren Sternumrand

  • Ein 3. Herzton (S3) aufgrund einer frühen, schnellen diastolischen ventrikulären Füllung

  • Ein 4. Herzton (S4), der am besten bei Bradykardie im Ruhezustand zu hören ist, da die diastolische Füllungszeit verlängert ist

  • Hyperdynamische Karotispulse

Diese klinischen Zeichen sind Folge der adaptiven Struktuurveränderungen des Herzens bei intensivem sportlichem Training.

Diagnose des Sportlerherzens

  • Klinische Beurteilung

  • Gewöhnlich EKG

  • Manchmal Echokardiographie

  • Selten, kardiale Magnetresonanztomographie

  • Selten Belastungstests

Die Befunde werden typischerweise im Rahmen einer routinemäßigen Screening oder bei diagnostischen Evaluation von unspezifischen Symptomen erhoben. Bei den meisten Sportlern ist keine ausführliche Diagnostik erforderlich, obwohl ein EKG häufig sinnvoll ist. Weisen die Symptome auf eine Herzerkrankung hin (z. B. Herzrasen, Brustschmerz), sollten EKG- und Echokardiographie und Belastungstests durchgeführt werden.

Die Diagnose Sportlerherz ist eine Ausschlussdiagnose: sie muss von anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen, unterschieden werden (z. B. hypertrophe Kardiomyopathie, dilatative Kardiomyopathie, ischämische Herzkrankheit, arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie [1]). Die kardiale Magnetresonanztomographie (CMR) kann hilfreich sein, wenn die Befunde anderer diagnostischer Verfahren nicht schlüssig sind.

EKG

Verschiedene Veränderungen in Rhythmus und Morphologie können im EKG auftreten; diese korrelieren schlecht mit dem Trainingszustand und der kardiovaskulären Leistungsfähigkeit. Der häufigste EKG-Befund ist

  • Sinusbradykardie

Selten ist die Herzfrequenz < 40 Schläge/min. Eine Sinusarrhythmie begleitet ähufig die langsamen Herzfrequenz. Eine Ruhe-Bradykardie kann prädisponieren für

  • Atriale oder ventrikulärer Ektopie (einschließlich Couplets und nicht-anhaltender ventrikulärer Tachykardien); Pausen nach ektopen Schlägen überschreiten 4 Sekunden nicht

  • Wechslener supraventrikulärer Rhythmus

Andere mögliche EKG-Befunde umfassen

  • AV-Block ersten Grades (bei bis zu einem Drittel aller Sportler)

  • AV-Block zweiten Grades (vor allem Typ I); dieser Befund tritt in Ruhe und verschwindet während des Trainings

  • hohe QRS-Amplitude mit inferolateralen T-Wellen-Veränderungen (Hinweis für LV Hypertrophie)

  • tiefe anterolaterale T-Wellen-Inversion

  • inkompletter Rechtsschenkelblock

Ein AV-Block III. Grades ist jedoch pathologisch und sollte gründlich evaluiert werden.

Diese EKG- und Rhythmus-Veränderungen wurden bisher nicht mit ungünstigen klinischen Ereignissen in Verbindung gebracht, was darauf hindeutet, dass verschiedene Arrhythmien bei Sportlern nicht pathologisch sind. Herzrhythmusstörungen verschwinden gewöhnlich spontan oder sind nach ener relativ kurzen Zeit der Dekonditionierung erheblich reduziert.

Echokardiographie

Durch die Echokardiographie kann in der Regel ein Sportlerherz von Kardiomyopathien (siehe Tabelle Unterscheidungsmerkmale zwischen Sportlerherz und Kardiomyopathie) unterscheiden werden. Jedoch ist der Unterscheidung aufgrund des Kontinuum von der physiologischen zur pathologischen Herzvergrößerung nicht immer eindeutig. Die Grauzone zwischen dem Sportlerherz und der Kardiomyopathie liegt für die linksventrikuläre Septumdicke:

  • Bei Männern 13–15 mm

  • Bei Frauen 11–13 mm

In diesem Überlappungsbereich weist das Auftreten eine systolische Bewegung der Mitralklappe nach anterior stark auf eine hypertrophe Kardiomyopathie hin. Auch können die diastolischen Indizes bei der Kardiomyopathie abweichend sein; sie sind jedoch beim Sportlerherz in der Regel normal. Im Allgemeinen korrelieren echokardiographische Veränderungen schlecht mit dem Trainingszustand und der kardiovaskulären Leistungsbreite. Häufig werden eine geringe Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz festgestellt. Zu beachten ist, dass eine Verringerung der körperlichen Betätigung zur Rückbildung der Herzvergrößerung bei Patienten mit Sportlerherz führt, nicht jedoch bei solchen mit einer Kardiomyopathie. Die Belastungsechokardiographie kann helfen, das Sportlerherz von einer dilatativen Kardiomyopathie zu unterscheiden. In einer Studie sagte eine Veränderung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) 11% und eine Spitzen-LVEF 63% unter Belastung eine dilatative Kardiomyopathie mit einer Sensitivität von 85,7% und einer Spezifität von 92% voraus (2).

Kardiale Magnetresonanztomographie (CMR)

Obwohl die Bestätigung in großen Studien noch aussteht, deuten die bisherigen Daten darauf hin, dass die CMR auch helfen kann, das Sportlerherz von der Kardiomyopathie zu unterscheiden. Bei der hypertrophen Kardiomyopathie (3), kann die CMR eine fokale Hypertrophie identifizieren, die im Echokardiogramm nicht zu erkennen ist, insbesondere im Apex, in der vorderen freien Wand und im hinteren Septum. Die verzögerte Bildgebung nach Kontrastmittelinjektion kann bei einigen Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie ein typisches Muster der Mittelwandfibrose zeigen, insbesondere in linksventrikulären Wandsegmenten, die eine maximale Hypertrophie aufweisen. Dieser Befund fehlt jedoch bei bis zu 60% der Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie.

Ein verzögertes Enhancement in der CMR ist auch bei der nicht-ischämischen dilatativen Kardiomyopathie zu beobachten und kann helfen, die dilatative Kardiomyopathie vom Athletenherz zu unterscheiden. Bei 68% der Patienten mit genetisch nachgewiesener dilatativer Kardiomyopathie fehlt dieser Befund jedoch. T1- und T2-Mapping, Quantifizierung des extrazellulären Volumens, späte Gadoliniumanreicherung, Deformationsbildgebung und Diffusionstensorbildgebung sind vielversprechende Techniken zur Unterscheidung zwischen Sportlerherz und hypertropher Kardiomyopathie. Weitere Studien sind erforderlich, um die Fähigkeit dieser Techniken zur Erkennung der hypertrophen Kardiomyopathie bei Sportlern besser bestimmen zu können (4, 5). Obwohl die durch Belastungstests gemessene Belastungsfähigkeit nicht zwischen einem Sportlerherz und einer dilatativen Kardiomyopathie unterscheidet, kann eine reduzierte kardiale kontraktile Reserve bei Belastung, die in der CMR-Bildgebung beobachtet wird, hilfreich sein, um die Diagnose einer dilatativen Kardiomyopathie bei einem Athleten zu stellen.

Belastungsuntersuchungen

Während der Belastungsuntersuchung verbleibt die Herzfrequenz bei submaximaler Belastung unterhalb der Norm und steigt in angemessenem Ausmaß und vergleichbar mit der Herzfrequenz von Nichtsportlern bei maximaler Belastung an; sie normalisiert sich nach der Belastung schnell. Das Verhalten des Blutdrucks ist normal:

  • Der systolische Blutdruck nimmt zu

  • Der diastolische Blutdruck fällt

  • Der mittlere Blutdruck bleibt relativ konstant

Viele der Veränderungen im Ruhe-EKG gehen während der Belastung zurück oder verschwinden ganz; diese Beobachtung ist für das Sportlerherz einzigartig und damit ein Unterscheidungsmerkmal von pathologischen Befunden. Die Pseudonormalisierung einer T-Wellen-Inversion deutet jedoch möglicherweise auf eine Myokardischämie hin und erfordert somit bei älteren Sportlern weitere Untersuchungen. Außerdem schließt ein normales Ergebnis im Belastungstest eine Kardiomyopathie nicht aus.

Tabelle

Literatur zur Diagnose

  1. 1. Brosnan MJ, Rakit D: Differentiating athlete's heart from cardiomyopathies − The left side. Heart Lung Circ 27(9):1052–1062, 2018. doi: 10.1016/j.hlc.2018.04.297

  2. 2. Millar LM, Fanton Z, Finocchiaro G, et al: Differentiation between athlete's heart and dilated cardiomyopathy in athletic individuals. Heart 106(14):1059–1065, 2020. doi: 10.1136/heartjnl-2019-316147

  3. 3. Czimbalmos C, Csecs I, Toth A, et al: The demanding grey zone: Sport indices by cardiac magnetic resonance imaging differentiate hypertrophic cardiomyopathy from athlete's heart. PLoS ONE 14(2): e0211624. 2019.

  4. 4. Bakogiannis C, Mouselimis D, Tsarouchas A, et al: Hypertrophic cardiomyopathy or athlete's heart? A systematic review of novel cardiovascular magnetic resonance imaging parameters. Eur J Sports Sci Dec 2;1–12, 2021. doi: 10.1080/17461391.2021.2001576

  5. 5. Baggish AL, Battle RW, Beaver TA, et al: Recommendations on the use of multimodality cardiovascular imaging in young adult competitive athletes: A report from the American Society of Echocardiography in collaboration with the Society of Cardiovascular Computed Tomography and the Society for Cardiovascular Magnetic Resonance. J Am Soc Echocardiogr 33 (5): 523–549, 2020. doi: 10.1016/j.echo.2020.02.009

Prognose bei Sportlerherz

Obwohl die allgemeinen strukturellen Veränderungen denen einiger Herzerkrankung ähneln, sind im Allgemeinen keine prognostisch ungünstigen Auswirkungen bekannt. Zahlreiche Studien haben jedoch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern bei Ausdauer- und Mischsportarten festgestellt. Sportler unter 55 Jahren haben ein höheres Risiko (1). Das Maß der körperlichen Betätigung, bei dem das Risiko ansteigt, wurde in qualitativ hochwertigen Studien nicht dokumentiert. In den meisten Fällen sind die strukturellen Veränderungen und die Bradykardie bei dem Abtrainieren regredient, obwohl bei bis zu 20% der Leistungssportler eine Vergrößerung der Herzkammern zurückbleibt, was beim Fehlen von Langzeit-Studien Frage nach prognostischen Benignität des Sportlerherzens aufwirft.

Hinweis zur Prognose

  1. 1. Newman W, Parry-Williams G, Wiles J, et al: Risk of atrial fibrillation in athletes: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med 55(21):1233–1238, 2021. doi:10.1136/bjsports-2021-103994

Behandlung des Sportlerherzens

  • Möglicherweise ein Zeitraum der Dekonditionierung zur Überwachung der LV-Regression

Das Sportlerherzsyndrom erfordert keine Behandlung, wenn auch eine 3-monatiges Abtrainieren notwendige werden kann, um die linksventrikuläre Rückbildung nachweisen und somit das Syndrom von einer Kardiomyopathie unterscheiden zu können. Das Abtrainieren kann das Leben eines Sportlers erheblich beeinträchtigen und somit möglicherweise auf Ablehnung stoßen.

Wichtige Punkte

  • Intensives körperliches Training erhöht die linksventrikuläre Muskelmasse, Wandstärke und Kammergröße; die systolische und diastolische Funktion bleiben aber normal.

  • Der Ruhepuls ist langsam und es können ein systolisches Austreibungsgeräusch am linken unteren Sternalrand, ein 3. Herzton (S3) und/oder ein vierter Herzton (S4) auftreten.

  • Im EKG zeigenn sich eine Bradykardie, Zeichen einer Hypertrophie und manchmal auch andere Auffälligkeiten wie Sinusarrhythmie, atriale oder ventrikuläre Ektopie und atrioventrikulärer Block I. oder II. Grades.

  • Strukturelle und EKG-Veränderungen des Sportlerherzens führen zu keiner Symptomatik; das Auftreten von kardiovaskulären Symptomen (z. B. Brustschmerz, Dyspnow, Palpitationen), eines AV-Block III. Grades sollte eine Suche nach einer zugrunde liegenden Herzerkrankung veranlassen.