Übersicht zum akuten Koronarsyndrom (ACS)

(Instabile Angina pectoris; akuter Myokardinfarkt; Myokardinfarkt)

VonRanya N. Sweis, MD, MS, Northwestern University Feinberg School of Medicine;
Arif Jivan, MD, PhD, Northwestern University Feinberg School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Juni 2022
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Das akute Koronarsyndrom resultiert aus einer akuten Obstruktion einer Koronararterie. Die Folgen hängen vom Grad der Einengung und der Lokation ab und reichen von einer instabilen Angina pectoris bis zu einem Nicht-ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt (NSTEMI, Syn. Non-STEMI), ST-Strecken-Elevations-Myokardinfarkt (STEMI) und einem plötzlichem Herztod. Die Symptome der genannten Syndrome sind gleichartig (ausgenommen plötzlicher Tod). Dazu gehören Unwohlsein im Brustbereich mit oder ohne Dyspnoe, Übelkeit und Schweißausbruch bzw. Kaltschweißigkeit. Die Diagnose wird mittels Elektrokardiographie (EKG) und serologischer Marker gestellt. Die Therapie besteht aus der Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern, Antikoagulanzien, Nitraten und Betablockern. Bei einem STEMI wird eine notfallmäßige Reperfusion mittels Fibrinolytika, perkutaner koronarer Intervention (PCI) oder gelegentlich mittels koronarer Bypass-Operation durchgeführt.

(Siehe auch Übersicht zur koronaren Herzkrankheit.)

Klassifikation akuter Koronarsyndrome

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  • Instabile Angina pectoris

  • Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI)

  • ST-Hebungsinfarkt (STEMI)

Diese Syndrome beinhalten alle akute koronare Ischämie und unterscheiden sich basierend auf Symptomen, EKG-Befunden und Herzmarker-Spiegel. Es ist hilfreich, die Syndrome zu unterscheiden, da Prognose und Therapie variieren können.

Instabile Angina pectoris (akute Koronarinsuffizienz, Präinfarktangina, Intermediärsyndrom) ist definiert als eine oder mehrere der folgenden Erkrankungen bei Patienten, deren kardiale Biomarker die Kriterien für einen Myokardinfarkt (MI) nicht erfüllen:

  • Länger andauernde Ruhe-Angina (in der Regel > 20 min)

  • Neu auftretende Angina pectoris mit einer Symptomatik, die mindestens Grad 3 der CCS-(Canadian Cardiac Society-)Klassifikation entspricht (siehe Tabelle Klassifikationssystem der Canadian Cardiovascular Society für Angina pectoris)

  • Crescendo-Angina, d. h. eine früher diagnostizierte Angina pectoris mit jetzt merklich häufigeren und gravierenderen Symptomen von längerer Dauer oder einer geringeren Belastbarkeitsschwelle (z. B. erhöht um 1 CCS-Grad oder bis mindestens CCS-Grad 3).

Während der Attacke einer instabilen Angina pectoris können auch EKG-Veränderungen wie ST-Strecken-Senkung, ST-Strecken-Hebung oder eine Inversion der T-Welle auftreten. Diese Veränderungen sind jedoch vorübergehend. Unter den kardialen Markern ist CK nicht erhöht, aber kardiales Troponin, insbesondere bei Messung mit hochempfindlichen Troponin-Tests (hs-cTn) kann leicht erhöht sein. Diese instabile Angina pectoris ist klinisch instabil und häufig der Vorbote eines Myokardinfarktes oder von Arrhythmien oder, jedoch weniger häufig, eines plötzlichen Herztodes.

Der Nicht-ST-Strecken-Elevationsinfarkt (NSTEMI, subendokardialer Myokardinfarkt) ist eine Myokardnekrose (Nachweis über kardiale Marker im Blut; Troponin I oder Troponin T and CK sind erhöht) ohne akute ST-Strecken-Hebung oder Q-Zacken. EKG-Veränderungen wie ST-Strecken-Senkung, Inversion der T-Welle oder beides können vorhanden sein.

ST-Strecken-Elevationsinfarkt (STEMI, transmuraler Myokardinfarkt) ist eine Myokardnekrose mit EKG-Veränderungen, die eine ST-Strecken-Hebung, die nicht schnell durch die Gabe von Nitroglycerin aufgehoben wird, oder einen neu aufgetretenen Linksschenkelblock zeigen. Troponin I oder Troponin T und Kreatinkinase sind erhöht.

Beide Arten von Myokardinfarkt können oder nicht produzieren Q-Zacken im EKG (Q Welle Myokardinfarkt, nicht-Q-Welle Myokardinfarkt).

Ätiologie akuter Koronarsyndrome

Die häufigste Ursache von akutem Koronarsyndrom ist

Atheromatöse Plaques werden manchmal instabil oder entzünden sich, reißen auf oder zersplittern und setzen thrombogenes Material frei. Dieses wiederum aktiviert Thrombozyten und setzt die Gerinnungskaskade in Gang, wodurch akut ein Thrombus entsteht. Es kommt zu einer Konformationsänderung des Glykoprotein IIb/IIIa, welches der Rezeptor für das Fibrinogen ist, an der Membran und damit zu einer Quervernetzung (Cross-Linking) der Thrombozyten (und damit zu einer Aggregation). Auch Atherome, die minimale Obstruktionen verursachen, können rupturieren und zu Thrombosen führen. In > 50% der Fälle beträgt die Stenose vor dem Ereignis < 40%. Obwohl also der Stenosegrade bei der Symptomvorhersage hilft, sagt er nicht immer thrombotische Ereignisse vorher. Der entstandene Thrombus behindert plötzlich die Durchblutung einiger Bereiche des Myokards. Zu einer spontanen Thrombolyse kommt es bei ca. zwei Dritteln der Patienten. Nach 24 h findet sich eine thrombotische Obstruktion nur noch bei ca. 30% der Patienten. In praktisch allen Fällen dauert die Obstruktion jedoch lange genug an, um unterschiedlich starke Gewebsnekrosen zu verursachen.

Seltenere Ursachen von akuten Koronarsyndromen sind

  • Embolie der koronaren Arterien

  • Koronarspasmus

  • Spontane Dissektion der Koronararterien

Eine koronare arterielle Embolie kann bei Mitralstenose, Aortenstenose, infektiöser Endokarditis, marantischer Endokarditis oder Vorhofflimmern auftreten.

Ein Kokainkonsum und andere Ursachen für Koronarspasmen können in einigen Fällen zu einem Myokardinfarkt führen. Ein durch Koronarspasmen ausgelöster Myokardinfarkt kann in normalen oder arteriosklerotisch veränderten Koronararterien auftreten.

Bei der spontanen Koronararteriendissektion handelt es sich um einen nichttraumatischen Riss in der Koronarintima mit Bildung eines falschen Lumens. Blut, das durch das falsche Lumen fließt, dehnt ihn aus, was den Blutfluss durch das echte Lumen einschränkt und manchmal eine koronare Ischämie oder einen Infarkt verursacht. Eine Dissektion kann bei atherosklerotischen oder nicht atherosklerotischen Koronararterien auftreten. Eine nicht-atherosklerotische Dissektion ist wahrscheinlicher bei schwangeren oder postpartalen Frauen und/oder Patienten mit fibromuskulärer Dysplasie oder anderen Bindegewebserkrankungen.

Myokardinfarkt bei fehlender koronarer Herzkrankheit (MINOCA)

Ein Myokardinfarkt ohne obstruktive koronare Herzkrankheit (MINOCA) wird bei etwa 5–6% der Patienten mit akutem Myokardinfarkt festgestellt, die sich einer Koronarangiographie unterziehen (1). Patienten mit MINOCA sind in der Regel jünger, weiblich, haben keine Dyslipidämie und weisen eine Myokardnekrose ohne signifikante koronare Atherosklerose auf. Plaque-Störung und koronarer Vasospasmus sind bei MINOCA häufig. Koronarthrombose oder -embolie und spontane Koronararteriendissektion sind Ursachen für MINOCA.

Hinweis zur Ätiologie

  1. 1. Tamis-Holland JE, Jneid H, Reynolds HR, et al: Contemporary diagnosis and management of patients with myocardial infarction in the absence of obstructive coronary artery disease: A scientific statement from the American Heart Association. Circulation 139:e891–e908, 2019. doi: 10.1161/CIR.0000000000000670

Pathophysiology of Acute Coronary Syndrome

Die initialen Auswirkungen hängen vom Ausmaß, der Lage und der Dauer der Obstruktion ab und reichen von einer vorübergehenden Ischämie bis zu einem Infarkt. Die Messung neuerer, sensitiverer kardialer Marker zeigt, dass es vermutlich sogar bei leichten Formen zu einer Zellnekrose kommt. Ischämische Ereignisse finden demnach häufig statt und eine Einteilung in Untergruppen erscheint deshalb, auch wenn sie von Nutzen wäre, ein wenig beliebig. Folgekrankheiten nach einem akuten Ereignis hängen in erster Linie davon ab, wie groß und welcher Art das infarzierte kardiale Gewebe ist.

Myokardiale Dysfunktion

Im ischämischen (jedoch nicht infarzierten) Gewebe sind die Kontraktilität und Relaxation beeinträchtigt. Dadurch entstehen hypokinetische oder akinetische Segmente, die sich während der Systole ausdehnen oder ausbeulen (sog. paradoxe Bewegung). Das Ausmaß des betroffenen Gebietes bestimmt die Auswirkungen, die von einer minimalen bis leichten Herzinsuffizienz bis zum kardiogenen Schock reichen; in der Regel müssen große Teile des Myokards ischämisch sein, um eine signifikante myokardiale Dysfunktion zu verursachen. Bei etwa zwei Drittel der Krankenhauspatienten mit einem akuten Myokardinfarkt kommt es zu einer gewissen Herzinsuffizienz, Sie wird als ischämische Kardiomyopathie bezeichnet, wenn die niedrige Auswurfleistung und Herzinsuffizienz weiter bestehen. Eine Ischämie mit Beteiligung der Papillarmuskeln kann zu einer Mitralklappeninsuffizienz führen. Dysfunktionelle Wandbewegung kann Thrombusbildung ermöglichen.

Myokardinfarkt

Der Myokardinfarkt ist eine ischämische Myokardnekrose infolge einer abrupten Abnahme der koronaren Durchblutung in einem Myokardabschnitt. Das infarzierte Gewebe ist dauerhaft geschädigt, jedoch ist die ischämische Dysfunktion des umliegenden Gewebes möglicherweise reversibel. Ein Myokardinfarkt betrifft überwiegend den linken Ventrikel (LV), jedoch kann sich das geschädigte Gebiet auf den rechten Ventrikel (RV) oder die Vorhöfe ausdehnen.

Infarkt kann sein,

  • Transmural: Transmurale Infarkte betreffen alle Wandschichten des Myokards vom Epikard bis zum Endokard und sind im EKG normalerweise durch pathologische Q-Zacken gekennzeichnet.

  • Nichttransmural (subendokardial): Nichtransmurale Infarkte dehnen sich nicht über die Ventrikelwand hinaus aus und rufen nur Veränderungen der ST-Strecke und der T-Welle (ST-T) hervor.

Da die transmurale Tiefe der Nekrose klinisch nicht präzise bestimmt werden kann, werden Infarkte in der Regel als STEMI oder NSTEMI klassifiziert, ob im EKG eine ST-Strecken-Hebung oder Q-Zacken vorhanden sind oder nicht.

Nekrosen eines wesentlichen Teils der Scheidewand oder ventrikuläre Wand können reißen, mit schlimmen Folgen. Es kann sich ein ventrikuläres Aneurysma oder Pseudoaneurysma bilden.

Elektrophysiologische Dysfunktion

Eine elektrische Funktionsstörung kann bei jeder Form des akuten Koronarsyndroms signifikant sein. Ischämische und nekrotische Zellen haben ihre Fähigkeit zu einer normalen elektrischen Aktivität verloren. Dies zeigt sich in verschiedenen EKG -Veränderungen (vorrangig in ST-T-Anomalien), Arrhythmien und Erregungsleitungsstörungen. Die ST-T-Anomalien bei einer Ischämie zeigen sich in einer ST-Strecken-Senkung (häufig Abfallen ab dem J-Punkt), Inversion der T-Welle, ST-Strecken-Hebung (häufig als Verletzungsstrom bezeichnet) und in einer hohen spitzen T-Welle in der hyperakuten Infarktphase. Erregungsleitungsstörungen können die Schädigung des Sinusknotens, des AV-Knotens oder des spezialisierten Erregungsleitungsgewebes widerspiegeln. Die meisten Veränderungen sind vorübergehend, einige bleiben jedoch bestehen.

Symptome und Anzeichen von akuten Koronarsyndromen

Die Symptome eines akuten Koronarsyndroms hängen vom Ausmaß und der Lage der Obstruktion ab und können ziemlich unterschiedlich sein. Schmerzvolle Reize von Thoraxorganen, einschließlich das Herz, können Missempfindungen verursachen, die als Druck, Reißen, Luft mit einem Aufstoßdrang, Magenverstimmung, Brennen schmerzvoll, stechend und manchmal auch als scharfer Schmerz empfunden werden. Viele Patienten leugnen, dass sie Schmerzen haben und eben dies einfach als "Unwohlsein" aus. Die Beurteilung des Ausmaßes der Ischämie allein auf der Basis der Symptome ist, mit Ausnahme bei einem massiven Infarkt, sehr schwierig.

Symptome von ACS sind ähnlich denen von Angina pectoris und werden ausführlicher in den Abschnitten instabile Angina pectoris und akuter Myokardinfarkt diskutiert.

Komplikationen

Nach dem akuten Ereignis können viele Komplikationen auftreten. Gewöhnlich beinhalten sie

Bei jeder Form des ACS können die elektrischen Störungen signifikant sein, jedoch müssen große Bereiche des Myokards ischämisch sein, um signifikante myokardiale Funktionsstörungen zu bewirken. Weitere Komplikationen des ACS umfassen rezidivierende Ischämie und Perikarditis. Perikarditis, die 2–10 Wochen nach einem auftritt, wird als Post-Myokardinfarkt-Syndrom oder Dressler-Syndrom bezeichnet.

Diagnose von akuten Koronarsyndromen

  • Serielle EKGs

  • Serielle kardiale Marker

  • Sofortige Koronarangiographie bei Patienten mit STEMI oder Komplikationen (z. B. anhaltende Schmerzen im Brustkorb, Hypotonie, deutlich erhöhte kardiale Marker, instabile Arrhythmien)

  • Verzögerte Angiographie (24–48 h) für Patienten mit NSTEMI oder instabiler Angina pectoris ohne die oben aufgeführten Nebenwirkungen

Akute Koronarsyndrome sollten in der Regel bei Männern > 30 Jahre und bei Frauen > 40 Jahre (bei Patienten mit Diabetes mellitus auch bei Jüngeren) dann in Betracht gezogen werden, wenn die Hauptsymptome Schmerzen oder Beschwerden im Brustbereich sind. Der Schmerz muss von anderen Schmerzen bei Krankheiten wie Pneumonie, Lungenembolie, Perikarditis, Rippenfraktur, Rippenknorpelseparation, Ösophagusspasmen, akuter Aortendissektion, Nierensteinen, Milzinfarkt oder bei verschiedenen abdominellen Beschwerden unterschieden werden. Bei Patienten mit einer früher diagnostizierten Hiatushernie, peptischem Ulkus oder einem Gallenblasenleiden ist Vorsicht geboten, diesen Krankheiten plötzlich neue Symptome zuzuordnen. (Für Ansatz zur Diagnose, siehe auch Brustschmerzen.)

Bei Verdacht auf ein ACS ist die Vorgehensweise immer gleich: initiales EKG und weitere serielle EKG-Analysen, serielle Messungen der Herzenzyme, die eine Unterscheidung einer instabilen Angina von einem NSTEMI oder STEMI möglich machen. Jede Notfalleinrichtung sollte über ein Triage-System verfügen, um Patienten mit Brustschmerzen schnell zu erkennen und die spezifischen Erhebungsinstrumente und EKG-Analysen einleiten zu können. Zu den Maßnahmen gehören auch die Pulsoxymetrie und Röntgenthorax (v. a. zum Nachweis einer Erweiterung des Mediastinums, die auf eine Aortendissektion hindeutet).

EKG

Das EKG ist die wichtigste Untersuchung und sollte so schnell wie möglich durchgeführt werden (z. B. innerhalb von 10 Minuten nach der Vorstellung). Der EKG-Befund ist richtungweisend für die weitere Vorgehensweise. Fibrinolyse kann bei STEMI unter Umständen helfen, während sie bei NSTEMI das Risiko erhöht. Außerdem ist eine dringende Herzkatheterisierung bei Patienten mit akuter STEMI indiziert, nicht aber bei denjenigen mit NSTEMI.

Ein STEMI wird in der Regel aufgrund des initialen EKG-Befundes diagnostiziert. Hier zeigt sich eine ST-Strecken-Hebung 1 mm in 2 oder mehreren benachbarten Ableitungen, die das geschädigte Gewebe erfassen (siehe Abbildung Akuter lateraler LV-Infarkt).

Akuter lateraler LV-Infarkt (Tracing innerhalb weniger Stunden nach Auftreten der Krankheit erhalten)

Es liegt eine auffällige hyperakute ST-Segment-Hebung in den Ableitungen I, aVL, V4 und V6 und reziproke Depression in anderen Ableitungen vor.

Pathologische Q-Zacken sind nicht notwendig für die Diagnose. Die EKG-Auswertung muss sehr sorgfältig durchgeführt werden, da eine ST-Strecken-Hebung, v. a. in den inferioren Ableitungen (II, III, aVF), sehr subtil sein kann. Manchmal kann die Aufmerksamkeit fälschlicherweise auf Ableitungen mit einer ST-Strecken-Senkung gelenkt werden. Bei einer charakteristischen Symptomatik hat die ST-Strecken-Hebung im EKG eine Spezifität von 90% und eine Sensitivität von 45% zur Diagnose eines Myokardinfarktes. Die erste Diagnose kann sich bestätigen, wenn sich bei wiederholten Aufzeichnungen (am ersten Tag alle 8 h, dann 1-mal täglich) eine allmähliche Entwicklung zu einem stabilen, normaleren Muster zeigt oder sich in den nachfolgenden Tagen (siehe Abbildung Inferiorer (Zwerchfell) LV-Infarkt) pathologische Q-Zacken entwickeln.

Inferiorer (Zwerchfell) LV-Infarkt (nach den ersten 24 h)

Signifikante Q-Zacken entwickeln sich mit abnehmender ST-Segment-Erhebung in den Ableitungen II, III und aVF.

Da sich nichttransmurale Infarkte (Nicht-Q-Zacken-Infarkt) gewöhnlich in den subendokardialen oder mittleren myokardialen Schichten abspielen, treten sie nicht zusammen mit richtungweisenden Q-Zacken oder einer eindeutigen ST-Strecken-Hebung im EKG auf. Stattdessen führen sie meist nur zu ST-Segment- und T-Wellen-Veränderungen unterschiedlichen Ausmaßes, die weniger auffällig, variabel oder unspezifisch und manchmal schwierig zu interpretieren sind (NSTEMI). Verschwinden diese Abweichungen (oder verstärken sie sich) in wiederholten EKG-Aufzeichnungen, ist eine Ischämie sehr wahrscheinlich. Bei wiederholt unverändertem EKG-Befund ist ein akuter Myokardinfarkt unwahrscheinlich. Besteht jedoch weiterhin der klinische Verdacht, muss die Diagnose anders nachgewiesen werden. Ein normales EKG bei einem schmerzfreien Patienten schließt eine instabile Angina pectoris nicht aus. Ein normales EKG, das während einer Schmerzattacke aufgezeichnet wurde, schließt zwar eine Angina pectoris nicht aus, deutet aber darauf hin, dass die Schmerzen nicht ischämisch bedingt sind.

Bei Verdacht auf einen rechtsventrikulären Infarkt wird in der Regel ein EKG mit 15 Ableitungen mit zusätzlichen Ableitungen in V4R und, zur Diagnose eines Hinterwandinfarktes, in V8 and V9 aufgezeichnet.

Die EKG-Diagnose eines Myokardinfarktes ist schwieriger, wenn eine Linksschenkelblockkonfiguration vorliegt, da die EKG-Veränderungen Änderungen bei einem STEMI ähneln (siehe Abbildung Linksschenkelblock). Eine ST-Strecken-Hebung, die mit dem QRS-Komplex übereinstimmt, ist ein signifikanter Hinweis auf einen Myokardinfarkt, ebenso wie eine ST-Strecken-Hebung > 5 mm in mindestens 2 präkordialen Ableitungen. Generell jedoch wird jeder Patient mit verdächtigen Symptomen und einem neu auftretenden Linksschenkelblock (oder einem Linksschenkelblock, von dem man nicht weiß, ob er schon vorhanden war) wie bei einem STEMI therapiert.

Linksschenkelblock

Kardiale Marker

Herzmarker (Serum-Marker der myokardialen Zellschädigung) sind

  • Herzenzyme (z. B. Kreatinkinase MB-Isoenzym)

  • Zellinhalte (z. B. Troponin I, Troponin T, Myoglobin)

Diese Marker werden in den Blutstrom nach Myokard-Zellnekrose freigesetzt. Die Marker erscheinen nach einer Verletzung zu verschiedenen Zeiten und die Spiegel nehmen graduell unterschiedlich ab. Sensitivität und Spezifität von Myokardzellenverletzungen variieren zwischen diesen Markern erheblich, aber die Troponine (cTn) sind am sensitivsten und spezifischsten und sind nun die Marker der Wahl. Kürzlich sind mehrere neue, hoch sensitive Assays des kardialen Troponin (hs-cTn), die auch sehr präzise sind, verfügbar geworden. Diese Assays können zuverlässig Troponin-Spiegel (T oder I) messen, die so niedrig sind wie 0,003–0,006 ng/ml (3–6 pg/ml); einige Forschungs-Assays gehen so niedrig wie 0,001 ng/ml (1 pg/ml).

Zuvor war es mit weniger sensitiven cTn-Tests unwahrscheinlich gewesen, dass Tn entdeckt wurde, außer bei Patienten, die eine akute kardiale Erkrankung hatten. Somit war ein "positiver" cTn-Test (d. h. oberhalb der Nachweisgrenze) sehr spezifisch. Allerdings können die neuen hs-cTn-Tests geringe Mengen an cTn bei vielen gesunden Menschen nachweisen. Daher müssen die mit hs-cTn-Tests ermittelten Troponinspiegel auf den Normalbereich bezogen werden und werden nur dann als "erhöht" definiert, wenn sie höher als 99% der Referenzpopulation sind. Auch wenn ein erhöhter Troponin-Spiegel eine Myokardzellenverletzung anzeigt, deckt er nicht die Ursache der Verletzung auf (obwohl jede Troponin-Erhebung das Risiko unerwünschter Verläufe bei vielen Krankheiten erhöht). Zusätzlich zu akuten Koronarsyndromen können viele andere kardiale und nicht-kardiale Erkrankungen den cTn-Spiegel erhöhen (siehe Tabelle Ursachen für erhöhte Troponin-Werte); nicht alle mit hs-cTn nachgewiesenen erhöhten Spiegel stellen einen Myokardinfarkt dar, und nicht alle Myokardnekrosen resultieren aus einem Ereignis des akuten Koronarsyndroms, selbst wenn die Ätiologie ischämisch ist. Indem jedoch niedrigere Troponin-Spiegel erfasst werden, ermöglichen hs-cTn-Assays eine frühere Identifizierung von Myokardinfarkt als andere Assays und sie haben in vielen Zentren Tests auf andere kardiale Marker ersetzt.

Bei Patienten mit Verdacht auf ein ACS sollte bei der Vorstellung und wieder 2-3 Stunden später ein hs-cTn-Test durchgeführt werden. Troponin sollte nach 0 und 6 Stunden gemessen werden, wenn ein Standard-cTn-Assay verwendet wird.

Ein hs-cTn-Spiegel muss auf der Grundlage der Vortestwahrscheinlichkeit der Krankheit bei einem Patienten interpretiert werden, der klinisch geschätzt werden kann basierend auf

  • Risikofaktoren für ACS

  • Symptome

  • EKG-Befunde

Eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit plus ein mit einem hs-cTn-Assay festgestellter erhöhter Spiegel deutet stark auf ACS hin, wohingegen eine niedrige Vortestwahrscheinlichkeit plus ein normales hs-cTn-Assay-Ergebnis wahrscheinlich nicht auf ACS hindeutet. Die Diagnose wird schwieriger, wenn die Testergebnisse mit der Vortestwahrscheinlichkeit in Widerspruch stehen. In diesem Fall helfen oft serielle hs-cTn-Tests. Ein Patient mit geringer Wahrscheinlichkeit vor dem Test und einem anfänglich leicht erhöhten Troponinspiegel, der mit hs-cTn nachgewiesen wurde und bei Wiederholung des Tests stabil bleibt, hat wahrscheinlich eine Nicht-ACS-Herzkrankheit (z. B. Herzinsuffizienz, stabile koronare Arterienerkrankung). Wenn der Spiegel allerdings bei Wiederholung signifikant ansteigt (d. h. > 20–50%), ist die Wahrscheinlichkeit für ACS viel höher. Wenn bei einem Patienten mit hoher Vortestwahrscheinlichkeit ein normaler Troponinspiegel mit hs-cTn festgestellt wird und dieser bei Wiederholungstests um > 50% ansteigt, ist ein ACS wahrscheinlich; anhaltende Normalwerte (oft auch nach 6 Stunden und darüber hinaus, wenn der Verdacht hoch ist) deuten darauf hin, dass eine alternative Diagnose gestellt werden muss.

Tabelle

Koronarangiographie

Die Koronarangiographie ist häufig eine Kombination aus Diagnostik und perkutaner koronarer Intervention (PCI—z. B. Angioplastie, Stent-Einlage). Wenn möglich, wird eine Notfall-Koronarangiographie und PCI so schnell wie möglich nach Beginn des akuten Myokardinfarkts durchgeführt (primäre PCI). In vielen tertiären Zentren hat dieser Ansatz die Morbidität und Mortalität deutlich gesenkt und die Langzeitergebnisse verbessert. Häufig wird der Infarktverlauf tatsächlich aufgehalten, wenn die Zeit von Schmerzen zu PCI kurz ist (< 3–4 h).

Die Angiographie wird bei Patienten mit STEMI, Patienten mit persistierenden Brustschmerzen trotz maximaler medizinischer Therapie und Patienten mit Komplikationen (z. B. deutlich erhöhte kardiale Marker, Anwesenheit von kardiogenem Schock, akute Mitralinsuffizienz, Ventrikelseptumdefekt, instabile Arrhythmien) dringend durchgeführt. Patienten mit unkompliziertem NSTEMI oder instabiler Angina pectoris, deren Symptome sich gebessert haben, werden sich in der Regel innerhalb der ersten 24–48 h der Hospitalisierung angiographiert, um Läsionen aufzufinden, die einer Behandlung bedürfen.

Nach anfänglicher Diagnose und Behandlung kann eine Koronarangiographie bei Patienten mit Hinweis auf eine andauernde Ischämie (im EKG oder aufgrund der Symptome), mit hämodynamischer Instabilität, rezidivierenden ventrikulären Tachyarrhythmien und anderen Abweichungen, die auf rezidivierende ischämische Ereignisse hindeuten, durchgeführt werden. Einige Experten empfehlen auch eine Angiographie vor der Entlassung aus dem Krankenhaus bei Patienten mit STEMI, bei denen noch keine Angiographie durchgeführt wurde und die eine induzierbare Ischämie in der Stress-Bildgebung oder eine Ejektionsfraktion < 40% aufweisen.

Andere Tests

Die routinemäßigen Laboruntersuchungen sind nicht aussagekräftig, zeigen jedoch unspezifische Abweichungen, die zu einer Gewebenekrose passen (z. B. erhöhte Erythrozytensedimentationsrate, mäßig erhöhte Leukozytenzahl mit Linksverschiebung). Ein Lipid-Profil im nüchternen Zustand sollte innerhalb der ersten 24 h bei allen Patienten, die mit ACS im Krankenhaus sind, erhalten werden.

Eine zusätzliche Bildgebung des Myokards ist nicht notwendig, wenn bereits durch kardiale Marker oder EKG die Diagnose gestellt wurde. Bei Patienten mit einem Myokardinfarkt ist jedoch eine Bedside-Echokardiographie unschätzbar aussagekräftig zur Feststellung mechanischer Komplikationen. Vor oder kurz nach der Entlassung sollte bei Patienten mit Symptomen eines akuten Koronarsyndroms (ACS) bei nicht aussagekräftigem EKG-Befund und nicht erhöhten Herzenzymen ein Belastungstest mit einem bildgebenden Verfahren (Darstellung mittels Radionuklid oder Echokardiographie mit medikamentös oder körperlich induzierter Belastung) durchgeführt werden. Imaging-Anomalien bei solchen Patienten zeigen ein erhöhtes Risiko von Komplikationen in den nächsten 3–6 Monaten und legen die Notwendigkeit einer Angiographie nahe, die vor der Entlassung oder bald danach durchgeführt werden sollte, mit PCI oder CABG wie eben nötig.

Die Rechtsherzkatheteruntersuchung mit einem an der Spitze mit einem Ballon versehenen Pulmonalarterienkatheter kann durchgeführt werden, um den Druck im rechten Herzen, in der Pulmonalarterie, den Okklusionsdruck in der Pulmonalarterie und die kardiale Auswurfleistung zu messen. Dieser Test wird nicht routinemäßig empfohlen und sollte nur durchgeführt werden, wenn die Patienten erhebliche Komplikationen (z. B. schwere Herzinsuffizienz, Hypoxie, Hypotonie) haben und dann von Ärzten, die in Katheterplatzierung und Management-Protokollen erfahren sind.

Prognose für akute Koronarsyndrome

Ein globales Risiko sollten über formale klinische Risiko-Scores abgeschätzt werden (Thrombose bei Myokardinfarkt [TIMI], Global Registry of Acute Coronary Events [GRACE], Thrombozytenglykoprotein IIb/IIIa bei instabiler Angina pectoris: Rezeptorsuppression bei Gebrauch von Integrilin-Therapie [PURSUIT] —1) oder mit einer Kombination der folgenden Hochrisiko-Faktoren:

  • Wiederkehrende Angina/Ischämie im Ruhezustand oder während Aktivität niedriger Intensität

  • Herzinsuffizienz

  • Sich verschlechternde Mitralklappeninsuffizienz

  • Hochrisiko-Stresstest-Ergebnis (Test in ≤5 Minuten aufgrund von Symptomen angehalten, deutliche EKG-Anomalien, Hypotonie oder komplexe ventrikuläre Arrhythmien)

  • Hämodynamische Instabilität

  • Anhaltende ventrikuläre Tachykardie

  • Diabetes mellitus

  • PCI in den vergangenen 6 Monaten

  • Vorherige CABG

  • LV-Ejektionsfraktion < 0,40

Hinweis zur Prognose

  1. 1. Boersma E, Pieper KS, Steyerberg EW, et al: Predictors of outcome in patients with acute coronary syndromes without persistent ST-segment elevation. Results from an international trial of 9461 patients. The PURSUIT Investigators. Circulation 101(22): 2557–2567, 2000.

Behandlung von akuten Koronarsyndromen

  • Präklinische Versorgung: Sauerstoff, Aspirin und Nitrate und Verlegung in ein geeignetes medizinisches Zentrum

  • Medikamentöse Behandlung: antihrombozytäre Medikamente, antianginöse Medikamente, Antikoagulantien und in einigen Fällen andere Medikamente

  • Oft Angiographie, um die Anatomie der Koronararterien zu beurteilen

  • Oft Reperfusionstherapie: Fibrinolytische, perkutane Koronarintervention oder eine Koronararterien-Bypass-Operation

  • Unterstützende Behandlung

  • "Post discharge cardiac rehabilitation" und andauernde Behandlung der koronaren Herzkrankheit

Ziele der Therapie, einschließlich einer medikamentösen Behandlung sind die Beseitigung der Schmerzen, Unterbrechung der Thrombose, Beendigung der Ischämie, Begrenzung der Infarktgröße, Senkung der Herzarbeit, Vorbeugung und Behandlung von Komplikationen. Ein akutes Koronarsyndrom ist ein medizinischer Notfall; das Outcome wird durch eine schnelle Diagnose und Behandlung stark beeinflusst.

Die Behandlung erfolgt parallel zur Diagnostik.

Krankheitsbilder, die zur Verschlimmerung des Zustands beitragen (z. B. Anämie oder Herzinsuffizienz), werden aggressiv behandelt.

Da der Brustschmerz bei einem Myokardinfarkt in der Regel in den ersten 12–24 h abklingt, sollte jedem anhaltenden oder wiederauftretenden Brustschmerz nachgegangen werden. Dies kann ein Indiz für Komplikationen wie rezidivierende Ischämie, Perikarditis, Lungenembolie, Pneumonie, Gastritis oder einen Ulkus sein.

Präklinische Versorgung

  • Sauerstoff

  • Aspirin

  • Nitrate

  • Triage zu entsprechendem medizinischem Zentrum

Es muss ein zuverlässiger IV Zugang gelegt werden, der Patient erhält Sauerstoff (in der Regel 2 l über eine Nasensonde), der Anschluss an eine EKG-Überwachung gewährt die kontinuierliche Überwachung der Herzfunktion. Präklinische Maßnahmen des Rettungsteams — einschließlich EKG-Überwachung, gekautem Aspirin (325 mg) Schmerzbehandlung mit Nitraten (siehe Tabelle Medikamente gegen koronare Herzkrankheiten), Wahl der geeigneten Klinik, in der primäre PCI verfügbar ist, frühzeitige Thrombolyse, wenn dies in Ausnahmefällen bei extrem langer Prähospitalzeit indiziert und möglich ist,) können das Mortalitätsrisiko und die Gefahr von Komplikationen verringern.

Obwohl Opioide seit langem zur Behandlung von Schmerzen bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom eingesetzt werden, deuten Daten darauf hin, dass Morphin die Aktivität einiger P2Y12-Rezeptor-Inhibitoren abschwächt und zu schlechteren Patientenergebnissen beitragen kann (1, 2).

Frühe Diagnosedaten und Ansprechen auf die Behandlung können dabei helfen, die Notwendigkeit und den Zeitpunkt der Revaskularisierung zu bestimmen, wenn primäre perkutane Koronarintervention nicht möglich ist.

Stationäre Krankenhausaufnahme

  • Die medikamentöse Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern, Antikoagulantien und anderen Medikamenten basierend auf Reperfusionsstrategie

  • Risikostratifizierung des Patienten und wählen Sie eine Reperfusionsstrategie (Fibrinolytika oder Kardangiographie mit PCI oder CABG für Patienten mit STEMI und Kardangiographie mit PCI oder CABG für Patienten mit instabiler Angina pectoris oder NSTEMI

Bei der Ankunft in der Notaufnahme, wird die Diagnose des Patienten bestätigt. Die medikamentöse Therapie und die Wahl der Revaskularisierung hängen von der Art des akuten Koronarsyndroms sowie dem klinischen Bild ab (siehe Abbildung Vorgehensweise bei akuten Koronarsyndromen). Die Wahl der medikamentösen Therapie wird diskutiert in Medikamente beim akuten Koronarsyndrom, und die Wahl der Reperfusionsstrategie wird weiter diskutiert in Revaskularisierung bei akutem Koronarsyndrom.

Vorgehensweise bei akuten Koronarsyndromen

*Morphin sollte mit Bedacht eingesetzt werden (z. B. wenn Nitroglycerin kontraindiziert ist oder wenn der Patient trotz Nitroglycerin-Therapie Symptome hat). Daten deuten darauf hin, dass Morphin die Wirkung einiger P2Y12-Rezeptor-Inhibitoren abschwächt und zu einer Verschlechterung des Patientenoutcomes beitragen kann (1, 2).

†Kompliziert bedeutet, dass der Krankenhausaufenthalt durch rezidivierende Angina oder Infarkt, Herzversagen oder anhaltende rezidivierende ventrikuläre Arrhythmien kompliziert war. Das Fehlen eines dieser Ereignisse wird als unkompliziert bezeichnet.

‡ Obwohl einige neuere Studien Fragen aufwerfen, wird die koronararterielle Bypass-Operation (CABG) n der Regel immer noch der Perkutanen Koronarintervention (PCI) vorgezogen, wenn folgende Patienten betroffen sind:

  • Hauptstammstenose oder Hauptstammstenose-ähnliche Erkrankung

  • Linksventrikuläre Dysfunktion

  • Diabetes

aucgh sind lange Läsionen oder Läsionen in der Nähe von Gefäßgabelungen durch eine PCI häufig nicht zu erreichen.

CABG = koronaren Bypass-Operation; GP = Glykoprotein; LDL = Low Density Lipoprotein; NSTEMI = Nicht-ST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkt; PCI = perkutane Kornarintervention; STEMI = ST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkt.

Wenn die Diagnose unklar ist, erfolgen Bedside-Tests zur Bestimmung der kardialen Marker können dazu beitragen, Patienten mit niedrigem Risiko zu erkennen, bei denen ein Verdacht auf ein ACS besteht (z. B. die Patienten mit initial negativen kardialen Markern und nicht aussagekräftigen EKG-Befunden), die über 24-h-Überwachungseinheit oder in einer Chest-Pain-Unit. Patienten mit einem höheren Risiko sollten stationär am Monitor überwacht oder auf einer Intensivpflegestation aufgenommen werden. Mehrere validierte Hilfsmittel können dazu beitragen das Risiko zu stratifizieren. Hierbei ist die Thrombolyse bei der Myokardinfarkt-Risikobewertung (TIMI, thrombolysis in myocardial infarction) die am häufigsten eingesetzte Therapie.

Patienten mit Verdacht auf einen NSTEMI und einem intermediären oder hohen Risiko sollten stationär oder auf einer kardiologischen Intensivstation aufgenommen werden, Diejenigen mit Verdacht auf einen STEMI sollten auf eine kardiologische Intensivstation verlegt werden.

Nur eine kontinuierliche Monitorüberwachung der Herzfrequenz und des Herzrhythmus mittels EKG gewährt eine lückenlose Kontrolle des Patienten. Einige Klinikärzte empfehlen jedoch die routinemäßige Mehrkanal-Monitorüberwachung mit einer kontinuierlichen Aufzeichnung der ST-Strecken, um vorübergehende, rezidivierende ST-Strecken-Hebungen oder -Senkungen identifizieren zu können. Auch bei asymptomatischen Patienten sind derartige Befunde ein Hinweis auf eine Ischämie. Zudem können Hochrisikopatienten erkannt werden, bei denen eine aggressivere Abklärung und Behandlung erforderlich sein können.

Qualifizierte Pflegekräfte können Rhythmusstörungen im EKG erkennen und Behandlungsprotokolle initiieren. Alle Mitarbeiter sollten wissen, wie man eine CPR (kardiopulmonale Reanimation) durchführt.

Unterstützende Behandlung

Die kardiologische Intensivstation sollte ein ruhiger Ort sein, der zur Entspannung des Patienten beiträgt. Einzelzimmer sind vorzuziehen, eine Privatsphäre mit Überwachungsfunktion sollte gesichert sein. Besuche und Telefongespräche sollten sich in den ersten Tagen auf Kontakt zu den engsten Angehörigen beschränken. Eine Wanduhr, ein Kalender und ein Außenfenster sind für die Orientierung des Patienten hilfreich. Auch ein Radio, Fernseher, Zeitung und/oder ein digitales Gerät tragen dazu bei, das Gefühl der Isolation zu verhüten.

Am 1. Tag können die Patienten ohne Komplikationen (z. B. hämodynamische Instabilität, anhaltende Ischämie) und diejenigen, bei denen eine Reperfusion mit Fibrinolytika oder einer perkutanen koronaren Intervention (PCI) erfolgreich war, außerhalb des Bettes sitzen, mit passiven krankengymnastischen Übungen beginnen und einen Nachtstuhl benutzen. Das Gehen zur Toilette und nicht anstrengende Schreibarbeiten können kurz darauf erlaubt werden. Patienten mit erfolgreicher, unkomplizierter primärer PCI bei akutem Myokardinfarkt können schnell ambulant behandelt und in 2 bis 4 Tagen sicher entlassen werden.

Bei einer nicht erfolgreichen Reperfusion oder bei Auftreten von Komplikationen muss die Bettruhe länger eingehalten werden. Mit einer Mobilisation sollte jedoch (v. a. bei älteren Patienten) so früh wie möglich begonnen werden. Längere Bettruhe führt zu einer schnellen körperlichen Dekonditionierung mit Entwicklung einer orthostatischen Hypotonie, verminderter Leistungsfähigkeit, erhöhter Herzfrequenz während körperlicher Belastung und einem erhöhten Risiko einer tiefen Venenthrombose. Zudem verstärkt eine verlängerte Bettruhe Gefühle der Depression und Hilflosigkeit.

Angst, Stimmungsschwankungen und Krankheitsverleugnung sind häufig. Ein leichtes Beruhigungsmittel (in der Regel ein Benzodiazepin) wird häufig gegeben, obwohl viele Fachleute der Auffassung sind, solche Medikamente seien selten nötig. Eine reaktive Depression tritt häufig am 3. Tag der Erkrankung und im Allgemeinen jederzeit während der Erholungsphase auf.

Nach der akuten Krankheitsphase sind die wichtigsten Aufgaben häufig die Behandlung der Depression, die Rehabilitation und der Aufbau eines Programms für die Langzeitprävention. Die Überbetonung der Bettruhe, Inaktivität und die Schwere der Erkrankung verstärken den Hang zu Angst und Depressivität. Deshalb werden die Patienten ermutigt, sich aufzusetzen, aufzustehen und sich so bald wie möglich mit geeigneten Aktivitäten zu beschäftigen. Der Patient sollte über die Auswirkungen der Krankheit, die Prognose und ein individuelles Rehabilitationsprogramm sorgfältig aufgeklärt werden.

Wichtig ist die Aufrechterhaltung der normalen Darmfunktion. Da der Patient sich hierbei nicht anstrengen soll, werden Laxanzien (z. B. Bisacodyl) gegeben. Eine Blasenentleerungsstörung ist bei älteren Patienten häufig, v. a. nach mehreren Tagen Bettruhe oder nach einer Therapie mit Atropin. Ein Blasenkatheter kann notwendig sein, wird aber gewöhnlich entfernt, wenn der Patient zur Blasenentleerung aufstehen oder sitzen kann.

Da das Rauchen nach einem Infarkt generell verboten ist, sollte der Krankenhausaufenthalt genutzt werden, den Patienten dazu ermutigen, damit aufzuhören. Alle an der Genesung Beteiligten wie Ärzte und Pflegepersonal sollten den Patienten vehement darin bestärken, endgültig auf das Rauchen zu verzichten.

Akut kranke Patienten haben nur wenig Appetit. Kleine, wohlschmeckende Mahlzeiten sind jedoch gut für das Befinden. Für gewöhnlich wird den Patienten eine Schonkost mit 1500–1800 kcal/Tag und reduziertem Natriumgehalt von 2–3 g angeboten. Liegt keine Herzinsuffizienz vor, ist die Natriumrestriktion nach den ersten 2–3 Tagen nicht mehr erforderlich. Weiterhin erhalten die Patienten eine Diät mit einem niedrigen Gehalt an Cholesterin und gesättigten Fetten, um eine gesunde Ernährungsweise einzuüben.

Für Patienten mit Diabetes und STEMI wird eine intensive Blutzuckerkontrolle nicht mehr empfohlen. Leitlinien fordern eine Insulin-basierte Behandlung, um einen Blutzuckerspiegel < 180 mg/dl (9,9 mmol/l) bei gleichzeitiger Vermeidung von Hypoglykämie zu erreichen und aufrechtzuerhalten.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Meine TJ, Roe MT, Chen AY, et al: Association of intravenous morphine use and outcomes in acute coronary syndromes: results from the CRUSADE Quality Improvement Initiative. Am Heart 149(6):1043-1049, 2005. doi: 10.1016/j.ahj.2005.02.010

  2. 2. Kubica J, Adamski P, Ostrowska M, et al: Morphine delays and attenuates ticagrelor exposure and action in patients with myocardial infarction: the randomized, double-blind, placebo-controlled IMPRESSION trial. Eur Heart J 37(3): 245–252, 2016. doi: 10.1093/eurheartj/ehv547

Rehabilitation und Behandlung nach dem Klinikaufenthalt

  • Funktionelle Bewertung

  • Veränderungen im Lebensstil: Regelmäßige Bewegung, Ernährungsumstellung, Gewichtsabnahme, Raucherentwöhnung

  • Medikamente: Fortsetzung von Aspirin, Betablocker, ACE-Hemmer und Statine

Funktionelle Bewertung

Patienten, bei denen bei der Aufnahme keine Koronarangiographie durchgeführt wurde, die keine Hochrisikomerkmale aufweisen (z. B. Herzinsuffizienz, rezidivierende Angina pectoris, ventrikuläre Tachykardie oder Kammerflimmern nach 24 Stunden, mechanische Komplikationen wie neue Geräusche, Schock) und die eine Ejektionsfraktion von > 40% haben, unabhängig davon, ob sie Fibrinolytika erhalten, sollten in der Regel vor oder kurz nach der Entlassung in irgendeiner Form einem Belastungstest unterzogen werden (siehe Tabelle Funktionelle Beurteilung nach Myokardinfarkt).

Tabelle

Aktivität

Die körperliche Aktivität wird in den ersten 3–6 Wochen nach der Entlassung allmählich gesteigert. Die Wiederaufnahme der sexuellen Aktivität ist häufig für die Patienten und ihre Partner von großer Bedeutung. Sie sollte zusammen mit anderen mäßig anstrengenden körperlichen Aktivitäten ermutigt werden. Bleibt eine gute Herzfunktion über 6 Wochen nach dem akuten Infarktgeschehen erhalten, können die meisten Patienten ihr normales Leben wieder aufnehmen. Ein regelmäßiges körperliches Übungsprogramm, das an Lebensstil, Alter und Herzstatus angepasst ist, vermindert das Risiko ischämischer Ereignisse und steigert das allgemeine Wohlbefinden. Beaufsichtigte Programme zur Herzrehabilitation senken die Mortalität nach Revaskularisierung (1)

Modifikation der Risikofaktoren

Die akute Krankheit und Therapie eines akuten Koronarsyndroms sollten dazu genutzt werden, den Patienten erheblich darin zu bestärken, die Risikofaktoren zu vermindern. Die Auswertung der körperlichen und emotionalen Verfassung und ein Gespräch darüber mit den Patienten, die Beratung zu einer geeigneten Lebensführung (z. B. Rauchen, Ernährung, Arbeit, Freizeitgewohnheiten, Sport) und eine massive Verminderung der Risikofaktoren können dazu beitragen, die Prognose zu verbessern.

Medikamente

Verschiedene Medikamente reduzieren das Mortalitätsrisiko nach einem Myokardinfarkt. Sie werden eingesetzt, wenn keine Kontraindikation oder Unverträglichkeit von Seiten des Patienten vorliegt:

  • Aspirin und andere Thrombozytenaggregationshemmer

  • Betablocker

  • Angiotensin-Converting-Enzym(ACE)-Hemmer

  • Statine

Aspirin und andere antithrombozytäre Medikamente verringern die Mortalitäts- und Reinfarktraten nach einem Myokardinfarkt. Zur Langzeittherapie wird dünndarmlösliches Aspirin in einer Dosierung von 100 mg/Tag empfohlen. Eine duale Antithrombozytentherapie mit Aspirin und einem P2Y12-Rezeptorblocker (z. B. Ticagrelor, Clopidogrel) für bis zu 1 Jahr wird empfohlen (2, 3).

Die Gabe von Betablockern zählt zur Standardtherapie. Die gängigsten Betablocker (z. B. Acebutolol, Atenolol, Metoprolol, Propranolol, Timolol) senken die Postinfarktmortalität für einen Zeitraum von mindestens 7 Jahren um etwa 25%.

ACE-Hemmer gehören ebenfalls zur Standard-Therapie und werden nach Möglichkeit allen Patienten nach Myokardinfarkt verabreicht, insbesondere wenn die Ejektionsfraktion nach Myokardinfarkt < 40% beträgt. Diese Medikamente können das Herz langfristig schützen, indem sie die Endothelfunktion verbessern. Wird ein ACE-Hemmer aufgrund von Nebenwirkungen wie Husten oder Hautausschlag nicht toleriert (nicht jedoch Angioödem oder Nierenfunktionsstörung), kann stattdessen ein Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonist gegeben werden.

Statine gehören ebenfalls zur Standardtherapie und werden routinemäßig unabhängig von den Lipidwerten verschrieben. Die Senkung des Cholesterinspiegels nach einem Myokardinfarkt vermindert die Rate rezidivierender ischämischer Ereignisse und die Mortalität bei Patienten mit erhöhtem oder normalem Cholesterinspiegel. Statine scheinen für Postinfarktpatienten, unabhängig vom initialen Cholesterinspiegel, günstig zu sein. Patienten nach Myokardinfarkt, deren primäres Problem ein niedriger HDL-Cholesterinspiegel oder ein erhöhter Triglycerid-Spiegel sind, können eventuell von einem Fibrat profitieren, jedoch ist deren Nutzen weniger eindeutig. Das Statin sollte auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden, es sei denn, es treten signifikante unerwünschte Wirkungen auf, und die Dosis sollte auf die maximal verträgliche Dosis erhöht werden.

Literatur zur Rehabilitation und Behandlung nach dem Klinikaufenthalt

  1. 1. Goel K, Lennon RJ, Tilbury RT, et al: Impact of cardiac rehabilitation on mortality and cardiovascular events after percutaneous coronary intervention in the community. Circulation 123:2344–2352, 20111. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.110.983536

  2. 2. Visseren FLJ, Mach F, Smulders YM, et al: 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: Developed by the Task Force for cardiovascular disease prevention in clinical practice with representatives of the European Society of Cardiology and 12 medical societies With the special contribution of the European Association of Preventive Cardiology (EAPC). Eur Heart J 42 (34): 3227–3337 2021. doi: 10.1093/eurheartj/ehab484

  3. 3. Wallentin L, Becker RC, Budaj A, et al: Ticagrelor versus clopidogrel in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 361:1045–1057, 2009. doi: 10.1056/NEJMoa0904327

Wichtige Punkte

  • Instabile Angina pectoris, NSTEMI und STEMI stellen sich verschlechternde Grade myokardialer Ischämie und Nekrose dar. Die Unterscheidungen helfen dabei, Prognose und Behandlung zu führen.

  • Die Diagnose basiert auf einem seriellen EKG und den Spiegeln kardialer Marker, insbesondere unter Verwendung neuer, hochsensitiver Troponin-T-Tests.

  • Die sofortige ärztliche Behandlung hängt vom spezifischen Syndrom und Charakteristika der Patienten ab, umfasst aber in der Regel Thrombozytenaggregationshemmer, Antikoagulanzien, Betablocker und bei Bedarf Nitrate (z. B. bei Brustschmerzen, Hypertonie, Lungenödem) und ein Statin, um die Prognose zu verbessern.

  • Bei instabiler Angina pectoris und NSTEMI wird innerhalb von 24–48 h nach Hospitalisation eine Angiographie durchgeführt, um Koronarläsionen zu identifizieren, die PCI oder CABG erfordern. Fibrinolyse ist nicht hilfreich.

  • Bei STEMI wird eine Notfall-PCI durchgeführt, wenn die Door-to-Balloon-Inflationszeit < 90 min beträgt. Fibrinolyse wird durchgeführt, wenn eine solche rechtzeitige PCI nicht verfügbar ist.

  • Nach der Genesung werden anfänglich oder weiterführend Aspirin und andere antithrombozytäre Medikamente, Betablocker, ACE-Hemmer und Statine in den meisten Fällen, sofern nicht kontraindiziert, gegeben.