Ätiologie der PBC
Die primäre biliäre Cholangitis (PBC) ist die häufigste Lebererkrankung mit chronischer Cholestase bei Erwachsenen. In den meisten Fällen (95%) sind Frauen im Alter von 35–70 Jahren betroffen. Die PBC tritt familiär gehäuft auf. Eine genetische Prädisposition, vielleicht unter Beteiligung des X-Chromosoms, ist wahrscheinlich. Es kann sich um eine erbliche Anomalie der Immunregulation handeln.
Autoimmune Mechanismen werden angenommen, da Antikörper gegen ein Antigen der inneren Mitochondrienmembran in > 95% der Fälle auftreten. Allerdings sind diese anti-mitochondrialen Antikörper (AMA), die serologischen Kennzeichen einer PBC, nicht zytotoxisch und nicht an der Zerstörung der Gallenepithelien beteiligt.
PBC ist mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert, wie z. B. systemische Sklerose Systemische Sklerose Systemische Sklerose ist eine seltene chronische Erkrankung unbekannter Ursache, die durch diffuse Fibrose und Gefäßanomalien in Haut, Gelenken und inneren Organen (insbesondere Speiseröhre... Erfahren Sie mehr , Sjögren-Syndrom Sjögren-Syndrom Das Sjögren-Syndrom ist eine relativ häufige, chronische, autoimmune, systemisch-entzündliche Erkrankung mit unbekannter Ätiologie. Es ist gekennzeichnet durch Trockenheit des Mundes, der Augen... Erfahren Sie mehr , CREST-Syndrom (auch bekannt als begrenzte Sklerodermie Systemische Sklerose Systemische Sklerose ist eine seltene chronische Erkrankung unbekannter Ursache, die durch diffuse Fibrose und Gefäßanomalien in Haut, Gelenken und inneren Organen (insbesondere Speiseröhre... Erfahren Sie mehr ) und autoimmune Thyreoiditis.
T-Zellen greifen die kleinen Gallengänge an. Das Ziel der CD4- und CD8-T-Lymphozyten sind die biliären Epithelzellen. Der Auslöser für den immunologischen Angriff auf die Gallengänge ist unbekannt. Der Kontakt mit einem fremden Antigen, wie z. B. mit einem infektiösen (bakteriell oder viral) oder toxischen Agens, kann das auslösende Ereignis darstellen. Diese fremden Antigene könnten strukturell endogenen Proteinen ähneln (molekulares Mimikry); die daraus resultierende immunologische Reaktion wäre dann autoimmun und selbstunterhaltend. Die Zerstörung und der Verlust der Gallenwege führen zu einer beeinträchtigten Gallebildung und Sekretion (Cholestase). Retinierte toxische Substanzen wie Gallensäuren verursachen dann weitere Schäden, insbesondere an den Hepatozyten. Die chronische Cholestase führt somit zur Leber- Entzündung und Narbenbildung in den Periportalfeldern. Beim Progress der Fiborse Hepatische Fibrose Unter einer Leberfibrose versteht man eine überschießende Wundheilung, bei der sich verstärkt Bindegewebe in der Leber einlagert. Extrazelluläre Matrix wird verstärkt produziert und/oder mangelhaft... Erfahren Sie mehr zur Zirrhose Leberzirrhose Die Leberzirrhose ist ein Spätstadium der Leberfibrose, die zu einer weit verbreiteten Zerstörung der normalen Leberarchitektur geführt hat. Die Zirrhose ist gekennzeichnet durch regenerative... Erfahren Sie mehr nimmt die Entzündung schliesslich ab.
Die AMA-negative PBC ist durch Autoantikörper wie antinukleäre Antikörper (ANA), Antikörper gegen die glatte Muskulatur oder beides gekennzeichnet und hat einen klinischen Verlauf und ein Ansprechen auf die Behandlung, die denen der PBC ähneln. AMA sind jedoch nicht vorhanden.
Symptome und Anzeichen von PBC
Über die Hälfte der Patienten ist symptomlos. Symptome können in jedem Stadium der Erkrankung auftreten, sie bestehen in allgemeiner Müdigkeit oder sind Ausdruck der Cholestase (und der resultierenden Fettmalabsorption, die Vitaminmangelzustände und Osteoporose verursacht), einer Leberfunktionsstörung oder einer Zirrhose Leberzirrhose Die Leberzirrhose ist ein Spätstadium der Leberfibrose, die zu einer weit verbreiteten Zerstörung der normalen Leberarchitektur geführt hat. Die Zirrhose ist gekennzeichnet durch regenerative... Erfahren Sie mehr .
Die Symptome entwickeln sich meist schleichend. Juckreiz, Müdigkeit sowie Mund- und Augentrockenheit sind initiale Symptome bei > 50% der Patienten und können weiteren Symptomen Monate und Jahre vorausgehen. Andere initiale Manifestationen sind Unwohlsein im rechten oberen Quadranten (10%), eine vergrößerte, harte, nicht druckschmerzhafte Leber (25%), Splenomegalie (15%), Hyperpigmentation (25%), Xanthelasmen (10%) und Gelbsucht (10%). Letztlich treten alle Befunde und Komplikationen der Zirrhose auf. Es können sich auch periphere Neuropathien und andere Autoimmunerkrankungen entwickeln, die mit der primär biliären Cholangitis in Zusammenhang stehen.
Diagnose von PBC
Leberbluttests: Cholestase mit erhöhter alkalischer Phosphatase
Positivität von antimitochondrialen Antikörpern (AMA) oder PBC-spezifischen Autoantikörpern (z. B. sp100 oder gp210)
Leberbiopsie: nicht-suppurative destruktive Cholangitis und Zerstörung der interlobulären Gallengänge
Die Diagnose wird bestätigt, wenn 2 der 3 oben genannten Kriterien erfüllt sind.
Bei asymptomatischen Patienten wird primäre biliäre Cholangitis zufällig festgestellt, wenn sich auffällige Lebertests, typischerweise eine Erhöhung von alkalischer Phosphatase und Gamma-Glutamyltransferase (GGT), zeigen. Der Verdacht auf PBC besteht bei Frauen mittleren Alters mit klassischen Symptomen (z. B. unerklärlicher Juckreiz, Müdigkeit, Beschwerden im rechten oberen Quadranten, Gelbsucht) oder Laborergebnissen, die auf eine cholestatische Lebererkrankung hindeuten: erhöhte alkalische Phosphatase (in der Regel höher als das 1,5-fache des Normalbereichs) und GGT, aber minimal abnorme Aminotransferasen (Alanin-Aminotransferase [ALT], Aspartat-Aminotransferase [AST], in der Regel weniger als das 5-Fache des Normalbereichs). In Frühstadien liegt das Serumbilirubin in der Regel im Normbereich; eine Bilirubinerhöhung weist auf eine Krankheitsprogression und Verschlechterung der Prognose hin.
Wenn der Verdacht auf eine PBC besteht, sollten Lebertests, Serum-IgM (erhöht bei PBC) und AMA bestimmt werden. ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay)-Tests sind zu 95% sensitiv und zu 98% spezifisch für PBC; falsch-positive Ergebnisse können bei autoimmuner Hepatitis (Typ 1) auftreten. Weitere Autoantikörper (z. B. antinukleäre Antikörper, Antikörper gegen glatte Muskulatur, Rheumafaktor) können nachweisbar sein. Eine extrahepatische Gallengangsobstruktion sollte ausgeschlossen werden. Die Ultraschalluntersuchung wird häufig zuerst durchgeführt, aber letztendlich ist eine Magnetresonanz-Cholangiopankreatographie (MRCP) und manchmal eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie (ERCP) erforderlich. Zur Bestätigung einer AMA-negativen PBC ist eine Leberbiopsie Leberbiopsie Die Leberbiopsie bietet Informationen über die histologische Struktur der Leber und den Nachweis einer Leberverletzung (Art und Grad, jede Fibrose); diese Informationen können nicht nur für... Erfahren Sie mehr erforderlich. Eine Leberbiopsie hilft, andere cholestatische Diagnosen auszuschließen (medikamenteninduzierte Lebererkrankung, Sarkoidose, PBC, biliäre Obstruktion, Autoimmunhepatitis) oder es besteht der Verdacht auf koexistierende Lebererkrankungen (Autoimmunhepatitis oder nichtalkoholische Steatohepatitis). Die Leberbiopsie kann pathognomonische Gallengangsläsionen erkennen, sogar in frühen Stadien. Wenn die PBC fortschreitet, ist sie morphologisch von anderen Formen der Zirrhose nicht mehr zu unterscheiden. Die Leberbiopsie ist auch hilfreich beim Staging der PBC.
Einige PBC-Patienten weisen Überschneidungen mit einer Autoimmunhepatitis auf (ALT mehr als das Fünffache des Normalbereichs, IgG mehr als das Zweifache des Normalbereichs, positive Anti-Glattmuskel-Antikörper und mäßige bis schwere Schnittstellenhepatitis in der Leberbiopsie).
Prognose bei PBC
Die Progressionsrate der PBC ist sehr unterschiedlich, meist schreitet sie zu Terminalstadien in 15–20 Jahren fort. Die Lebensqualität muss sich bei PBC über viele Jahre nicht verschlechtern. Zunächst symptomlose Patienten können Symptome über 2–7, aber auch erst über 10–15 Jahre entwickeln. Beim Auftreten von Symptomen beträgt die mediane Lebenserwartung 10 Jahre. Prädiktoren für ein schnelles Fortschreiten der Erkrankung sind:
schnelle Verschlechterung der Symptome
fortgeschrittenes histologisches Stadium
höheres Patientenalter
Vorliegen von Ödemen
Bestehen von assoziierten Autoimmunerkrankungen
Anomalien bei Bilirubin, Albumin, Prothrombinzeit oder International Normalized Ratio (INR)
Die Prognose wird beunruhigend, wenn der Juckreiz verschwindet, die Xanthome schrumpfen, sich Gelbsucht entwickelt und das Serumcholesterin abnimmt.
Behandlung von PBC
Stabilisierung oder Rückbildung der Leberschädigungen
Behandlung von Komplikationen (chronische Cholestase und Leberversagen)
Ggf. Lebertransplantation
Jegliche Alkoholzufuhr und potenziell hepatotoxische Medikamente sollten vermieden werden. Ursodeoxycholsäure (13-15 mg/kg p.o. einmal täglich) vermindert den Leberschaden, verlängert die Überlebenszeit und das Zeitintervall bis zur Notwendigkeit einer Lebertransplantation Lebertransplantation Lebertransplantationen stellen die zweithäufigsten Transplantationen solider Organe dar. (Siehe auch Übersicht Transplantation.) Zu den Indikationen für eine Lebertransplantation gehören Zirrhose... Erfahren Sie mehr . Etwa 40% der Patienten haben danach keine biochemische Verbesserung ≥ 12 Monate (alkalische Phosphatase weniger als das 1,5- bis 2-Fache des Normalbereichs und Normalisierung des gesamten Bilirubins); sie können eine fortgeschrittene Erkrankung haben und eine Lebertransplantation in wenigen Jahren erfordern. Obeticholsäure wird zusätzlich zu Ursodesoxycholsäure bei Patienten verwendet, die nicht adäquat reagieren, oder als Einzelwirkstoff, wenn Patienten Ursodesoxycholsäure nicht vertragen. Bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose, einem früheren Dekompensationsereignis oder kompensierter Zirrhose mit Anzeichen einer portalen Hypertension ist Obeticholsäure kontraindiziert, da sie Leberversagen verursachen kann.
Pruritus kann mit Cholestyramin 4 bis 16 g/Tag kontrolliert werden. Dieses Medikament bindet Gallensäuren und kann somit die Fettmalabsorption verstärken. Wenn Cholestyramin langfristig eingenommen wird, sollte eine Ergänzung von fettlöslichen Vitaminen erwogen werden. Cholestyramin kann die Resorption von Ursodeoxycholsäure reduzieren, weshalb diese Arzneimittel nicht gleichzeitig gegeben werden sollten. Cholestyramin kann auch die Resorption verschiedener Arzneimittel reduzieren; wenn Patienten ein Arzneimittel, das betroffen sein könnte, einnehmen, sollten sie darauf hingewiesen werden, das Arzneimittel nicht innerhalb von 1 Stunde vor oder 4 Stunden nach der Einnahme von Cholestyramin einzunehmen. Juckreiz kann eine der häufigsten Nebenwirkungen von Obeticholsäure sein und zum Abbruch der Behandlung führen.
Einige Patienten mit Pruritus sprechen auf Ursodeoxycholsäure und UV-Licht an; bei anderen kann ein Versuch mit Rifampicin, Naltrexon, Sertralin, Phenobarbital oder Antihistaminikum erforderlich sein.
Patienten mit Fettmalabsorption aufgrund eines Mangels an Gallensalz sollten mit Vitamin-A-, -D-, -E- und -K-Ergänzungen behandelt werden. Zur Vorbeugung von Osteoporose können zusätzlich zur Einnahme von Kalzium und Vitamin-D-Präparaten, eine körperliche Betätigungen sowie die Einnahme von Bisphosphonaten oder Raloxifen indiziert sein. In späteren Stadien bedürfen die portale Hypertonie Portale Hypertonie Eine portale Hypertonie ist ein erhöhter Druck in der Pfortader. Sie wird am häufigsten durch Zirrhose (in Nordamerika), Schistosomiasis (in endemischen Gebieten) oder hepatische Gefäßanomalien... Erfahren Sie mehr oder Komplikationen der Zirrhose Komplikationen Die Leberzirrhose ist ein Spätstadium der Leberfibrose, die zu einer weit verbreiteten Zerstörung der normalen Leberarchitektur geführt hat. Die Zirrhose ist gekennzeichnet durch regenerative... Erfahren Sie mehr einer Behandlung.
Die Lebertransplantation Lebertransplantation Lebertransplantationen stellen die zweithäufigsten Transplantationen solider Organe dar. (Siehe auch Übersicht Transplantation.) Zu den Indikationen für eine Lebertransplantation gehören Zirrhose... Erfahren Sie mehr bei der PBC zeigt hervorragende Ergebnisse. Zu den allgemeinen Indikation zählt die dekompensierte Leberkrankheit (unkontrollierbare Varizenblutungen, therapierefraktärer Aszites, nicht behandelbarer Pruritus und die hepatische Enzephalopathie). Die Überlebensraten nach Lebertransplantation betragen > 90% nach 1 Jahr, > 80% nach 5 Jahren und > 65% nach 10 Jahren. Antimitochondriale Antikörper neigen dazu, nach der Transplantation zu persistieren. Die primäre biliäre Cholangitis rezidiviert bei 15% der Patienten in den ersten Jahren und bei > 30% innerhalb von 10 Jahren. Die rezidivierende PBC nach Lebertransplantation scheint einen gutartigen Verlauf zu haben. Eine Zirrhose tritt selten auf.
AMA-negative PBC spricht ähnlich gut auf Ursodeoxycholsäure an.
Wichtige Punkte
Die primäre biliäre Cholangitis ist eine chronische progressive cholestatische Lebererkrankung, die durch eine Autoimmunreaktion in den kleinen Gallenwegen verursacht wird und fast ausschließlich bei Frauen im Alter von 35–70 Jahren auftritt.
Die PBC schreitet meist zum Terminalstadium in 15–20 Jahren fort.
Verdacht auf PBC besteht bei Patienten mit ungeklärter erhöhter alkalischer Phosphatase und Gamma-Glutamyltranspeptidase bei nur gering erhöhten Transaminasen, insbesondere bei konstitutionellen Symptomen oder Manifestationen einer Cholestase (z. B. Pruritus, Osteoporose, Vitamin-D-Mangel).
IgM und antimitochondriale Antikörper werden bestimmt sowie eine Bildgebung (zum Ausschluss einer extrahepatischen Gallengangsobstruktion) durchgeführt. Ziehen Sie eine Leberbiopsie in Betracht.
Die Einnahme von Hepatotoxinen (einschließlich Alkohol) muss gestoppt werden, und die Behandlung erfolgt mit Ursodeoxycholsäure, was eine Transplantation hinauszögern kann. Obeticholsäure ist die Behandlung der zweiten Wahl, aber sie ist bei dekompensierter Zirrhose kontraindiziert.
Eine Indikation zur Transplantation besteht bei dekompensierter Leberkrankheit (unkontrollierbare Varizenblutungen, therapierefraktärer Aszites, nicht behandelbarer Pruritus, hepatische Enzephalopathie).