Alkoholbedingte Lebererkrankung

(Alkoholische Leberkrankheit; Alkoholassoziierte Lebererkrankung)

VonWhitney Jackson, MD, University of Colorado School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Juli 2023
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Der Alkoholkonsum in den westlichen Ländern ist beträchtlich. Nach einer Umfrage die sich auf die Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fünfte Auflage (DSM-5) Definition der Alkoholkonsumstörung stützt, hatten im Jahr 2021 11,3% der US-amerikanischen Erwachsenen im Alter von 18 Jahren und älter im vergangenen Jahr eine Alkoholkonsumstörung (siehe National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism [NIAAA]: Alcohol Use Disorder (AUD) in the United States). Die NIAAA meldete einen Anstieg der Todesfälle im Zusammenhang mit Alkoholkonsum um 25,5%, d. h. von etwa 79.000 auf mehr als 99.000 pro Jahr im Zeitraum 2019 bis 2020, gegenüber einem Anstieg von 2,2% pro Jahr in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten, was auf einen Anstieg aufgrund der COVID-19-Pandemie schließen lässt (1).

Zu den Lebererkrankungen, die bei Menschen mit Alkoholkonsumstörung häufig nacheinander, manchmal aber auch nebeneinander auftreten, gehören

(See also the 2019 American Association for the Study of Liver Disease’s practice guidelines for Alcohol-Associated Liver Disease.)

Ein Leberzellkarzinom kann sich auch bei Patienten mit Zirrhose, vor allem bei koexistierender Eisenakkumulation, entwickeln.

Hinweis

  1. 1. White AM, Castle IP, Powell PA, et al: Alcohol-Related Deaths During the COVID-19 Pandemic. JAMA 327(17):1704-1706, 2022. doi:10.1001/jama.2022.4308

Risikofaktoren für Alkoholbedingte Lebererkrankung

Die wichtigsten Risikofaktoren bei alkoholischer Leberkrankheit sind

  • Menge und Dauer des Alkoholkonsums

  • Geschlecht

  • Genetische und metabolische Eigenschaften

  • Adipositas

Alkoholmenge

Ein alkoholisches Standardgetränk enthält 14 g Alkohol (z. B. eine 12-Unzen-Flasche Bier mit 5% Alkoholgehalt, ein 5-Unzen-Glas Wein, 1,5 Unzen Spirituosen mit 8% Alkoholgehalt) (siehe National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism (NIAAA): Konsummuster und ihre Definitionen).

Es scheint einen Schwelleneffekt zu geben, ab dem die Menge und die Dauer des Alkoholkonsums das Risiko für die Entwicklung einer Lebererkrankung erhöhen. Dieser Schwellenwert ist nicht bekannt und variiert je nach individuellen Risikofaktoren (1).

Die NIAAA definiert moderaten Alkoholkonsum als ein Standardgetränk pro Tag für Frauen und zwei Standardgetränke pro Tag für Männer (siehe auch Ernährungsrichtlinien für Amerikaner, 2020-2025). Die Weltgesundheitsorganisation erklärte jedoch, dass es kein sicheres Maß an Alkoholkonsum gibt, das die Gesundheit nicht beeinträchtigt (2).

Die NIAAA definiert "riskanten" (starken) Alkoholkonsum bei Männern als mehr als 14 Standardgetränke pro Woche oder mehr als 4 Getränke pro Tag und bei Frauen als mehr als 7 Standardgetränke pro Woche oder mehr als 3 Getränke pro Tag (siehe NIAAA: Alkoholkonsum: Definierte Grenzwerte).

Rauschtrinken kann auch alkoholbedingte Lebererkrankungen erhöhen. Die NIAAA definiert Rauschtrinken als ein Trinkmuster, das die Blutalkoholkonzentration auf 0,08 g/dl bringt, was typischerweise nach 4 Getränken für Frauen und 5 Getränken für Männer innerhalb von etwa 2 Stunden auftritt (siehe NIAAA: Alkoholkonsum: Definierte Grenzwerte).

Patienten mit alkoholbedingter Lebererkrankung oder anderen Lebererkrankungen, insbesondere nichtalkoholische Fettleber, nichtalkoholische Steatohepatitis, virale Hepatitis, und Hämochromatose oder jeglichem Alkoholkonsum, der zu negativen Folgen führt, sollten darauf hingewiesen werden, dass es kein sicheres Maß an Alkoholkonsum gibt und dass sie abstinent bleiben sollten.

The American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) empfiehlt, dass Patienten, die in der Primärversorgung und in gastroenterologischen/hepatologischen Ambulanzen, in Notaufnahmen und in Krankenhäusern (als stationäre Patienten) behandelt werden, routinemäßig mit validierten Fragebögen auf Alkoholkonsum untersucht werden. Patienten mit riskantem Alkoholkonsum (d. h. starkem Alkoholkonsum oder Rauschtrinken) sollte eine Kurzintervention, Pharmakotherapie und eine Überweisung zur Behandlung angeboten werden (3, 4). Die AASLD empfiehlt, bei Verdacht auf übermäßigen Alkoholkonsum den Alcohol Use Disorders Inventory Test (AUDIT) durchzuführen (3).

Alkohol-Biomarker wie Ethylglucuronid im Urin oder Haar, Ethylsulfat im Urin und Phosphatidylethanol (PEth) können zur Unterstützung der Patientenanamnese und der Genesung verwendet werden.

Geschlecht

Frauen sind auch nach Adjustierung der Körpergröße anfälliger für die alkoholische Lebererkrankung. Bei Frauen ist bereits ab einer Menge von 20-40 g Alkohol pro Tag – die Hälfte der für Männer gültigen Menge – das Risiko für die Entwicklung einer alkoholischen Leberschädigung erhöht. Eine möglicher Grund dafür könnte sein, dass Frauen weniger Alkohol-Dehydrogenase in ihrer Magenschleimhaut haben wodurch mehr unversehrter Alkohol die Leber erreicht.

Genetische Faktoren

Die alkoholische Leberkrankheit kommt oft familiär vor, möglicherweise spielen genetische Faktoren (z. B. ein Mangel an zytoplasmatischen Enzymen zur Alkoholelimination) eine Rolle.

Ernährungszustand

Eine Ernährung reich an ungesättigten Fettsäuren erhöht die Anfälligkeit ebenso wie Fettleibigkeit.

Andere Faktoren

Weitere Risikofaktoren sind Eisenakkumulation in der Leber (die nicht notwendigerweise mit der Eisenaufnahme assoziiert sein muss) und eine gleichzeitige Virushepatitis.

Literatur zu Risikofaktoren

  1. 1. Rehm J, Taylor B, Mohapatra S, et al: Alcohol as a risk factor for liver cirrhosis: a systematic review and meta-analysis. Drug Alcohol Rev 29(4):437-445, 2010. doi:10.1111/j.1465-3362.2009.00153.x

  2. 2. Anderson BO, Berdzuli N, Ilbawi A, et al: Health and cancer risks associated with low levels of alcohol consumption. Lancet Public Health 8(1):e6-e7, 2023. doi: 10.1016/S2468-2667(22)00317-6

  3. 3. Crabb DW, Im GY, Szabo G, et al: Diagnosis and Treatment of Alcohol-Associated Liver Diseases: 2019 Practice Guidance From the American Association for the Study of Liver Diseases. Hepatology 71(1):306-333, 2020. doi:10.1002/hep.30866

  4. 4. Saunders JB, Aasland OG, Babor TF, et al: Development of the Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT): WHO Collaborative Project on Early Detection of Persons with Harmful Alcohol Consumption--II. Addiction 88(6):791-804, 1993. doi:10.1111/j.1360-0443.1993.tb02093.x

Pathophysiologie der alkoholbedingten Lebererkrankung

Alkoholabsorption und Stoffwechsel

Alkohol (Äthanol) wird rasch im Magen und Dünndarm resorbiert. Alkohol kann nicht gespeichert werden. Eine kleine Menge wird im Transit durch die Magenschleimhaut abgebaut. Die größte Menge wird jedoch in der Leber abgebaut, vor allem durch Alkohol-Dehydrogenase (ADH), aber auch durch Cytochrom-P-450 2E1 (CYP2E1) und dem mikrosomalen Enzym-Oxidation-System (MEOS).

Der ADH-Signalweg beinhaltet folgende Stoffwechselprozesse:

  • ADH, ein zytoplasmatisches Enzym oxidiert Alkohol in Acetaldehyd. Genetische ADH Polymorphismen tragen zu individuell unterschiedlichen Alkoholspiegeln im Blut nach gleichem Alkoholkonsum, jedoch nicht zur Anfälligkeit für die Entwicklung einer alkoholischen Lebererkrankung bei.

  • Acetaldehyd-Dehydrogenase (ALDH), ein mitochondriales Enzym oxidiert Acetaldehyd zu Acetat. Chronischer Alkoholgebrauch erhöht die Acetatbildung. Menschen asiatischer Abstammung haben oft einen niedrigeren Acetaldehyd-Dehydrogenase-Spiegel und sind anfälliger für toxische Acetaldehyd-Effekte (z. B. Flush); die Wirkungen ähneln denen von Disulfiram, das die Acetaldehyd-Dehydrogenase hemmt.

  • Bei diesen oxidativen Reaktionen wird Wasserstoff gebildet, der Nikotinamidadenindinucleotid (NAD) zu NADH reduziert und damit das Redoxpotenzial (NADH/NAD) in der Leber erhöht.

  • Das erhöhte Redoxpotenzial hemmt die Oxidation von Fettsäuren und Glukoneogenese, wodurch die Ansammlung von Fett in der Leber gefördert wird.

Chronischer übermäßiger Alkoholkonsum induziert das MEOS (hauptsächlich im endoplasmatischen Retikulum) und erhöht dessen Aktivität. Das wichtigste Enzym, das beteiligt ist, ist CYP2E1. Das induzierte MEOS-System kann 20% zum Alkoholmetabolismus beitragen. Dadurch werden schädliche reaktive Sauerstoff-Spezies erzeugt, die zu oxidativem Stress und zur Bildung von O2-freien Radikalen führen.

Fettansammlung in der Leber

Fett (Triglyceride) kann sich in den Hepatozyten aus den folgenden Gründen ansammeln:

  • Export von Fett in der Leber wird verringert, da die hepatische Fettsäureoxidation und die Lipoproteinproduktion abnimmt.

  • Erhöhte Fetteinlagerung, da aufgrund eines abnehmenden hepatischen Fettexports die periphere Lipolyse und Triglyceridsynthese ansteigt, die zur Hyperlipidämie führt.

Die Ansammlung von Fett in der Leber erhöht die Prädisposition gegenüber oxidativer Leberschädigung.

Endotoxine im Darm

Alkohol verändert die Darmpermeabilität, wodurch es zur zunehmenden Aufnahme von Endotoxinen, die aus Bakterien im Darm freigesetzt werden, kommt. In Reaktion auf die Endotoxine (die die geschädigte Leber nicht mehr entgiften kann) kommt es zur Freisetzung von freien Radikalen aus Leber-Makrophagen (Kupffer-Zellen), die die oxidative Leberschädigung verstärken.

Oxidative Schädigung

Oxidativer Stress wird erhöht durch

  • Alkoholkonsum-induzierten Hypermetabolismus der Leber

  • Lipid-Peroxidation induzierte freie Radikale

  • alkoholbedingte Unterernährung induzierte Reduktion von schützenden Antioxidantien (z. B. Glutathion, Vitamin A und E)

  • Bindung von Alkoholoxidationsprodukten, wie Acetaldehyd, an Leberzellproteine wodurch Neoantigene und eine Entzündung induziert werden

  • Akkumulation von Neutrophilen und anderen weißen Blutkörperchen (WBK), die von lipidperoxidativen Schäden und Neoantigenen induziert werden

  • Freisetzung von inflammatorischen Zytokinen aus Leukozyten

Eine eventuelle Akkumulation von Eisen in der Leber kann die oxidativen Schäden verstärken. Eisen kann bei alkoholischer Leberkrankheit durch Zufuhr von eisenhaltigem Wein - oft ist diese Eisen-Akkumulation moderat - akkumulieren. Dieser Zustand kann von hereditärer Hämochromatose differenziert werden.

Resultierende Entzündungen, Zelltod und Fibrose

Folgende Faktoren können die Entzündung verschlimmern: Zellnekrose und Apoptose verursachen den Verlust von Hepatozyten und anschließende Versuche der Leberregeneration tragen zur Entwicklung einer Leberfibrose bei. Stellat-(Ito-)Zellen proliferieren und verwandeln sich in Myofibroblasten, die Kollagen Typ I bzw. extrazelluläre Matrix produzieren. Daraus resultiert eine Verengung der Sinusoide und terminalen Lebervenen, die zur Abnahme der Leberperfusion und zur Entstehung der portalen Hypertension beiträgt. Eine Fibrose verengt die hepatischen Venolen, was die Leberperfusion beeinträchtigt und so zu einer portalen Hypertonie beiträgt. Die zunehmende Leberfibrose verursacht einen nodulären Leberumbau und kann somit in eine Leberzirrhose münden. Dieser Prozess gipfelt in einer Zirrhose.

Pathologie der alkoholbedingten Lebererkrankung

Hepatische Steatose, alkoholische Hepatitis und Zirrhose werden häufig als separate progressive Manifestationen der alkoholischen Lebererkrankung betrachtet, treten jedoch oft gleichzeitig auf.

Alkoholbedingte hepatische Steatose (Fettleber) ist die initiale und häufigste Folge von übermäßigem Alkoholkonsum. Die hepatische Steatose ist potenziell reversibel. Bei der makrovesikuläre Verfettung wird Fett als große Triglycerid-Tropfen abgelagert und verdrängt die Hepatozytenkerne. Dies ist am deutlichsten in perivenulären Hepatozyten ausgeprägt und führt zu einer Lebervergrösserung. Die Leber vergrößert sich.

Die alkoholische Hepatitis (Steatohepatitis) ist eine Kombination aus Hepatosteatose und einer diffusen Leberentzündung, einhergehend mit Leberzellnekrosen (häufig fokal). Diese Schädigungsmuster können mit jeweils unterschiedlichem Schweregrad ausgeprägt sein. Die geschädigten Hepatozyten weisen ein granuläres Zytoplasma auf und sind geschwollen (Ballonierung) oder enthalten fibrilläre Proteine im Zytoplasma (Mallory- oder alkoholische Hyalin-Körperchen). Schwer geschädigte Hepatozyten werden nekrotisch. Diese Prozesse können zur Verengung von Sinusoiden und terminalen Lebervenen sowie zur Entwicklung einer Leberzirrhose führen. Es kann auch eine Leberzirrhose vorhanden sein.

Unter einer alkoholischen Zirrhose versteht man eine fortgeschrittene Leberkrankheit, die durch das Endstadium der Leberfibrose mit Zerstörung der normalen Leberarchitektur charakterisiert ist. Der Fettgehalt kann variieren. Eine alkoholische Hepatitis kann gleichzeitig bestehen. Der Versuch einer kompensatorischen Leberregeneration führt zur Bildung relativ kleiner Knoten (mikronoduläre Zirrhose). Als Ergebnis schrumpft in der Regel die Leber. Im Verlauf entwickeln sich breitere Septen, die zur Formation von größeren Knoten in der Leber führen (makronoduläre Zirrhose – siehe Zirrhose: Pathophysiologie).

Symptome und Zeichen der alkoholischen Leberkrankheit

Symptome treten in der Regel bei Patienten im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt auf, schwerere Komplikationen treten ca. eine Dekade später auf.

Alkoholbedingte hepatische Steatose ist häufig asymptomatisch. Bei einem Drittel der Patienten ist die Leber vergrößert und weich, aber in der Regel nicht druckempfindlich.

Die alkoholische Hepatitis reicht von einer milden reversiblen bis zur lebensbedrohlichen Krankheit. Die meisten Patienten mit einer moderat verlaufenden Erkrankung sind mangelernährt und weisen Müdigkeit, Fieber, Ikterus, Schmerzen im rechten Oberbauch und eine druckempfindliche Lebervergrößerung auf. Bei ungefähr 40% der Patienten verschlechtert sich der Zustand rasch nach stationärer Aufnahme mit leichten (z. B. zunehmender Ikterus) bis schwerwiegenden (z. B. Aszites, portosystemische Enzephalopathie, Varizenblutung, Leberversagen, Gerinnungsstörung) Komplikationen. Dabei können weitere Manifestationen der Leberzirrhose auftreten.

Eine kompensierte Leberzirrhose kann asymptomatisch sein. Die zirrhotische Leber ist in der Regel klein. Wenn die zirrhotische Leber vergrößert ist, sollte geprüft werden, ob eine Lebersteatose oder eine Leberraumforderung vorliegt. Die Symptome reichen von denen einer alkoholischen Hepatitis zu den Komplikationen der Lebererkrankungen im Endstadium, wie portale Hypertonie (oft mit Ösophagusvarizen und Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt, Splenomegalie, Aszites und portosystemische Enzephalopathie). Eine portale Hypertonie kann zu intrapulmonalen arteriovenösen Shunts mit Hypoxämie (hepatopulmonales Syndrom) führen, die Zyanose und Trommelschlägelfinger verursachen können. Weiterhin kann sich ein akutes Nierenversagen aufgrund des progressiv abnehmenden renalen Blutfluss (hepatorenales Syndrom) entwickeln. Ein hepatozelluläres Karzinom entwickelt sich bei 10–15% der Patienten mit einer alkoholbedingten Zirrhose.

Chronischer übermäßiger Alkoholkonsum verursacht eher als eine Lebererkrankung eine Dupuytren-Kontraktur der Palmarfaszie, Spider-Naevi, Myopathie und eine periphere Neuropathie. Bei Männern verursacht chronisch übermäßiger Alkoholkonsum Anzeichen von Hypogonadismus und Feminisierung (z. B. glatte Haut, fehlende männliche Glatze, Gynäkomastie, Hodenatrophie, verminderte Körperbehaarung). Unterernährung kann zu multiplem Vitaminmangel (z. B. von Folsäure und Vitamin B), zu Parotisvergrösserung und Nagelveränderungen führen. Bei Patienten mit chronischem übermäßigem Alkoholkonsum, Wernicke-Enzephalopathie und Korsakoff-Psychose resultieren hauptsächlich aus Thiaminmangel. Pankreatitis kommt häufig vor. Bei > 25% der Personen mit Alkoholproblemen tritt Hepatitis C auf; diese Kombination verschlimmert das Fortschreiten der Lebererkrankung erheblich.

Selten weisen Patienten mit Lebersteatose oder Leberzirrhose ein Zieve-Syndrom (Hyperlipidämie, hämolytische Anämie und Gelbsucht) auf.

Diagnose der alkoholbedingte Lebererkrankung

  • Bestätigte Anamnese des Alkoholkonsums

  • Alkohol-Biomarker

  • Lebertests und Gesamtblutbild (CBC)

  • Ggfs. Leberbiopsie

Alkohol wird als Ursache der Lebererkrankung bei Patienten angenommen, die regelmäßig grössere Mengen von Alkohol konsumieren, insbesondere > 80 g/Tag. Patienten können mithilfe des CAGE-Fragebogens auf eine Alkoholkonsumstörung untersucht werden (Cut down needed, Annoyed by criticism, Guilty, need for a morning Eye-opener; reduzieren nötig, genervt von Kritik, schuldbewusst, Bedarf an einem morgendlichen Augenöffner - siehe Detecting alcoholism. The CAGE questionnaire) oder AUDIT (siehe Alcohol Use Disorders Identification Test). Wenn Zweifel am Alkoholkonsum des Patienten bestehen, kann die Anamnese durch Familienmitglieder oder Alkohol-Biomarker bestätigt werden. Ethylglucuronid im Urin oder Haar, Ethylsulfat im Urin und Phosphatidylethanol (PEth) werden durch Lebererkrankungen nicht beeinflusst. PeTH ist besonders nützlich, weil es eine Halbwertszeit von etwa 10 bis 14 Tagen hat, die sich bei chronisch starkem Alkoholkonsum verlängert. Es gibt keinen spezifischen Test für alkoholbedingte Lebererkrankungen, aber bei Verdacht auf die Diagnose werden Lebertests (Prothrombinzeit, Serumbilirubin-, Aminotransferase-, Albumin-Spiegel) und Gesamtblutbild durchgeführt, um Anzeichen von Leberschäden und Anämie zu erkennen.

Die Transaminasenerhöhung ist zumeist moderat (< 300 I.E./l) und spiegelt nicht das Ausmaß der Leberschädigung wider. Das Verhältnis von Aspartataminotransferase (AST) zu Alaninaminotransferase (ALT) beträgt 2. Als mögliche Ursache für die niedrige GPT wird ein Nährstoffmangel an Vitamin B6, das für die Funktion des Enzyms benötigt wird, diskutiert. Seine Wirkung auf die GOT ist geringer ausgeprägt. Die Erhöhung der Gamma-Glutamyltransferase (GGT) ist möglicherweise mehr auf eine Alkohol-bedingte Enzyminduktion zurückzuführen und weniger auf eine Cholestase, Leberschädigung oder Medikamenteneinnahme. Eine Serumalbuminerniedrigung ist in der Regel auf Unterernährung zurückzuführen, kann aber auch im Rahmen eines akuten oder chronischen Leberversagens eine mangelnde Lebersyntheseleistung anzeigen. Eine Makrozytose mit einem mittleren korpuskulären Volumen > 100 fL spiegelt die direkte Wirkung des Alkohols auf das Knochenmark sowie eine makrozytäre Anämie infolge eines Folsäuremangels wider, der bei unterernährten Menschen mit Alkoholkonsumstörung häufig auftritt. Parameter des Schweregrads der Lebererkrankung sind:

  • Serumbilirubin, das die sekretorische Funktion zeigt

  • Prothrombinzeit oder INR (international normalized ratio), die die Lebersyntheseleistung widerspiegeln

Eine Thromobozytopenie kann durch direkte alkoholtoxische Schädigung des Knochenmarks oder durch eine Splenomegalie bei portaler Hypertonie verursacht sein. Neutrophile Leukozytose können von einer alkoholischen Hepatitis herrühren, wobei eine gleichzeitig bestehende Infektion (insbesondere Pneumonie und spontane bakterielle Peritonitis) in Betracht gezogen werden sollte.

Bildgebende Verfahren der Leber werden routinemäßig zur Diagnosestellung nicht benötigt. Wird die abdominale Ultraschalluntersuchung oder das CT aus anderen Gründen durchgeführt, kann dies auf eine Hepatosteatose hindeuten oder eine Splenomegalie, Anzeichen einer portalen Hypertonie oder Aszites zeigen. Die transiente Elastographie misst die Lebersteifigkeit und erkennt somit fortgeschrittene Fibrose. Durch diese nicht invasive Methode kann eine Leberbiopsie zur Abklärung einer fortgeschrittenen Leberfibrose und der damit assoziierten Prognose eventuell vermieden werden. Die Wertigkeit dieses Verfahrens wird derzeitg in Studien weiter untersucht.

Bei Patienten mit Verdacht auf eine alkoholische Leberkrankheit sollten andere (zusätzliche) Ursachen von Lebererkrankungen, v. a. eine Virushepatitis, abgeklärt werden.

Weil sich die Merkmale von Hepatosteatose, Alkoholihepatitis und Zirrhose überschneiden, ist es nützlicher, die präzisen Befunde zu beschreiben, als Patienten einer bestimmten Kategorie zuzuordnen, die nur durch eine Leberbiopsie bestimmt werden kann.

Nicht alle Experten sind sich einig über die Indikationen für eine Leberbiopsie. Folgende Indikationen zur Durchführung einer Leberbiopsie wurden vorgeschlagen:

  • Unklare klinische Diagnose (z. B. unklare, dauerhaft erhöhte Transaminasen trotz Alkoholkarenz)

  • Klinischer Verdacht auf > 1 Ursache von Lebererkrankungen (z. B. Alkohol plus Virushepatitis)

  • Abklärung des Ausmasses der Leberschädigung und der Prognose

Die Biopsie kann Hinweise auf die Ursache der Lebererkranung liefern. Gleichzeitig kann das Ausmass (z. B. entzündliche Aktivität und Fibrosestadium) der Leberschädigung ermittelt werden. Wenn eine Eisenablagerung beobachtet wird, sollte eine Eisenbestimmung im Lebergewebe sowie eine genetische Analyse zum Ausschluss einer hereditären Hämochromatose als Ursache ausgeschlossen werden.

Für stabile Patienten mit Leberzirrhose empfiehlt die American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD), dass die Leber-Sonographie, mit oder ohne Alpha-Fetoprotein (AFP)- Messung, alle 6 Monate durchgeführt werden sollte um auf ein Leberzellkarzinom zu untersuchen. Sie schlagen auch vor, dass bei Patienten mit Zirrhose der Klasse C des Kindes keine Überwachung durchgeführt wird, es sei denn, sie befinden sich wegen ihrer geringen Überlebenserwartung auf der Warteliste für Transplantationen (1).

Diagnosehinweis

  1. 1. Heimbach JK, Kulik LM, Finn RA, et al: AASLD guidelines for the treatment of hepatocellular carcinoma. Hepatology 67(1):358-380, 2018. doi: 10.1002/hep.29086

Behandlung der alkoholbedingte Lebererkrankung

  • Abstinenz

  • Begleitbehandlung

  • Kortikosteroide und (par)enterale Ernährung bei schwerer alkoholischer Hepatitis

  • Ggfs. Transplantation

Alkoholrestriktion

Abstinenz ist die tragende Säule der Behandlung; sie verhindert eine weitere Leberschädigung und führt zur Lebensverlängerung. Weil die Compliance bei diesen Patienten problematisch sein kann, sollte eine multidisziplinäre Behandlungsstrategie angestrebt werden. Verhaltenstherapie und psychosoziale Mitbetreuung können helfen, die Patienten zu motivieren. Dabei sollten Rehabilitationsprogramme, Selbsthilfegruppen (siehe Alkoholkrankheiten und Rehabilitation: Versorgung) sowie eine der Motivationssteigerung dienende Mitbetreuung durch Ärzte und Psychologen berücksichtigt werden.

Arzneimittel, wenn sie verwendet werden, sollten andere Interventionen ergänzen. Dabei scheinen Opioid-Antagonisten (z. B. Naltrexon) und Medikamente, die Gamma-Aminobuttersäure-Rezeptoren verändern (z. B. Baclofen) einen kurzfristigen Nutzen zu haben. Disulfiram hemmt die Aldehyd-Dehydrogenase, wodurch Azetaldehyd angesammelt wird; dies verursacht bei Alkoholgenuss innerhalb von 12 h nach EInnahme von Disulfiram Errröten und andere unangenehme Effekte. Allerdings hat sich gezeigt, dass Disulfiram die Abstinenz nicht fördert und wird daher nur für bestimmte Patienten empfohlen.

Begleitmaßnahmen

Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf Begleitmaßnahmen. Eine nährstoffreiche Diät mit Zusätzen von Vitaminen (v. a. B-Vitamine) ist wichtig während der ersten Tage der Alkoholabstinenz. Der Alkoholentzug kann die Gabe von Benzodiazepinen (z. B. Diazepam) erfordern. Bei Patienten mit fortgeschrittener alkoholischer Lebererkrankung kann eine übermäßige Sedierung eine portosystemische Enzephalopathie auslösen und sollte daher vermieden werden.

Eine schwere akute alkoholische Hepatitis bedarf in der Regel eines Krankenhausaufenthaltes, wobei häufig eine intensivmedizinische Versorgung notwendig wird (parenterale Ernährung, Behandlung von Komplikationen wie z. B. Infektionen, Blutungen aus Ösophagusvarizen, portosystemische Enzephalopathie, Korsakow-Psychose, Elektrolytentgleisungen, portale Hypertonie, Aszites, Leberversagen.

Spezifische Behandlung

Kortikosteroide (z. B. Prednisolon 40 mg/Tag oral über 4 Wochen, gefolgt von ausschleichender Dosierung) können die Resultate bei Patienten mit schwerer akuter alkoholischer Hepatitis (Maddrey-Diskriminanzfunktion ≥ 32), die keine Infektionen, gastrointestinale Blutungen, Nierenversagen oder Pankreatitis haben, verbessern (1). In einer großen prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie zeigte Prednisolon eine Tendenz zur Verringerung der 28-Tage-Sterblichkeit, erreichte aber keine statistische Signifikanz (2). Daher können die Kortikosteroide vor Abschluss einer 4-wöchigen Behandlung abgesetzt werden, wenn der Lille-Score am Tag 7 kein Ansprechen auf die Kortikosteroide zeigt (3).

Außer Kortikosteroiden und enteraler Ernährung sind wenige spezifische Behandlungen eindeutig etabliert. Antioxidanzien (z. B. S-Adenosyl-L-Methionin, Phosphatidylcholine, Metadoxine) zeigen eine günstige Wirkung im Hinblick auf die Verbesserung der Leberschädigung, die jedoch in weiteren Studien belegt werden muss. Medikamente, die auf Zytokine wirken, besonders Tumornekrosefaktor (TNF)-Alpha, und damit die Entzündung reduzieren, führten zu unterschiedlichen Ergebnissen in kleineren Studien. Pentoxifyllin, ein Phosphodiesterase-Inhibitor, der die Tumornekrosefaktor-Alpha Synthese hemmt, hat verschiedene Ergebnisse bei klinischen Versuchen mit Patienten mit schwerer alkoholischer Hepatitis erbracht. Beim Einsatz von anti-Tumornekrosefaktor-Alpha Antikörpern (z. B. Infliximab, Etanercept) ist zu berücksichtigen, dass dabei schwere Infektionen auftreten können, so dass das Risiko den Nutzen übersteigt. Medikamente, um die Fibrose zu reduzieren (z. B. Colchicin, Penizillamin) und Medikamente, die gegeben werden, um den Hypermetabolismus bei alkoholischer Lebererkrankung zu normalisieren (z. B. Propylthiouracil), haben keinen nachgewiesenen Nutzen. Eine positive Wirkung von Antioxidanzien wie Silymarin (Mariendistel) und Vitamin A und E konnte bisher nicht belegt werden.

Eine Lebertransplantation bei alkoholbedingter Zirrhose sollte bei allen Patienten mit dekompensierter Lebererkrankung (Aszites, spontane bakterielle Peritonitis, Varizenblutung, hepatische Enzephalopathie) trotz Abstinenz in Betracht gezogen werden. Mit einer Transplantation sind die 5-Jahres-Überlebensraten vergleichbar mit denen von Patienten, deren Lebererkrankung nicht auf Alkohol zurückzuführen ist. Die American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) erkennt die Grenzen einer "6-Monats-Regel" für Abstinenz an und empfiehlt stattdessen, sich bei der Beurteilung der Kandidaten auf die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit der Abstinenz vor und nach der Transplantation zu konzentrieren, unabhängig von der Dauer der Nüchternheit (siehe Evaluation für Lebertransplantation bei Erwachsenen: Praxisleitlinie 2013). Während der COVID-19-Pandemie stieg die Zahl der auf der Warteliste für eine Transplantation stehenden Personen um mehr als 50% im Vergleich zu den Prognosen vor der COVID-Pandemie, was möglicherweise auf die Zunahme von Alkoholkonsumstörungen sowie auf Änderungen in der Risikostratifizierung der Transplantationszentren zurückzuführen ist (4, 5).

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Rambaldi A, Saconato HH, Christensen E, et al: Systematic review: Glucocorticosteroids for alcoholic hepatitis—A Cochrane Hepato-Biliary Group systematic review with meta-analyses and trial sequential analyses of randomized clinical trials. Aliment Pharmacol Ther 27(12):1167-1178, 2008. doi: 10.1111/j.1365-2036.2008.03685.x

  2. 2. Thursz MR, Richardson P, Allison M, et al: Prednisolone or pentoxifylline for alcoholic hepatitis. N Engl J Med 372:1619-1628, 2015. doi: 10.1056/NEJMoa1412278

  3. 3. Forrest EH, Atkinson SR, Richardson P, et al: Application of prognostic scores in the STOPAH trial: Discriminant function is no longer the optimal scoring system in alcoholic hepatitis. J Hepatol 68(3):511-518, 2018. doi: 10.1016/j.jhep.2017.11.017

  4. 4. Anderson MS, Valbuena VSM, Brown CS, et al: Association of COVID-19 With New Waiting List Registrations and Liver Transplantation for Alcoholic Hepatitis in the United States. JAMA Netw Open 4(10):e2131132, 2021. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.31132

  5. 5. Bittermann T, Mahmud N, Abt P: Trends in Liver Transplantation for Acute Alcohol-Associated Hepatitis During the COVID-19 Pandemic in the US. JAMA Netw Open 4(7):e2118713, 2021. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.18713

Prognose für alkoholbedingte Lebererkrankung

Die Prognose wird im Wesentlichen durch das Ausmaß der Leberfibrose und Entzündung bestimmt. Hepatische Steatose und alkoholische Hepatitis ohne Fibrose sind reversibel, wenn Alkohol vermieden wird. Bei Abstinenz kann sich die hepatische Steatose innerhalb von 6 Wochen vollständig erholen. Fibrose und Zirrhose sind in der Regel irreversibel.

Bestimmte Biopsiebefunde (z. B. Neutrophile und perivenuläre Fibrose) deuten auf eine schlechtere Prognose hin. Vorgeschlagen werden quantitative Indizes zur Vorhersage von Schweregrad und Mortalität, die in erster Linie Labormerkmale des Leberversagens wie Prothrombinzeit, Kreatinin (bei hepatorenalem Syndrom) und Bilirubinspiegel widerspiegeln. Zur Prognoseeinschätzung bei alkoholischer Lebererkrankung kann der Maddrey-Score verwendet werden, der nach folgender Formel berechnet wird:

equation

Für diese Formel wird Bilirubin in mg/dl angegeben (umgerechnet von Bilirubin in Mikromol/l dividiert durch 17). Ein Wert von > 32 ist mit einer hohen kurzfristigen Sterblichkeit (35% der Patienten ohne Enzephalopathie und 45% der Patienten mit Enzephalopathie sind nach einem Monat verstorben) verbunden. Weitere prognostische Scores sind der MELD(Model for End-Stage Liver Disease)-Score, der Glasgow-Score für alkoholische Hepatitis und das Lille-Score. Bei Patienten ≥ 12 Jahre wird der MELD-Score nach folgender Formel berechnet:

equation

Wenn sich eine Zirrhose und ihre Komplikationen (Aszites, Blutungen) einmal manifestiert haben, liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei ca. 50%; das Überleben ist höher bei abstinenten Patienten und niedriger, wenn der Patient weiterhin drinkt.

Die Koexistenz von Eisenakkumulation oder chronischer Hepatitis-C erhöht das Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms.

Wichtige Punkte

  • Das Risiko für Leberkrankheiten erhöht sich deutlich für Männer, die > 40 g, insbesondere > 80 g Alkohol/Tag (z. B. etwa 2–8 Becher Bier, 3–6 Gläser Wein oder 3–6 Gläser Schnaps) über einen Zeitraum von > 10 Jahren zu sich nehmen; das Risiko für Frauen erhöht sich deutlich, wenn sie etwa die Hälfte davon zu sich nehmen.

  • Screening der Patienten mit dem AUDIT- oder CAGE-Fragebogen und bei Zweifeln über den Alkoholkonsum des Patienten die Verwendung von Alkohol-Biomarkern in Betracht ziehen.

  • Zur Prognoseeinschätzung sollten ungünstige histologischen Befunde (z. B. Neutrophile, perivenuläre Fibrose) und die Verwendung einer Formel (z. B. Maddrey-Score, MELD [Model for End-Stage Liver Disease]-Score) in Erwägung gezogen werden.

  • Die Bedeutung von Abstinenz muss hervorgehoben, unterstützende Pflege angeboten sowie eine stationäre Aufnahme erwogen und Kortikosteroide bei Patienten mit schwerer akuter Alkoholhepatitis gegeben werden.

  • Bei Patienten mit dekompensierter Lebererkrankung (Aszites, spontane bakterielle Peritonitis, Varizenblutung, hepatische Enzephalopathie) trotz Abstinenz ist eine Lebertransplantation zu erwägen.