Jahrelang galt Erythema multiforme als Manifestation des leichten Spektrums der Hypersensitivitätsreaktionen auf Arzneimittel und gehörte damit zur selben Krankheitsgruppe wie das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse. Inzwischen gibt es jedoch Belege dafür, dass sich EM von diesen anderen Krankheiten unterscheidet.
Ätiologie
Die Mehrzahl der Fälle wird verursacht durch
HSV-1 ist eher eine Ursache als HSV-2, obwohl unklar ist, ob EM-Läsionen eine spezifische oder unspezifische Reaktion auf das Virus darstellen. Derzeit wird angenommen, dass EM durch eine T-Zell-vermittelte zytolytische Reaktion auf die HSV-DNA-Fragmente in den Keratinozyten entsteht. Eine genetische Prädisposition wird angenommen, da EM eine so seltene klinische Manifestation der HSV-Infektion ist, und mehrere HLA-Subtypen sind mit der Veranlagung, Läsionen zu entwickeln, in Verbindung gebracht worden.
Seltenere Ursachen sind Arzneimittel, Impfstoffe, andere Viruserkrankungen (besonders Hepatitis C) sowie eventuell SLE. EM, die bei Patienten mit SLE auftritt, wird manchmal als Rowell-Syndrom bezeichnet.
Symptome und Beschwerden
Erythema multiforme tritt plötzlich mit asymptomatischen, erythematösen Makulae, Papeln, Quaddeln, Bläschen, Bullae oder Kombinationen davon an den distalen Extremitäten (oft inkl. Handflächen und Fußsohlen) sowie im Gesicht auf. Die Läsionen sind typischerweise ringförmig mit violettem Zentrum und einem lividen Halo, die durch einen blassen Ring voneinander getrennt sind (Schießscheibenläsionen oder Kokarden). Die Läsionen sind symmetrisch und zentripetal angeordnet, häufig mit Ausbreitung auf den Rumpf. Einige Patienten erleben Juckreiz.
Im Mundbereich treten Schießscheibenläsionen an den Lippen sowie Bläschen und Erosionen an Gaumen und Zahnfleisch auf.
Diagnose
Die Diagnose von Erythem multiforme wird anhand des klinischen Erscheinungsbildes gestellt, eine Biopsie ist selten erforderlich.
Zu den Differenzialdiagnosen gehören Urtikaria, Vaskulitis, bullöses Pemphigoid, Pemphigus, IgA-lineare Dermatose, akute febrile neutrophile Dermatose und Dermatitis herpetiformis.
Orale Läsionen müssen von aphthöser Stomatitis, Pemphigus, herpetischer Stomatitis und Hand-Fuß-Mund-Krankheit unterschieden werden.
Patienten mit weit verbreiteten Purpura-Flecken und Blasen und prominentem Befall des Rumpfes und des Gesichts haben wahrscheinlich eher Stevens-Johnson-Syndrom als Erythema multiforme.
Behandlung
Erythem multiforme klingt spontan wieder ab, sodass meistens keine Behandlung erforderlich ist. Durch topische Kortikosteroide und Anästhetika lassen sich die Symptome lindern und die Patienten beruhigen. Rezidive sind häufig. Bei mehr als fünf symptomatischen Rezidiven pro Jahr oder sofern den Rezidiven jeweils ein Herpesausbruch vorausgeht, kann eine empirische orale Erhaltungstherapie mit Aciclovir 400 mg alle 12 h, Famciclovir 250 mg alle 12 h oder Valaciclovir 1000 mg alle 24 h versucht werden.
Wichtige Punkte
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Erythema multiforme wird normalerweise durch HSV ausgelöst, kann aber durch ein Medikament verursacht werden.
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Zielscheibenläsionen und Läsionen an den Handflächen und Fußsohlen können relativ spezifische Befunde sein.
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Eine Biopsie ist nur selten notwendig.
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EM wird unterstützend behandelt und prophylaktische antivirale Medikamente werden in Erwägung gezogen, wenn HSV die vermutete Ursache ist und Rückfälle häufig sind.