Toxische und ernährungsbedingte Neuropathien

(Toxische Optikusamblyopie; Ernährungsoptische Amblyopie)

VonJohn J. Chen, MD, PhD, Mayo Clinic
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Toxische und ernährungsbedingte Optikusneuropathien führen zu einer verminderten Sehschärfe, von der man annimmt, dass sie das Ergebnis einer destruktiven Reaktion im orbitalen Teil (papillomakuläres Bündel) des Sehnervs ist. Sie kann durch eine Vielzahl toxischer und ernährungsbedingter Faktoren und wahrscheinlich weiterer, unbekannter Faktoren verursacht werden. Hauptsymptom ist ein schmerzloser Sehverlust. Die Diagnose wird anhand der Anamnese und Gesichtsfelduntersuchung gestellt. Die Behandlung besteht darin, verdächtige toxische Stoffe zu meiden und/oder die Ernährung zu verbessern.

Ätiologie

Eine toxische oder ernährungsbedingte Optikusneuropathie ist in der Regel bilateral und symmetrisch. Unterernährung und Vitaminmangel (z. B. Vitamin B1 oder B12 oder Folsäure) können die Ursache sein, insbesondere bei Patienten, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen haben (1) und bei Patienten mit Alkoholproblemen. Eine echte Tabak-induzierte Optikusneuropathie ist selten. Eine ernährungsbedingte Optikusneuropathie kann bei anderen Ernährungsstörungen auftreten, z. B. beim Strachan-Syndrom (Polyneuropathie und orogenitale Dermatitis).

Blei, Methanol, Chloramphenicol, Digoxin, Ethambutol und viele andere Chemikalien können den Sehnerv schädigen. Risikofaktoren sind vermutlich auch Protein- und Antioxidanzienmängel.

Allgemeiner Hinweis

  1. 1.Jefferis JM, Hickman SJ: Treatment and outcomes in nutritional optic neuropathy. Curr Treat Options Neurol 21(1):5, 2019. doi: 10.1007/s11940-019-0542-9

Symptome und Beschwerden

Bei Patienten mit toxischer oder ernährungsbedingter Optikusneuropathie kommt es in der Regel im Laufe von Tagen bis Wochen zu verschwommenem Sehen und Trübungen. Ein zu Beginn kleines zentrales oder perizentrales Skotom wird langsam größer, beeinträchtigt für gewöhnlich sowohl die Fixation als auch den blinden Fleck (Zentrozäkal-Skotom) und schränkt das Sehvermögen zunehmend ein. Der Verlust des Farbsehens kann in keinem Verhältnis zum Verlust der Sehschärfe stehen. Bei Einnahme von Methanol kann es zu völliger Erblindung kommen, aber andere ernährungsbedingte Ursachen führen in der Regel zu einem erheblichen Verlust des zentralen Sehvermögens, aber nicht zu einem vollständigen Verlust des Sehvermögens. Netzhautanomalien treten für gewöhnlich nicht auf, doch im späteren Verlauf kann sich eine temporale Papillenblässe entwickeln.

Diagnose

  • Hauptsächlich klinische Bewertung

Eine Unterernährung in der Vorgeschichte, eine bariatrische Operation oder eine toxische oder chemische Exposition in Verbindung mit typischen bilateralen cecocentralen Skotomata (verursacht durch eine Beteiligung des Sehnervenkopfes und der papillomakulären Fasern) bei Gesichtsfeldtests rechtfertigt eine Behandlung. Laboruntersuchungen werden zum Nachweis von Blei, Methanol, vermuteten Ernährungsmängeln, und weiteren vermuteten Toxinen durchgeführt.

Prognose

Bei Patienten mit verminderter Sehfähigkeit kann sich diese verbessern, wenn die Ursache behandelt oder schnell entfernt wird. Ist der Sehnerv erst einmal atrophiert, erholt sich das Sehvermögen in der Regel nicht.

Behandlung

  • Behandlung der Ursache der Optikusneuropathie

  • Sehhilfen

Die Ursache der Optikusneuropathie des Patienten wird behandelt. Die Exposition gegenüber toxischen Substanzen sollte sofort beendet werden. Alkohol und andere potentiell schädigende Chemikalien oder Medikamente sollten vermieden werden. Eine Behandlung mit Chelatkomplexbildnern wird bei Bleivergiftung indiziert. Dialyse, Fomepizol, Ethanol, oder eine Kombination aus diesen wird bei Methanol-Vergiftung eingesetzt. Eine Behandlung mit per oralen oder parenteralen B-Vitaminen und/oder Folsäure kann in Fällen, in denen eine Mangelernährung als Ursache vermutet wird, eine Rückbildung der Visusreduktion bewirken, solange noch kein schwerer Sehverlust eingetreten ist.

Low-Vision-Hilfen (z. B. Lupen, Großdruck-Geräte, sprechende Uhren) können hilfreich sein.

Die Rolle der Antioxidanzien ist noch nicht vollständig geklärt. Ihre Anwendung könnte auf theoretischer Basis begründet werden; allerdings gibt es keinen Wirksamkeitsnachweis, und bisher wurde noch keine gefährdete Bevölkerungsgruppe definiert, die Antioxidantien als Ergänzung erhalten soll.

Wichtige Punkte

  • Bei der toxischen oder ernährungsbedingten Optikusneuropathie handelt es sich um eine Beeinträchtigung der Sehschärfe, die in den meisten Fällen durch Drogen, Toxine oder Ernährungsmängel verursacht wird, insbesondere bei Menschen mit Alkoholkonsumstörung oder bei Personen, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen haben.

  • Der Sehverlust ist in der Regel allmählich und partiell und betrifft das zentrale Sehen.

  • Die Diagnose wird hauptsächlich klinisch gestellt (z. B. bilaterale cecocentrale Skotomata, suggestive Anamnese).

  • Behandeln Sie die Ursache (z. B. Beendigung der Exposition gegenüber einer Droge oder einem Toxin, Verbesserung der Ernährung).