Unterernährung

VonJohn E. Morley, MB, BCh, Saint Louis University School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Juli 2021
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Unterernährung wird als Kalorienmangel oder Mangel an einem bzw. mehreren essenziellen Nährstoffen definiert.

  • Unterernährung kann entstehen, wenn Menschen keine Nahrungsmittel erhalten oder sie nicht zubereiten können, unter einer Krankheit leiden, die das Essen oder die Resorption von Nahrungsmitteln erschwert, oder wenn bei ihnen ein stark erhöhter Kalorienbedarf vorliegt.

  • Unterernährung ist oft offensichtlich: Die Betroffenen sind untergewichtig, ihre Knochen stehen hervor, die Haut ist trocken und wenig elastisch, ihre Haare sind trocken und fallen aus.

  • Ärzte können eine Unterernährung gewöhnlich aufgrund des Erscheinungsbilds eines Patienten, seiner Größe und seines Körpergewichts sowie seiner Lebensumstände (einschließlich Informationen über Ernährung und Gewichtsabnahme) diagnostizieren.

  • Die Personen erhalten Nahrung in langsam ansteigender Portionsgröße, wenn möglich oral (über den Mund), doch manchmal auch über einen Schlauch, der über den Rachen in den Magen oder in eine Vene (intravenös) eingeführt wird.

Unterernährung wird gewöhnlich als Kalorienmangel, also insgesamt als mangelnde Zufuhr von Nahrung, oder als Proteinmangel angesehen. Ein Mangel an Vitaminen und ein Mangel an Mineralstoffen werden jeweils als separate Störungen behandelt. Werden jedoch langfristig insgesamt zu wenige Kalorien aufgenommen, ist auch ein Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen wahrscheinlich. Unterernährung, ein Begriff, der oft auch anstelle von „Fehlernährung“ verwendet wird, ist im Grunde eine Art von Fehlernährung.

Fehlernährung bezeichnet ein Ungleichgewicht der Nährstoffe, die der Körper braucht und schließlich erhält. Daher fallen auch die Überernährung, also ein Übermaß an Kalorien oder speziellen Nährstoffen wie Eiweiß, Fett, Vitamine, Mineralstoffe oder Nahrungsergänzungen, und die Unterernährung unter den Begriff der Fehlernährung.

Die Zahl der unterernährten Menschen in der Welt steigt seit 2014 an. Laut dem The State of Food Security and Nutrition in the World 2020 (Status zu Lebensmittelsicherheit und Ernährung in der Weltbevölkerung für das Jahr 2020) der Nahrungsmittel- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) waren im Jahr 2019 beinahe 690 Millionen Menschen bzw. 8,9 Prozent der Weltbevölkerung unterernährt. Das sind 60 Millionen mehr Menschen als im Jahr 2014. Die meisten von ihnen leben in Ländern, in denen die Ernährung kaum gesichert ist. Im FAO-Bericht wird davon ausgegangen, dass die COVID-19-Pandemie die Zahl unterernährter Menschen im Jahr 2020 um weitere 83 auf 132 Millionen erhöhen wird.

In Regionen, in denen die Ernährung weitgehend gesichert ist, tritt eine Unterernährung in der Regel viel seltener auf als eine Überernährung. Allerdings wird das Risiko für eine Unterernährung durch bestimmte Krankheiten verstärkt. Dies betrifft:

  • Sehr arm sein

  • Obdachlos sein

  • Psychisch krank sein

  • Eine schwere Krankheit (schwer kranke Menschen ernähren sich eventuell nicht ausreichend, da sie keinen Appetit mehr haben oder der Nährstoffbedarf ihres Körpers stark gestiegen ist)

  • Jung sein (Kleinkinder, Kinder und Heranwachsende tragen ein Risiko für eine Unterernährung, da sie wachsen und daher große Mengen an Kalorien und Nährstoffen benötigen)

  • Höheres Alter

Etwa 1 von 7 älteren Menschen, die zu Hause leben, nehmen weniger als 1.000 Kalorien pro Tag zu sich – diese Menge reicht nicht für eine adäquate Ernährung aus. Tatsächlich nimmt die Hälfte älterer Menschen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen keine ausreichende Kalorienmenge zu sich.

Wussten Sie ...

  • Etwa 1 von 7 älteren Menschen, die zu Hause leben, und nicht weniger als die Hälfte der älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen sind unterernährt.

Erhält der Körper nicht ausreichend Kalorien, baut er zuerst seine eigenen Fettreserven ab und verwendet sie als Energielieferanten – das ist so, als würde man die Möbel eines Hauses verbrennen, um das Haus warm zu halten. Nachdem die Fettreserven aufgebraucht sind, kann der Körper andere Gewebe abbauen, beispielsweise Muskeln und Gewebe innerer Organe. Daraus ergeben sich schwerwiegende Probleme, auch mit Todesfolge.

Protein-Energie-Mangelernährung

Eine Protein-Energie-Mangelernährung (auch als Protein-Energy-Malnutrition bezeichnet) entsteht, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum zu wenig Proteine (Eiweiß) und Kalorien zu sich nehmen.

In Ländern, in denen die Ernährung nicht gesichert ist, erhalten Kinder häufig zu wenig proteinreiche Nahrung. Bei mehr als der Hälfte der Kinder, die sterben, gilt eine Protein- und Kalorienunterernährung mit als Todesursache, da sie beispielsweise das Risiko für die Entwicklung lebensbedrohlicher Infektionen erhöht und, wenn diese auftreten, auch deren Verlauf verschlimmert. Jedoch kann diese Erkrankung unabhängig vom Alter jeden betreffen, wenn nicht genügend Nahrungsmittel erhältlich sind.

Eine Protein-Energie-Mangelernährung tritt hauptsächlich in zwei Formen auf:

  • Marasmus

  • Kwashiorkor

Marasmus

Marasmus bezeichnet einen schweren Kalorien- und Proteinmangel. Er entwickelt sich meist bei Säuglingen und sehr jungen Kindern. Typischerweise führt er zu starkem Gewichtsverlust, Muskel- und Fettabbau und Flüssigkeitsmangel (Dehydratation). Normalerweise schützt das Stillen Babys vor Marasmus.

Kwashiorkor

Kwashiorkor ist ein schwerer Mangel eher an Protein als an Kalorien an sich. Die Krankheit tritt weniger häufig auf als Marasmus. Der Ausdruck ist von einem afrikanischen Wort abgeleitet, das „erstes Kind - zweites Kind“ bedeutet, denn das Erstgeborene erkrankt häufig, wenn das zweite Kind kommt und den Platz des ersten an der Mutterbrust einnimmt. Die Kinder entwickeln Kwashiorkor erst, wenn sie entwöhnt sind; sie sind deshalb meist älter als diejenigen mit Marasmus.

Kwashiorkor scheint auf die Regionen der Welt begrenzt zu sein, in denen die üblichen Nahrungsmittel, die das Kind nach dem Abstillen bekommt, sehr wenig Eiweiß enthalten, auch wenn sie genügend Kalorien in Form von Kohlenhydraten liefern. Solche Nahrungsmittel sind Yamswurzeln, Cassava-Wurzeln, Reis, Süßkartoffeln und grüne Bananen. Im Prinzip kann jeder Mensch, dessen Nahrung fast ausschließlich aus Kohlenhydraten besteht, Kwashiorkor entwickeln. Die Personen speichern Flüssigkeit und erscheinen dadurch aufgedunsen. Bei schwerem Kwashiorkor kann sich der Bauch vorwölben.

Hungern

Hungern ist die extremste Form der Protein-Energie-Mangelernährung. Davon spricht man, wenn lebenswichtige Nährstoffe für eine längere Zeit teilweise oder ganz fehlen. Sie tritt in der Regel auf, weil Nahrungsmittel nicht verfügbar sind (z. B. während einer Hungersnot), gelegentlich aber auch, wenn Nahrungsmittel verfügbar sind (z. B. wenn Menschen fasten oder an Magersucht (Anorexia nervosa) leiden).

Ursachen von Unterernährung

Unterernährung aus folgenden Gründen:

  • Mangel an Nahrung

  • Krankheiten oder Medikamente, die das Essen, die Verwertung (Verstoffwechselung) und die Aufnahme von Nährstoffen beeinträchtigen

  • Stark erhöhter Kalorienbedarf

Menschen, die zu selten Zugang zu Nahrungsmitteln haben, weil sie sich kein Essen leisten können, keine Läden in Ihrer Nähe sind oder weil sie körperlich nicht in der Lage sind, einkaufen zu gehen. In einigen Teilen der Welt gibt es aufgrund von Krieg, Dürre, Überflutung und anderen Faktoren nicht genügend Nahrungsmittel.

Einige Krankheiten, wie die Malabsorption, stören die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen. Ein chirurgischer Eingriff, bei dem ein Teil des Verdauungstraktes entfernt wird, kann die gleiche Wirkung haben. Einige Krankheiten wie AIDS, Krebs oder Depression führen dazu, dass die Betroffenen ihren Appetit verlieren und weniger essen, was zu Unterernährung führen kann.

Die Einnahme bestimmter Medikamente kann zu einer Unterernährung beitragen. Medikamente könnten:

  • Den Appetit senken: Dazu zählen beispielsweise Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck (wie Diuretika), Herzinsuffizienz (wie Digoxin) oder Krebs (wie Cisplatin).

  • Übelkeit verursachen, was den Appetit ebenfalls vermindert

  • Den Stoffwechsel erhöhen (wie Thyroxin und Theophyllin) und daher den Kalorien- und Nährstoffbedarf erhöhen

  • Die Aufnahme bestimmter Nährstoffe im Darm stören

Auch das Absetzen bestimmter Medikamente wie Angstlöser und Antipsychotika oder das Einstellen des Alkoholkonsums können zu Gewichtsverlust führen.

Zu viel Alkohol, der zwar Kalorien enthält, jedoch wenig Nährwert bietet, mindert den Appetit. Da Alkohol die Leber schädigt, kann er zudem die Resorption und Verwertung von Nährstoffen im Körper beeinträchtigen. Eine alkoholbedingte Erkrankung kann zu Magnesium und Zinkmangel und einem Mangel an bestimmten Vitaminen wie Thiamin führen.

Rauchen dämpft den Geschmacks- und Geruchssinn, wodurch Nahrungsmittel weniger appetitanregend wirken. Das Rauchen scheint auch andere Veränderungen im Körper hervorzurufen, die das Körpergewicht verringern. Beispielsweise stimuliert der Nikotinkonsum das sympathische Nervensystem, das den Energieverbrauch des Körpers steigert.

Einige Krankheiten gehen mit einem stark erhöhten Kalorienbedarf einher. Dazu zählen Infektionen, Verletzungen und eine überaktive Schilddrüse (Hyperthyreoidismus), schwere Verbrennungen und lange anhaltendes Fieber.

Bei der Unterernährung älterer Menschen spielen viele Faktoren, unter anderem auch altersbedingte Veränderungen im Körper, eine Rolle ( see sidebar Der Alterungsprozess im Visier: Unterernährung).

Tabelle

Symptome einer Unterernährung

Das auffälligste Zeichen einer kalorischen Unterernährung ist der Verlust von Körperfett (adipöses Gewebe).

Tabelle

Leiden Menschen etwa einen Monat lang Hunger, verlieren sie ungefähr ein Viertel ihres Körpergewichts. Dauert die Hungerzeit länger, können Erwachsene bis zur Hälfte ihres Körpergewichts verlieren, Kinder sogar noch mehr. Die Knochen stehen hervor, die Haut wird dünn, trocken, unelastisch, bleich und kalt. Im letzten Stadium wird Fett im Gesicht abgebaut, sodass die Wangen hohl und die Augen eingesunken wirken. Das Haar wird trocken und spärlich und fällt aus.

Ein ausgeprägter Abbau von Muskelmasse und Fettgewebe wird als Kachexie bezeichnet. Man geht davon aus, dass eine Kachexie aus der übermäßigen Produktion sogenannter Zytokine entsteht. Diese werden vom Immunsystem als Reaktion auf eine Krankheit, beispielsweise eine Infektion, Krebs oder AIDS gebildet.

Weitere Symptome sind Müdigkeit, Frieren, Durchfall, Appetitverlust, Reizbarkeit und Apathie. In sehr schweren Fällen können die Betroffenen in einen Zustand der Benommenheit verfallen (sogenannter Stupor). Die Menschen fühlen sich schwach und können ihren normalen Tätigkeiten nicht nachgehen. Bei Frauen wird die Periode unregelmäßig oder fällt aus. Bei schwerer Unterernährung kann sich Flüssigkeit in den Armen, Beinen und im Bauch ansammeln.

Die Zahl weißer Blutkörperchen bestimmter Typen nimmt ab, ähnlich der an AIDS erkrankten Menschen. So wird das Immunsystem geschwächt, das Risiko von Infektionen nimmt zu.

Bleibt der Kalorienmangel über lange Zeit bestehen, können sich Leber-, Herz- und Atemversagen entwickeln. Totale Nahrungskarenz (wenn keine Nahrung verzehrt wird) verläuft in 8 bis 12 Wochen tödlich.

Kinder, die stark unterernährt sind, können nicht gesund wachsen. Das Verhalten entwickelt sich auffallend verzögert, eine leichte geistige Zurückgebliebenheit kann auftreten und mindestens bis ins Schulalter bestehen bleiben. Eine Unterernährung kann sich, selbst wenn sie behandelt wird, langfristig auf Kinder auswirken. Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit sowie Verdauungsprobleme können manchmal lebenslänglich bestehen bleiben.

Wird die Unterernährung behandelt, erholen sich die meisten Erwachsenen vollständig.

Diagnose einer Unterernährung

  • Untersuchung durch den Arzt

  • Mitunter Bluttests

Ärzte können eine Unterernährung meist diagnostizieren, indem sie Patienten Fragen zur Ernährung und Entwicklung des Körpergewichts stellen sowie eine körperliche Untersuchung vornehmen (siehe hierzu auch Beurteilung des Ernährungsstatus). Eine schwere, lange Zeit bestehende Unterernährung zeigt sich gewöhnlich im Erscheinungsbild und der Lebensgeschichte des Patienten.

Ärzte stellen vielleicht auch Fragen, ob man in der Lage ist, Lebensmittel einzukaufen und zuzubereiten, zu vorliegenden Krankheiten, der Anwendung von Medikamenten, zur psychischen und geistigen Verfassung. Sie können Standard-Fragebögen verwenden, die bei der Erfassung der relevanten Daten helfen. Die Antworten auf diese Fragen können bei der Diagnosestellung und Ursachenfindung behilflich sein, insbesondere, wenn eine Unterernährung weniger offensichtlich ist. Eine Identifikation der Ursachen ist besonders bei Kindern ausschlaggebend.

Im Rahmen der körperlichen Untersuchung wird Folgendes durchgeführt:

  • Messen von Größe und Gewicht

  • Bestimmen des Körpermassenindex (BMI)

  • Schätzen der Muskel- und Fettmasse im mittleren Oberarm durch Messung des Umfangs des Oberarms und der Dicke einer Hautfalte auf der Rückseite des linken Oberarms (Trizeps-Hautfalte)

  • Zudem werden weitere Symptome einer Unterernährung geprüft (z. B. Veränderungen der Haut und der Haare sowie Flüssigkeitsansammlungen in den Gliedmaßen und im Bauch)

Die Ergebnisse dienen der Bestätigung der Diagnose und der Einstufung des Schweregrads einer Unterernährung.

Tests

Ob zusätzliche Testuntersuchungen durchgeführt werden, liegt an den gegebenen Umständen. Sind z. B. die Ursachen offensichtlich und lassen sich beseitigen, sind Tests normalerweise nicht notwendig.

Der am häufigsten durchgeführte Test ist ein Bluttest zur Messung des Albuminspiegels (der sinkt, wenn Personen zu wenig Protein zu sich nehmen). Außerdem kann noch die Anzahl bestimmter Arten von weißen Blutkörperchen gemessen werden (die sinken, wenn sich die Unterernährung verschlimmert).

Hauttests können Auskunft über die Funktion des Immunsystems geben. Eine Substanz mit einem Antigen, das gewöhnlich eine Immunreaktion auslöst, wird unter die Haut gespritzt. Reagiert das Immunsystem innerhalb einer festgelegten Zeit, funktioniert es normal. Eine verspätete oder ausbleibende Reaktion weist auf eine Fehlfunktion des Immunsystems hin, die durch Unterernährung ausgelöst werden kann.

Vermutet der Arzt einen Vitamin- oder Mineralstoffmangel, werden in der Regel Bluttests durchgeführt, um den Spiegel dieser Nährstoffe zu bestimmen.

Besteht der Verdacht, dass den Symptomen eine andere Krankheit zugrunde liegt, können weitere Untersuchungen zur Ursachenfindung erfolgen. Leidet ein Patient beispielsweise unter schwerem Durchfall, der sich trotz Behandlung nicht bessert, kann der Arzt den Stuhl auf Mikroorganismen untersuchen, die möglicherweise eine Infektion hervorgerufen haben. Untersuchungen wie Urintests und Röntgen des Brustraums können Hinweise auf Infektionen geben.

Der Alterungsprozess im Visier: Unterernährung

Eine Unterernährung bei älteren Menschen ist ernst zu nehmen, da sie das Risiko von Knochenbrüchen (Frakturen), Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen, Druckgeschwüren (Dekubitus) und Infektionen erhöht. Falls diese Probleme auftreten, verlaufen sie bei unterernährten Menschen wahrscheinlich schwerer.

Für ältere Menschen besteht aus vielen Gründen das Risiko einer Unterernährung.

Altersbezogene körperliche Veränderungen: Als Alterserscheinung ändert sich auch die Produktion von und Empfindlichkeit für Hormone, beispielsweise Wachstumshormone, Insulin und Androgene. Folglich nimmt bei älteren Menschen das Muskelgewebe ab, ein Zustand, der als Sarkopenie bezeichnet wird. Diese Abnahme des Muskelgewebes wird durch Unterernährung und verminderte körperliche Aktivität noch verstärkt. Der altersbedingte Verlust von Muskelmasse ist daher auch für zahlreiche Komplikationen der Unterernährung bei älteren Menschen verantwortlich, beispielsweise für ein höheres Infektionsrisiko.

Ältere Menschen erreichen rascher ein Sättigungsgefühl und haben weniger Appetit. Daher verzehren sie meist kleinere Portionen. Sie essen vielleicht auch deswegen weniger, weil im Alter der Geschmacks- und Geruchssinn abnimmt, sodass die Freude am Essen getrübt wird. Weiterhin lässt mit dem Alter die Aufnahmefähigkeit für bestimmte Nährstoffe nach.

Einige ältere Menschen produzieren weniger Speichel, woraus Zahnprobleme und Schwierigkeiten beim Schlucken entstehen.

Erkrankungen: Viele Krankheiten, die bei alten Menschen häufig auftreten, können eine Unterernährung noch verstärken.

  • Depressionen können einen Appetitverlust mit sich bringen.

  • Ein Schlaganfall oder Zittern kann das Kauen, Schlucken oder Zubereiten von Mahlzeiten erschweren.

  • Arthritis (entzündliche Gelenkerkrankung) oder andere körperliche Beschwerden, die die Bewegungsfähigkeit einschränken, können das Einkaufen und Zubereiten von Nahrungsmitteln erschweren.

  • Malabsorption beeinträchtigt die Aufnahme (Resorption) von Nährstoffen im Darm.

  • Krebs kann den Appetit reduzieren und den Kalorienbedarf des Körpers erhöhen.

  • Aufgrund einer Demenz vergessen Menschen eventuell das Essen oder können sich kein Essen mehr zubereiten und verlieren daher Gewicht. Bei fortgeschrittener Demenz können die Betroffenen nicht mehr selbstständig essen und sich vielleicht auch gegen die Essenseingabe durch Andere wehren.

  • Zahnprobleme wie schlechtsitzende Prothesen oder eine Zahnfleischerkrankung können das Kauen und folglich die Verdauung von Nahrungsmitteln erschweren.

  • Eine über lange Zeit bestehende Anorexia nervosa (Magersucht) kann sich durch ein Ereignis in späteren Lebensjahren verschlimmern, wenn z. B. ein Lebenspartner stirbt oder die Angst vor dem Altern beginnt.

Arzneimittel: Viele der Medikamente zur Behandlung von Krankheiten, die bei älteren Menschen häufig auftreten, z. B. Depressionen, Krebs, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck, können zur Unterernährung beitragen. Medikamente können den Bedarf an Nährstoffen erhöhen, die Art der Verwendung von Nährstoffen im Körper verändern oder den Appetit hemmen. Manche Medikamente führen zu Durchfall oder haben Nebenwirkungen, die sich auf das Essen auswirken, beispielsweise Übelkeit und Verstopfung.

Lebenssituation: Älteren Menschen, die allein leben, fehlt vielleicht die Motivation, sich Mahlzeiten zuzubereiten und zu essen. Möglicherweise sind sie auch finanziell schlecht gestellt, sodass sie billige, weniger nährstoffreiche Nahrungsmittel oder insgesamt weniger Nahrungsmittel einkaufen. Manchmal sind sie auch körperlich nicht mehr in der Lage, sich Lebensmittel zu kaufen, haben Angst davor, aus dem Haus zu gehen, oder keine Transportmöglichkeit zu einem Lebensmittelladen.

Für ältere Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, bestehen sogar noch mehr Hindernisse für eine ausreichende Ernährung.

  • Sie sind vielleicht verwirrt und unfähig, sich zu melden, wenn sie hungrig sind, oder zu sagen, was sie essen möchten.

  • Manchmal fehlt ihnen auch die Möglichkeit, die Nahrungsmittel auszuwählen, die ihnen schmecken.

  • Oder sie können nicht mehr selbst essen.

  • Wenn ältere Menschen langsam essen und gefüttert werden müssen, kann es sein, dass die Pflegekräfte nicht ausreichend Zeit haben, um sie ausreichend zu versorgen, oder ihnen nicht genug Zeit geben, um genügend zu essen.

Im Krankenhaus haben ältere Menschen manchmal dasselbe Problem.

Vorbeugung und Behandlung: Ältere Menschen können ermutigt werden, mehr zu essen, die Mahlzeiten können appetitanregender zubereitet werden. Beispielsweise sollten besser stark aromatische oder Lieblingsspeisen serviert werden als wenig gewürzte oder fettarme Speisen.

Ältere Menschen müssen manchmal wegen Krankheiten, beispielsweise Nieren- oder Herzinsuffizienz, eine Diät wie eine salzarme Ernährung einhalten. Solche Ernährungsformen sind teilweise wenig appetitlich und geschmacksarm. Dies kann dazu führen, dass sich die Betroffenen nicht ausreichend ernähren. In diesen Fällen sollten sie oder ihre Familienmitglieder sich mit dem Ernährungsberater oder Arzt in Verbindung setzen und sich erkundigen, wie sich Mahlzeiten zubereiten lassen, die schmecken und trotzdem der erforderlichen Ernährungsweise entsprechen.

Älteren Menschen, die nicht allein Lebensmittel einkaufen oder essen können, sollte mehr Hilfe angeboten werden. So kann für sie zum Beispiel eine Anlieferung von Mahlzeiten nach Hause organisiert werden.

Gelegentlich erhalten die Betroffenen auch ein Medikament, das den Appetit anregt (z. B. Dronabinol) oder die Muskelmasse erhöht (z. B. Nandrolon oder Testosteron).

Depressionen und andere eventuell bestehenden Krankheiten sollten behandelt werden. Damit lassen sich einige der Hindernisse für eine ausreichende Ernährung beseitigen.

Ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen können durch eine attraktivere Gestaltung des Esszimmers und mehr Zeit für die Einnahme von Mahlzeiten motiviert werden, mehr zu essen.

Behandlung der Unterernährung

  • Ernährung, in der Regel über den Mund

  • Behandlung der Krankheitsursache

  • Manchmal auch eine künstliche Ernährung oder Ernährung über die Vene (intravenös)

  • Bei schwerer Unterernährung manchmal Medikamente

Die meisten Menschen werden bei Unterernährung so behandelt, dass die aufgenommene Kalorienmenge nach und nach erhöht wird. Dazu werden am besten mehrere kleine, gehaltvolle Mahlzeiten am Tag angeboten. So erhalten beispielsweise Menschen, die gehungert haben, zunächst häufig kleine Mahlzeiten, etwa 6 bis 12 Mal pro Tag. Dann erhöht sich die angebotene Nahrungsmenge schrittweise. Wenn Kinder unter Durchfall leiden, wird das Angebot von festen Mahlzeiten gegebenenfalls einen oder zwei Tage hinausgezögert, sodass sich der Durchfall nicht verschlimmert. Während dieser Zeit erhalten sie viel Flüssigkeit.

Menschen, für die feste Nahrung schwer verdaulich ist, benötigen möglicherweise flüssige Nahrungsergänzungsmittel oder eine Flüssigdiät. Oft werden laktosefreie oder laktosearme Ergänzungsmittel (wie Joghurt-basierte Ergänzungsmittel) verwendet, da bei vielen Menschen eine Laktoseunverträglichkeit besteht (Laktose ist eine Zuckerform). Eine Unterernährung kann das Problem verschlimmern. In diesem Fall entsteht nach dem Verzehr laktosehaltiger Nahrungsmittel gewöhnlich Durchfall.

Multivitaminpräparate eignen sich dazu, die Aufnahme aller benötigten Nährstoffe sicherzustellen.

Erkrankungen wie Infektionen, die zu einer Unterernährung beitragen, werden behandelt. Einige Fachleute empfehlen, allen stark unterernährten Kindern Antibiotika zu verabreichen, auch wenn es keine Anzeichen für eine Infektion gibt.

Liegt eine Unterernährung in schwerer Form vor, müssen die Patienten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Ein zu rascher Kostaufbau nach einer schweren Unterernährung kann zu Komplikationen wie Durchfall, Ungleichgewicht des Wasser- und Glukosehaushalts sowie anderer Nährstoffe im Körper führen. Diese Komplikationen lassen sich normalerweise mit einem langsameren Aufbau der ursprünglichen Ernährungsform beseitigen.

Nährstoffe werden, wenn immer möglich, über den Mund eingegeben. Wenn sie nicht über den Mund aufgenommen werden können, werden Nährstoffe über einen der folgenden Wege zugeführt:

  • Einen Schlauch, der in den Verdauungstrakt führt (künstliche Ernährung)

  • Einen Schlauch (Katheter) der in eine Vene eingeführt wird (intravenöse Ernährung)

Sondenernährung

Die Sondenernährung (künstliche Ernährung) kann bei Menschen verwendet werden, deren Verdauungssystem normal arbeitet, die aber nicht ihrem Nährstoffbedarf entsprechend essen (z. B. nach schweren Verbrennungen) oder nicht schlucken können (z. B. nach einem Schlaganfall).

Dabei wird ein dünner Plastikschlauch (eine nasogastrale Sonde) durch die Nase über den Rachen bis in den Magen oder zum Dünndarm geführt (transnasale Magensonde genannt). Bei lang dauernder künstlicher Ernährung kann eine Ernährungssonde auch direkt durch die Bauchdecke in den Magen oder Dünndarm geführt werden.

Eine Sondennahrung sollte alle Nährstoffe, die der Mensch braucht, enthalten. Spezielle Lösungen, darunter solche für Patienten mit speziellem Bedarf, wie reduzierte Flüssigkeitszufuhr, sind erhältlich. Auch feste Nahrungsmittel können verarbeitet und über eine nasogastrale Magensonde verabreicht werden. Sondennahrung kann langsam und kontinuierlich oder alle paar Stunden in größeren Mengen, die als Bolus bezeichnet werden, verabreicht werden.

Die Ernährung über eine Sonde kann viele und möglicherweise lebensbedrohliche Probleme verursachen.

  • Einatmen (Aspiration) von Nahrungsbestandteilen in die Lunge: Für ältere Menschen ist eine Aspiration der häufigste durch eine Sondenernährung hervorgerufene Zwischenfall. Das Einatmen (Aspiration) von Nahrungsmitteln kann zu einer Lungenentzündung (Pneumonie) führen. Nahrungsmittel werden mit geringerer Wahrscheinlichkeit abgesaugt, wenn die Lösung langsam verabreicht wird und wenn das Kopfteil des Betts nach der Zuführung der Nahrung etwa 1 bis 2 Stunden erhöht bleibt. Dabei verringert sich das Risiko des Zurücklaufens von Nahrung aus dem Magen in den Mund (Regurgitation).

  • Durchfall und Bauchschmerzen: Eine andere Lösung oder eine langsamere Eingabe kann diese Probleme verringern.

  • Gewebereizung: Die Sonde kann die Gewebe der Nase, des Rachens und der Speiseröhre (Ösophagus) reizen und schädigen. Werden die Schleimhäute gereizt, lässt sich die Ernährungssonde normalerweise herausnehmen, die Ernährung kann mit einem anderen Sondentyp fortgesetzt werden.

Intravenöse Ernährung

Eine intravenöse Ernährung (parenterale Ernährung) wird durchgeführt, wenn der Verdauungstrakt die Nährstoffe nicht mehr richtig verarbeiten kann (z. B. bei Menschen mit Malabsorption). Sie wird auch eingesetzt, wenn bei Entzündung des Mast- oder Dickdarms zeitweise keine Nahrungsmittel den Verdauungstrakt passieren dürfen, wie z. B. bei Menschen mit Colitis ulcerosa oder schwerer Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis).

Intravenös verabreichte Nahrung (parenterale Ernährung) kann einen Teil des Nährstoffbedarfs (partielle parenterale Ernährung) oder den gesamten Nährstoffbedarf (voll parenterale Ernährung) einer Person decken. Für die voll parenterale Ernährung ist ein langer intravenöser Schlauch (Katheter) notwendig; er wird in eine große Vene geführt, etwa in die Vena subclavia, die direkt unter dem Schlüsselbein liegt.

Auch die intravenöse Ernährung kann zu Problemen führen, wie z. B.:

  • Infektion: Bei intravenöser Ernährung besteht ständig das Risiko einer Infektion, weil der Katheter längere Zeit an seinem Platz bleibt und die zugeführten Lösungen reichlich Glukose enthalten, ein Zucker, der das Wachstum von Bakterien fördert. Patienten, die voll parenteral ernährt werden, werden sorgfältig auf Zeichen einer Infektion überwacht.

  • Zu viel Flüssigkeit (Volumenüberlastung): Die Zufuhr von zu viel Flüssigkeit kann zu deren Ansammlung in der Lunge führen, sodass die Atmung erschwert wird. Daher überwachen Ärzte regelmäßig das Gewicht und die Urinausscheidung dieser Patienten. Manchmal lässt sich das Risiko auch reduzieren, indem vor der Nahrungseingabe die erforderliche Flüssigkeitsmenge berechnet wird.

  • Nährstoffungleichgewicht und -mangel: Selten kommt es zu einem Mangel bestimmter Vitamine und Mineralstoffe. Ärzte messen regelmäßig die Menge der im Blut gelösten Mineralstoffe (Elektrolyte), von Glukose und Harnstoff (Urea, zur Bestimmung der Nierenfunktion), um eine Unausgewogenheit des Nährstoffhaushalts zu ermitteln. Die Lösung kann dann entsprechend angepasst werden.

  • Verringerte Knochendichte: Wird ein Patient mehr als etwa 3 Monate lang voll parenteral ernährt, verringert sich teilweise die Knochendichte. Der Grund dafür ist unbekannt. Die beste Behandlung besteht dann darin, diese Form der Nahrungseingabe zeitweise oder dauerhaft abzubrechen.

  • Leberprobleme: Eine voll parenterale Ernährung kann, meist bei frühreifen Säuglingen, zu einer Fehlfunktion der Leber führen. Mittels Bluttests wird die Leberfunktion überwacht. Eine Anpassung der Ernährungsflüssigkeit kann helfen.

  • Gallenblasenprobleme: Es können sich Gallensteine entwickeln. Die Behandlung besteht unter anderem darin, die Lösung anzupassen und, falls möglich, Nahrung über den Mund oder eine Ernährungssonde zuzuführen.

Medikamente

Stark unterernährte Patienten erhalten manchmal Medikamente, die den Appetit anregen, beispielsweise Dronabinol oder Megestrol, sowie Medikamente zum Aufbau von Muskelmasse, beispielsweise ein Wachstumshormon oder anabole Steroide wie Nandrolon oder Testosteron.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. The State of Food Security and Nutrition in the World 2020: Der Bericht der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen mit Schätzungen zu Ernährungssicherung, Hunger und Mangelernährung auf globaler und regionaler Ebene