Idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit

(Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit; umweltbedingte Krankheit)

VonDonald W. Black, MD, University of Iowa, Roy J. and Lucille A. Carver College of Medicine
Überprüft/überarbeitet März 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Die idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit umfasst eine große Bandbreite periodisch auftretender Symptome, die durch geringe Konzentrationen identifizierbarer und nicht identifizierbarer Substanzen ausgelöst zu werden scheinen, die häufig in der Umwelt zu finden sind, oder manchmal durch elektromagnetische Felder.

  • Symptome umfassen möglicherweise schnelle Herzfrequenz, Schmerzen im Brustkorb, Schweißausbrüche, Kurzatmigkeit, Erschöpfung, Gesichtsröte und Schwindel.

  • Es können Untersuchungen zum Ausschluss allergischer Erkrankungen als Ursache der Symptome durchgeführt werden.

  • Die Behandlung kann auch eine Psychotherapie, das Vermeiden bestimmter Stoffe oder beides beinhalten.

Die idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit ist allgemein als Entwicklung multipler Symptome definiert, von denen die Betroffenen glauben, dass sie auf die Belastung mit einer beliebigen Anzahl identifizierbarer oder nicht identifizierbarer Chemikalien (durch Einatmen, Berührung oder Aufnahme mit der Nahrung) oder Belastung mit elektromagnetischen Feldern zurückzuführen sind. Dabei weisen die betroffenen Personen keine nachweisbare Organfunktionsstörung oder ähnliche körperliche Auffälligkeiten auf.

Die idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit kommt bei Frauen häufiger vor als bei Männern. Darüber hinaus tritt bei 40 Prozent der Personen mit chronischem Erschöpfungssyndrom (auch als „Erkrankung mit systemischer Anstrengungsintoleranz“ [systemic exertion intolerance disease] oder myalgische Enzephalomyelitis bezeichnet) und bei 16 Prozent der Personen mit Fibromyalgie ebenfalls eine idiopathische Umweltunverträglichkeit auf.

Die Symptome treten nicht immer auf, nachdem eine Person einer Substanz ausgesetzt war, selbst wenn die Belastung höher ist als die, die zuvor Symptome zu verursachen schien. Bluttests weisen auch nicht immer auf eine Aktivierung des Immunsystems der Person hin. Daher gehen einige Ärzte davon aus, dass die idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit eine psychologische Ursache hat, wahrscheinlich eine Art somatoforme Störung oder eine Angststörung wie die Agoraphobie (Angst davor, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen) oder Panikattacken. Andere glauben, dass die Erkrankung eine Art allergische Reaktion sein könnte, da manche Menschen verschiedene Veränderungen im Immunsystem aufweisen, obwohl dies selten ist. Diese Veränderungen weisen jedoch bei den von diesem Syndrom betroffenen Personen kein einheitliches Muster auf. Damit bleibt die Erkrankungsursache weiterhin unbekannt.

Symptome

Bei manchen Menschen mit idiopathischer Umwelt-Unverträglichkeit entwickeln sich Symptome, nachdem sie ein einziges Mal einer hohen Konzentration verschiedener giftiger Substanzen ausgesetzt waren. Die Betroffenen führen ihre Symptome eventuell darauf zurück, den Substanzen ausgesetzt gewesen zu sein, aber der Nachweis dafür bleibt meist aus.

Zu den Symptomen zählen u. a. schnelle Herzfrequenz, Schmerzen im Brustkorb, Schweißausbrüche, Kurzatmigkeit, Ermüdung, Gesichtsröte, Schwindel, Übelkeit, Erstickungsgefühl, Zittern, Taubheitsgefühl, Husten, Heiserkeit und Konzentrationsschwäche.

Häufig gemeldete Auslöser für eine idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit sind unter anderem:

  • Alkohol und Medikamente

  • Koffein und Nahrungsmittelzusätze

  • Ausdünstungen aus Teppichen und Möbeln

  • Kraftstoffdämpfe und Abgase

  • Malerbedarf

  • Parfums und parfümierte Produkte

  • Pestizide und Herbizide

  • Mobile Telekommunikationsgeräte

Diagnose

Eine idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit wird vermutet, wenn Folgendes im Zusammenhang mit den Symptomen zutrifft:

  • Sie treten nach wiederholter Exposition gegenüber der chemischen Substanz erneut auf.

  • Sie treten nach der Exposition gegenüber Konzentrationen auf, die weit unter dem vorherigen Toleranzbereich liegen oder die bei anderen Personen häufig keine Beschwerden verursachen

  • Sie verschwinden beim Verlassen der symptomauslösenden Umgebung.

  • Sie stellen sich als Reaktion auf viele verschiedene, chemisch nicht verwandte Substanzen ein

Wenn die Symptome eines Betroffenen auf eine idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit hindeuten, versuchen Ärzte, eine mögliche Ursache der Symptome zu finden, einschließlich anderer Erkrankungen. Zum Beispiel könnten die Symptome auf gebäudebedingte Erkrankungen, allergische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen oder psychologische Erkrankungen zurückzuführen sein. Abhängig von den Symptomen der betroffenen Person und den Befunden der körperlichen Untersuchung können zusätzliche Tests oder Beurteilungen hilfreich sein. Zum Beispiel können Blutuntersuchungen oder Pricktests der Haut durchgeführt werden, um allergische Erkrankungen zu diagnostizieren, oder falls eine Depression oder Angststörung in Frage kommt, kann eine Beurteilung durch einen Psychiater helfen.

Behandlung

  • Vermeidung der verdächtigen Auslöser

  • Manchmal Psychotherapie

Von idiopathischer Umwelt-Unverträglichkeit betroffene Personen versuchen möglicherweise, die toxischen Substanzen zu meiden, die als Ursache der Symptome vermutet werden. Dies kann sich jedoch schwierig gestalten, da viele dieser Substanzen weit verbreitet sind. Darüber hinaus sind die gemiedenen Substanzen möglicherweise nicht die tatsächlichen Ursachen der Symptome, so dass das Vermeiden wirkungslos ist. Die Betroffenen sollten eine zu große soziale Isolation vermeiden. Bisweilen kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Deren Ziel ist es nicht, die Betroffenen davon zu überzeugen, dass die idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit einen psychologischen Hintergrund hat, sondern eher den Patienten zu stärken, mit den Symptomen umzugehen und die Lebensqualität zu steigern.