Obstruktion der Harnwege

VonGlenn M. Preminger, MD, Duke Comprehensive Kidney Stone Center
Überprüft/überarbeitet Mai 2022
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Kurzinformationen

Eine Obstruktion der Harnwege verhindert, dass der Urin über den normalen Weg (die Harnwege), welche die Nieren, den Harnleiter, die Blase und die Harnröhre umfassen, abfließen kann.

  • Die Obstruktion kann vollständig oder partiell sein.

  • Eine Obstruktion kann zu einer Schädigung der Niere, zu Nierensteinen oder zu einer Infektion führen.

  • Die Symptome können Flankenschmerzen, eine verminderte oder erhöhte Harnmenge und einen nächtlichen Harndrang umfassen.

  • Die Symptome treten häufiger bei einer plötzlichen und vollständigen Obstruktion auf.

  • Die Untersuchung kann das Einführen eines Harnröhrenkatheters, eine Endoskopie oder diverse bildgebende Verfahren umfassen.

  • Die Behandlung kann Maßnahmen zur Beseitigung der Obstruktion umfassen sowie eine Behandlung deren Ursache.

Eine Obstruktion kann an jedem Abschnitt der Harnwege - von den Nieren, wo der Urin produziert wird, bis zur Harnröhre, durch die dieser den Körper verlässt - den Druck innerhalb der Harnwege erhöhen und den Harnfluss verringern. Eine solche Obstruktion kann plötzlich auftreten oder sich langsam über Tage, Wochen und sogar Monate entwickeln. Sie kann die Harnwege vollständig oder nur teilweise blockieren. In manchen Fällen wird nur eine Niere davon beeinträchtigt; die Obstruktion kann jedoch beide Nieren betreffen.

Die Zahl Harnwegsobstruktionen liegt je nach Ursache zwischen fünf von 10.000 und fünf von 1.000 Menschen. Bei Kindern beruht diese Obstruktion meist auf Geburtsfehlern, welche die Harnwege betreffen. Männer, vor allem Männer über 60 Jahre sind anfälliger, da beim Älterwerden die Prostatadrüse dazu neigt, sich zu vergrößern (als gutartige Prostatahyperplasie bezeichnet) und dadurch den Urinabfluss blockieren kann.

Hydronephrose (Stauungsniere): Eine erweiterte Niere

Bei der Hydronephrose ist die Niere erweitert, da der Urinfluss blockiert wird. Der Urin staut sich hinter der Obstruktion und sammelt sich in der zentralen Sammelstelle (Nierenbecken) und den kleinen Tubuli der Niere.

Gewöhnlich fließt der Urin mit sehr geringem Druck aus den Nieren. Wenn der Harnfluss stockt, staut sich der Urin hinter der Blockierung und schließlich in den kleinen Tubuli der Nieren und im Nierenbecken. Dadurch erweitern sich die Nieren (schwellen an) und drücken auf ihre empfindlichen Gewebe. Eine solche Erweiterung der Nieren heißt Hydronephrose (Stauungsniere). Der lang anhaltende Druck aufgrund einer schweren Stauungsniere schädigt das Nierengewebe letztlich so sehr, dass die Nierenfunktion allmählich verloren geht.

Wenn der Harnfluss blockiert ist, besteht ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Steinen (Calculi). Da eventuell in die Harnwege eindringende Bakterien durch die Obstruktion nicht herausgespült werden können, besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Wenn beide Nieren blockiert sind, kann es zu einer Niereninsuffizienz kommen.

Eine langanhaltende Überdehnung von Nierenbecken und Harnleiter kann die rhythmischen Muskelkontraktionen hemmen, die normalerweise den Urin über die Harnleiter in die Blase treiben. Wenn schließlich Narbengewebe das Muskelgewebe in den Wänden des Harnleiters ersetzt, kann dies zu einer dauerhaften Schädigung führen.

Eine partielle Obstruktion verursacht aller Voraussicht nach ähnliche Probleme wie eine vollständige Obstruktion, jedoch sind bei der vollständigen Obstruktion die auftretenden Probleme und vor allem die Schädigung der Nieren schwerwiegender.

Ursachen einer Harnstauung

Die Obstruktion kann partiell oder vollständig auftreten, eine Seite oder beide Seiten beeinträchtigen, sich schnell (akut) oder allmählich (chronisch) entwickeln. Zu den häufigsten Ursachen gehören

Da die BPH bei älteren Männern sehr verbreitet ist, treten Obstruktionen bei Männern häufiger auf. Weitere häufige Ursachen für eine Obstruktion sind Strikturen (durch Narbengewebe verursachte Verengungen) des Harnleiters oder der Harnröhre, die sich nach einer Strahlentherapie, Operation oder sonstigen Eingriffen in den Harnwegen entwickeln können.

Zu den vielen weiteren möglichen Ursachen einer Obstruktion der Harnwege gehören:

  • Polypen im Harnleiter

  • Blutgerinnsel im Harnleiter

  • Tumoren im Harnleiter oder in den umliegenden Bereichen

  • Störungen der Muskulatur oder Nerven von Harnleiter oder Blase (z. B. aufgrund von Medikamenten mit anticholinergen Effekten [siehe Anticholinergikum: Was bedeutet das?], Geburtsfehlern oder Rückenmarkverletzung)

  • Bildung von Bindegewebe (Narben) im oder um den Harnleiter durch chirurgischen Eingriff, Strahlentherapie oder Medikamente (besonders Methysergid)

  • Ausbuchtung des unteren Endes eines Harnleiters in die Blase (Ureterozele)

  • Tumoren, Abszesse, Zysten in Blase, Gebärmutterhals, Gebärmutter, Prostata oder anderen Beckenorganen

  • Eine große Menge Fäkalien im Mastdarm (Impaktbildung)

Gelegentlich entsteht während der Schwangerschaft eine Stauungsniere (Hydronephrose), wenn die wachsende Gebärmutter die Harnleiter zusammendrückt. Hormonelle Veränderungen in der Schwangerschaft können das Problem verschlechtern, wenn sie die Muskelkontraktionen, die normalerweise den Urin zur Blase bewegen, verringern. Diese Art von Hydronephrose löst sich meistens mit der Geburt auf, auch wenn das Nierenbecken und die Harnleiter noch eine Zeit lang erweitert bleiben können.

Symptome einer Harnstauung

Die Symptome hängen von der Ursache der Verengung, deren Sitz und Dauer ab. Wenn die Obstruktion schnell einsetzt und die Blase, den Harnleiter und/oder die Nieren ausdehnt, verursacht dies in der Regel Schmerzen. Bei Ausdehnung der Niere kann sich eine Nierenkolik entwickeln. Eine Nierenkolik ist gekennzeichnet durch sehr starke Schmerzen zwischen den Rippen und der Hüfte auf der betroffenen Seite, die minütlich auftreten und wieder verschwinden. Der Schmerz kann sich in Richtung eines Hoden oder in Richtung Vaginalbereich ausdehnen. Die Betroffenen leiden unter Umständen an Übelkeit und Erbrechen.

Die Obstruktion nur eines Harnleiters verringert die Menge des abgegebenen Urins nicht. Eine Obstruktion kann das Wasserlassen unterbrechen oder verringern, wenn die Harnleiter beider Nieren oder die Harnröhre betroffen sind. Eine Obstruktion der Harnröhre oder des Blasenausgangs kann Schmerzen, ein Druckgefühl und eine Ausdehnung der Blase zur Folge haben.

Menschen mit einer langsam fortschreitenden Obstruktion und einer daraus resultierenden Hydronephrose haben möglicherweise keine Symptome oder sie spüren möglicherweise auf der betroffenen Seite dumpfe Schmerzen in der Flanke (Bereich zwischen den unteren Rippen und der Wirbelsäule). Manchmal kann ein Nierenstein den Harnleiter zeitweise blockieren und periodisch auftretende Schmerzen verursachen.

Eine Obstruktion mit einer daraus resultierenden Hydronephrose kann diffuse Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Unterleibsschmerzen verursachen. Diese Symptome treten manchmal bei Kindern auf, deren Hydronephrose Folge eines Geburtsfehlers ist, bei dem die Verbindungsstelle zwischen Nierenbecken und Harnleiter zu eng ist (Ureterabgangsstenose).

Patienten mit Harnwegsinfektionen (HWI) haben häufig Eiter oder Blut im Urin, Fieber und Beschwerden im Bereich der Blase oder Niere.

Diagnose einer Harnstauung

  • Blasenkatheterisierung

  • Bildgebende Verfahren

Eine frühe Diagnose ist wichtig, weil sich eine Harnwegblockade in den meisten Fällen korrigieren lässt und eine Verzögerung der Behandlung zu irreversiblen Nierenschäden führen kann. Die auftretenden Symptome, wie Nierenkolik, Symptome einer Ausdehnung der Blase oder eine verringerte Harnausscheidung, lassen den behandelnden Arzt möglicherweise auf eine Obstruktion schließen. Selten lässt sich eine vergrößerte Niere in der Flanke ertasten, in der Regel nur dann, wenn sie bei einem Säugling, einem Kind oder einem sehr schlanken Erwachsenen stark vergrößert ist. Eine ausgedehnte Blase lässt sich manchmal im Unterleib, direkt oberhalb des Schambeins ertasten.

Die Stauungsniere lässt sich mit verschiedenen Verfahren diagnostizieren.

Blasenkatheterisierung

Die Blasenkatheterisierung (Einführung eines Katheters über die Harnröhre) ist häufig das erste Diagnoseverfahren bei Symptomen, die auf eine Ausdehnung der Blase schließen lassen, wie etwa Druck und Ausdehnung im Bereich der Blase. Wenn durch den Katheter eine große Harnmenge abfließt, ist entweder der Blasenausgang oder die Harnröhre blockiert. Viele Ärzte überprüfen mittels Ultraschall, ob die Blase sehr voll ist, bevor sie sich für eine Blasenkatheterisierung entscheiden.

Bildgebende Verfahren

Es kann mithilfe verschiedener bildgebender Diagnostikverfahren eine Obstruktion wie eine Hydronephrose oder eine blockierte Stelle lokalisiert werden, wenn eine Obstruktion bzw. die Lage der Obstruktion nicht ganz klar sind. Die Ultrasonographie ist beispielsweise für viele Menschen ein sehr hilfreiches Verfahren (vor allem für Kinder und schwangere Frauen), da es sehr präzise ist und die Person keinerlei Strahlung ausgesetzt ist. Mit der Ultrasonographie lässt sich die Stelle der Obstruktion allerdings nicht immer genau bestimmen.

Eine Alternative stellt die Computertomographie (CT) dar. Es ist ein schnelles und hoch präzises Verfahren, insbesondere zum Erkennen von Steinen. Herkömmliche CT bringen eine erhebliche Strahlenbelastung mit sich. Bei neueren CT-Geräten und -Verfahren ist die Strahlungsmenge jedoch reduziert. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist zwar nicht so genau wie eine Ultrasonographie oder eine CT, insbesondere zur Bestimmung von Nierensteinen, kann aber zum Einsatz kommen, wenn ein Strahlungskontakt unbedingt vermieden werden soll oder wenn die Obstruktionsstelle auf der Ultrasonographie nicht zu sehen ist.

Weitere bildgebende Verfahren, wie die Miktionszystourethrographie (MCU), können zur Erkennung der verengten Stelle eingesetzt werden, insbesondere bei Kindern mit einer Verengung in der Blase oder Harnröhre. Hiermit können Verengungen in diesen Strukturen festgestellt werden (zum Beispiel durch Geburtsfehler). Mit diesem Verfahren lässt sich auch feststellen, wenn der Urin von der Blase zurück zu den Harnleitern fließt (vesikoureteraler Reflux) und Infektionen (HWI) oder eine Obstruktion der Harnwege verursacht. Beim Miktionszystourethrogramm werden Röntgenaufnahmen gemacht, nachdem über einen Katheter ein Kontrastmittel in die Blase eingeführt wurde.

Endoskopie

Zur Untersuchung von Harnröhre, Prostata und Blase kann eine Endoskopie zum Einsatz kommen. Hierfür wird ein spezielles starres oder flexibles Endoskop (ein sogenanntes Zystoskop) verwendet. Um die verengten Stellen zu bestimmen, kann ein längeres starres oder flexibles Endoskop (Ureteroskop) in die Harnleiter oder Nieren eingeführt werden. In manchen Fällen kann ein Zystoskop und/oder Ureteroskop auch verwendet werden, um die Ursache der Obstruktion zu entfernen.

Blut- und Urintests

Blut- und Urintests werden durchgeführt. Die Ergebnisse der Bluttests liegen gewöhnlich im Normalbereich (vor allem, wenn eine partielle oder eine akute Obstruktion vorliegt); es könnten jedoch bei den Untersuchungen hohe Harnstoff-Stickstoffwerte im Blut, Kreatininwerte oder beides nachgewiesen werden, wenn für mehrere Stunden eine Obstruktion beider Nieren vorlag. Die Ergebnisse einer Urinanalyse zeigen gewöhnlich normale Werte; wenn aber ein Stein oder ein Tumor die Ursache für die Obstruktion der Harnwege ist oder diese mit einer Infektion einhergeht, können sich weiße und rote Blutkörperchen in der Probe befinden.

Prognose bei einer Harnstauung

Die Obstruktion lässt sich normalerweise beseitigen; wenn dies jedoch zu spät erfolgt, kann die Niere dauerhafte geschädigt werden. Dennoch ist die Funktion einer intakten Niere ausreichend für den Körper; eine chronische Niereninsuffizienz beider Nieren ist sehr unwahrscheinlich, wenn nicht gleichzeitig beide Nieren über mindestens ein paar Wochen blockiert waren. Die Prognose hängt von der Ursache der Obstruktion ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine unbehandelte Infektion eine Nierenschädigung verursacht, ist deutlich höher als bei einem Nierenstein.

Behandlung einer Harnstauung

  • Beseitigung der Obstruktion

Eine Behandlung verfolgt in der Regel das Ziel, die Ursache der Obstruktion zu beseitigen. Wenn die Harnröhre aufgrund einer gutartigen vergrößerten Prostata oder durch einen Prostatakrebs blockiert ist, kann eine Behandlung z. B. eine Hormontherapie bei Prostatakrebs, einen chirurgischen Eingriff oder eine Erweiterung der Harnröhre mit Dilatatoren umfassen. Weitere Behandlungsoptionen, wie die „Intrakorporale Lithotripsie“ oder die endoskopische Chirurgie können erforderlich sein, um Steine zu entfernen, die den Harnfluss im Harnleiter oder der Niere blockieren.

Wenn die Obstruktionsursache nicht schnell beseitigt werden kann, insbesondere dann, wenn eine Infektion vorliegt, eine akute Niereninsuffizienz oder starke Schmerzen auftreten, werden die Harnwege entleert. Wenn durch die Obstruktion eine akute Hydronephrose entsteht, die nicht leicht zu beheben ist, kann der sich oberhalb der Obstruktion angestaute Urin mithilfe eines Katheters, der über den Rücken in die Nieren eingeführt wird (Nephrostomiekatheter), aus dem Körper geleitet werden oder über einen weichen Plastikkatheter, der die Blase mit der Niere verbindet (Harnleiterschiene). Mögliche Komplikationen bei beiden Verfahren umfassen Verrutschen des Katheters, Infektion und Unbehagen. Wenn sich eine Obstruktion, die schnell behoben werden muss, in der Harnröhre befindet, wird ein weicher Kunststoffkatheter in die Blase eingeführt, um den Urin aus dem Körper zu leiten.

Es besteht in der Regel keine Eile, Obstruktionen, mit einer daraus resultierenden chronischen Hydronephrose, zu beseitigen. Eventuelle Komplikationen einer Obstruktion der Harnwege, wie Harnwegsinfektionen und akute Niereninsuffizienz, werden sofort behandelt.