Kurzatmigkeit

(Dyspnoe)

VonRebecca Dezube, MD, MHS, Johns Hopkins University
Überprüft/überarbeitet Sep. 2021
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Kurzatmigkeit oder Atemnot – im medizinischen Sprachgebrauch Dyspnoe – ist das unangenehme Gefühl, nur mit Mühe atmen zu können. Kurzatmigkeit wird je nach Ursache unterschiedlich erlebt und beschrieben.

Bei körperlicher Aktivität und in großer Höhe atmet man ganz normal etwas schneller und heftiger, was aber nur selten Beschwerden verursacht. Bei vielen Erkrankungen der Lunge und anderer Bereiche des Körpers ist auch im Ruhezustand die Atemfrequenz erhöht. Beispielsweise atmen Patienten mit Fieber generell schneller.

Bei einer Dyspnoe wird schnellere Atmung von dem Gefühl begleitet, nicht genug Luft zu bekommen. Betroffene haben das Gefühl, dass sie nicht schnell oder tief genug einatmen können. Sie stellen fest, dass es sie mehr Anstrengung kostet, den Brustkorb beim Einatmen auszudehnen oder die Luft beim Ausatmen auszustoßen. Außerdem können sie das unangenehme Gefühl bekommen, unbedingt einatmen zu müssen (Inspiration), bevor das Ausatmen (Exspiration) ganz abgeschlossen ist, und verschiedene weitere Empfindungen werden meist als ein Gefühl der Brustenge umschrieben.

Andere Symptome wie Husten oder Schmerzen im Brustkorb können je nach Ursache der Dyspnoe ebenfalls vorliegen.

Ursachen für Kurzatmigkeit

Kurzatmigkeit (Dyspnoe) wird in der Regel durch Erkrankungen der Lunge oder des Herzens verursacht (siehe Tabelle Ursachen und Merkmale von Kurzatmigkeit).

Allgemein sind dies die häufigsten Ursachen:

Lungenembolie (plötzliche Verstopfung eines Blutgefäßes in der Lunge, in der Regel aufgrund eines Blutgerinnsels) ist eine seltenere, aber schwerwiegende Ursache.

Häufigste Ursache bei Patienten mit einer chronischen Lungen- oder Herzerkrankung:

  • Verschlimmerung der Grunderkrankung

Diese Patienten können jedoch auch eine neue Erkrankung aufweisen. So können langjährige Asthmapatienten auch einen Herzinfarkt erleiden, oder Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz können eine Lungenentzündung bekommen.

Lungenerkrankungen

Menschen mit einer Lungenerkrankung leiden oft unter Atemnot, wenn sie sich körperlich anstrengen. Bei körperlicher Aktivität produziert der Körper mehr Kohlendioxid und verbraucht mehr Sauerstoff. Das Atmungszentrum im Gehirn beschleunigt die Atmung, wenn die Sauerstoffsättigung im Blut niedrig bzw. die Kohlendioxidsättigung erhöht ist. Wenn Herz oder Lunge nicht ordnungsgemäß arbeiten, kann schon eine geringe Belastung die Atemfrequenz erheblich ansteigen lassen und zu Atemnot führen. Diese Kurzatmigkeit ist so unangenehm, dass Anstrengungen ganz vermieden werden. Verschlimmert sich die Lungenerkrankung, kann die Atemnot aber eventuell schon im Ruhezustand auftreten.

Ursachen einer Dyspnoe können sein

  • Restriktive Lungenerkrankungen

  • Obstruktive Lungenerkrankungen

Bei restriktiven Lungenerkrankungen (wie z. B. bei idiopathischer Lungenfibrose) versteift sich die Lunge und kann beim Einatmen nur mit größerer Anstrengung ausgedehnt werden. Eine schwere Rückgratverkrümmung (Skoliose) kann die Atmung ebenfalls beeinträchtigen, da die Bewegungen des Brustkorbs eingeschränkt werden.

Bei obstruktiven Erkrankungen (wie z. B. COPD oder Asthma) setzen die verengten Atemwege der Atemluft erhöhten Widerstand entgegen. Weil sich die Atemwege beim Einatmen ausdehnen, kann die Luft in der Regel eingesogen werden. Da sich die Atemwege aber beim Ausatmen wieder verengen, kann die Luft nicht schnell genug ausgestoßen werden, und es kommt zu erschwerter Atmung mit keuchenden Geräuschen. Zu Atemnot kommt es, wenn nach dem Ausatmen zu viel Luft in der Lunge verbleibt.

Patienten mit Asthma leiden bei einem Anfall unter Atemnot. Ihnen wird normalerweise empfohlen, bei einem Anfall einen Inhalator griffbereit zu haben. Das darin enthaltene Medikament erweitert die Atemwege.

Herzinsuffizienz

Das Herz pumpt Blut durch die Lunge. Wenn das Herz unzureichend pumpt (also bei einem Herzinsuffizienz), kann sich Flüssigkeit in der Lunge ansammeln – es bildet sich ein Lungenödem. Dadurch entsteht Atemnot, die oft von Erstickungsgefühlen oder Schwere in der Brust begleitet wird. Die Flüssigkeitsansammlung in der Lunge kann auch zur Verengung der Atemwege beitragen und Keuchatmung verursachen – dieses Symptom nennt sich Herzasthma.

Manche Patienten mit Herzinsuffizienz leiden an Orthopnoe, paroxysmaler nächtlicher Dyspnoe oder an beiden Symptomen. Orthopnoe bedeutet Kurzatmigkeit im Liegen, die sich beim Aufsetzen bessert. Paroxysmale nächtliche Dyspnoe ist ein oft von Panik begleiteter plötzlicher Anfall von Atemnot während der Nacht. Die betroffene Person wacht nach Luft schnappend auf und muss sich aufsetzen oder aufstehen, um einatmen zu können. Diese extreme Form von Orthopnoe ist ein Anzeichen für eine schwere Herzinsuffizienz.

Anämie

Menschen, die unter Anämie (Blutarmut) leiden oder aufgrund einer Verletzung viel Blut verloren haben, weisen weniger rote Blutkörperchen auf. Die roten Blutkörperchen versorgen das Gewebe mit Sauerstoff, und folglich kann bei den Betroffenen nur eine geringere Sauerstoffmenge im Blut transportiert werden. Die meisten Menschen mit Anämie fühlen sich wohl im Sitzen. Bei körperlicher Aktivität verspüren sie jedoch oft Atemnot, weil das Blut den erhöhten Sauerstoffbedarf des Körpers nicht gewährleisten kann. Daher atmen sie reflexartig schnell und tief in dem Versuch, den Sauerstoffgehalt des Blutes zu erhöhen.

Andere Ursachen

Bei einer Übersäuerung des Blutes (einer metabolischen Azidose) geraten Betroffene schnell außer Atem und beginnen, nach Luft zu ringen. Schweres Nierenversagen, eine plötzliche Verschlechterung von Diabetes mellitus sowie die Einnahme gewisser Medikamente oder Gifte kann eine metabolische Azidose zur Folge haben. Anämie und Herzinsuffizienz können bei Patienten mit Niereninsuffizienz zu Kurzatmigkeit beitragen.

Beim Hyperventilationssyndrom haben Betroffene das Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen, sodass sie schnell und tief zu atmen beginnen. Dies beruht jedoch häufig eher auf Angstzuständen als einem körperlichen Problem. Die Betroffenen haben Angst, weil sie möglicherweise Schmerzen im Brustkorb haben und befürchten, dass sie einen Herzinfarkt erleiden. Sie können Bewusstseinsveränderungen erleben, die in der Regel mit dem Gefühl beschrieben werden, dass alles, was um sie herum geschieht, weit entfernt zu sein scheint, und sie können auch ein Kribbeln in Händen, Füßen und um den Mund herum verspüren.

Abklärung von Kurzatmigkeit

Die folgenden Informationen können helfen zu klären, wann man zum Arzt gehen sollte und was im Rahmen dieser Untersuchung zu erwarten ist.

Warnsignale

Wenn jemand an Dyspnoe leidet, geben die folgenden Symptome besonderen Anlass zu Besorgnis:

  • Kurzatmigkeit im Ruhezustand

  • Reduziertes Bewusstsein, Gemütserregung oder Verwirrtheit

  • Beschwerden im Brustbereich oder das Gefühl eines hämmernden oder rasenden Herzens oder dass der Herzschlag kurz aussetzt (Palpitationen)

  • Gewichtsverlust

  • Nachtschweiß

Wann ein Arzt zu konsultieren ist:

Wer im Ruhezustand unter Kurzatmigkeit leidet, Schmerzen im Brustkorb, Palpitationen, reduziertes Bewusstsein, Gemütserregung oder Verwirrtheit vorweist oder Schwierigkeiten beim Ein- oder Ausatmen hat, sollte sich umgehend in ein Krankenhaus begeben. Betroffene müssen womöglich umgehend untersucht, behandelt und manchmal auch ins Krankenhaus eingewiesen werden. In anderen Fällen sollten Betroffene ihren Hausarzt anrufen. Dieser kann aufgrund der Art und des Schweregrads ihrer Symptome, ihres Alters und etwaiger Grunderkrankungen beurteilen, wie rasch sie untersucht werden müssen. Normalerweise sollte eine Untersuchung innerhalb von wenigen Tagen stattfinden.

Was der Arzt unternimmt:

Ärzte stellen zunächst immer Fragen zu den Symptomen und zur Krankengeschichte des Patienten. Darauf folgt eine körperliche Untersuchung. Die Befunde in der Krankengeschichte und bei der körperlichen Untersuchung deuten häufig auf eine Ursache und die eventuell erforderlichen Untersuchungen hin (siehe Tabelle mit Ursachen und Merkmale von Kurzatmigkeit).

Der Hausarzt kann zur Beurteilung folgende Fragen stellen:

  • Seit wann besteht die Kurzatmigkeit?

  • Ist sie plötzlich oder allmählich aufgetreten?

  • Wie lange verspürt die betroffene Person bereits Kurzatmigkeit?

  • Gibt es bestimmte Umstände (wie z. B. kalte Luft, Anstrengung, Allergene oder das Einnehmen einer liegenden Position), welche die Symptome auslösen oder verschlimmern?

Den Betroffenen werden zudem Fragen zur Krankengeschichte (u. a. zu Lungen- oder Herzerkrankungen) gestellt, ob sie rauchen oder geraucht haben, ob es Familienmitglieder mit Bluthochdruck oder hohem Cholesterinspiegel gibt und ob Risikofaktoren für eine Lungenembolie (z. B. ein kürzlich erfolgter Krankenhausaufenthalt, chirurgischer Eingriff oder Langstreckenflug) vorliegen.

Die körperliche Untersuchung konzentriert sich auf Herz und Lunge. Die Lunge wird auf eine Stauung sowie auf Keuchatmung und rasselnde Geräusche abgehorcht. Das Herz wird ebenfalls auf Geräusche abgehorcht (die auf eine Störung der Herzklappen hinweisen). Wenn beide Beine geschwollen sind, deutet dies auf eine Herzinsuffizienz hin, aber wenn nur ein Bein geschwollen ist, ist die Wahrscheinlichkeit eines Blutgerinnsels in diesem Bein höher. Das Gerinnsel im Bein kann losbrechen und in den Blutgefäßen der Lunge für eine Lungenembolie sorgen.

Tabelle

Tests

Um den Schweregrad des vorliegenden Problems zu beurteilen, wird die Sauerstoffsättigung des Blutes anhand eines Sensors an einem Finger (Pulsoximetrie) gemessen. Normalerweise werden auch Röntgenaufnahmen des Brustkorbs gemacht, sofern der Betroffene nicht eindeutig einen milden Schub einer bereits diagnostizierten chronischen Erkrankung wie Asthma oder Herzinsuffizienz zu erleiden scheint. Die Röntgenaufnahmen des Brustkorbs können Nachweise eines Lungenkollapses, einer Lungenentzündung und vieler weiterer auffälliger Befunde in Herz und Lunge liefern. Bei den meisten Erwachsenen wird mithilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) geprüft, ob die Durchblutung des Herzens unzureichend ist.

Weitere Tests werden auf Grundlage der Ergebnisse der Untersuchung durchgeführt (siehe Tabelle Ursachen und Merkmale von Kurzatmigkeit). Tests zur Beurteilung, wie gut die Lunge ihre Funktionen wahrnimmt (Lungenfunktionsprüfung ), werden vorgenommen, wenn die ärztliche Untersuchung auf eine Lungenerkrankung hindeutet, die anhand der Röntgenaufnahmen des Brustkorbs nicht diagnostiziert werden kann. Mit Lungenfunktionsprüfungen kann das Ausmaß der Einengung oder Behinderung der Lunge und ihre Fähigkeit, Sauerstoff aus der Luft ins Blut zu überführen, gemessen werden. Ein Lungenproblem kann restriktive und obstruktive Auffälligkeiten sowie Auffälligkeiten beim Sauerstofftransport umfassen.

Bei Personen mit mäßigem oder erhöhtem Risiko für Lungenembolien werden spezielle Lungenaufnahmen, wie z. B. mit Computertomografie-Angiografie oder Lungenventilations- bzw. Lungenperfusionsszintigrafie gemacht. Bei Personen mit geringem Risiko für Lungenembolien kann ein D-Dimer-Test durchgeführt werden. Dieser Bluttest hilft bei der Bestimmung eines Blutgerinnsels oder kann ein solches ausschließen. Zur Diagnose und weiteren Beurteilung von Anämie, Herzproblemen und gewissen Lungenproblemen können weitere Tests notwendig werden.

Laboruntersuchung

Behandlung von Kurzatmigkeit

Die Behandlung der Dyspnoe zielt auf die jeweilige Ursache ab. Menschen mit einer niedrigen Sauerstoffsättigung im Blut erhalten zusätzlichen Sauerstoff über eine Nasenbrille oder eine Gesichtsmaske aus Plastik. In schweren Fällen kann die Atmung besonders bei Patienten, die nicht tief oder rasch genug atmen können, durch mechanische Beatmung mittels Beatmungsschlauch in der Luftröhre oder über eine eng anliegende Gesichtsmaske unterstützt werden.

Morphin kann intravenös verabreicht werden, um die Angstzustände und Beschwerden von Patienten mit Dyspnoe im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen wie Herzinfarkten, Lungenembolien oder auch unheilbaren Krankheiten im Endstadium zu lindern.

Wichtigste Punkte

  • Kurzatmigkeit (Dyspnoe) wird in der Regel durch Lungen- oder Herzerkrankungen verursacht.

  • Bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung (wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung) oder Herzerkrankung (wie z. B. Herzinsuffizienz) ist die häufigste Ursache der Atemnot ein Schub der chronischen Erkrankung, wobei diese Patienten allerdings auch neue Probleme (wie z. B. einen Herzinfarkt) entwickeln können, der zu der Atemnot (Dyspnoe) beiträgt oder diese gar auslöst.

  • Patienten mit Dyspnoe im Ruhezustand, vermindertem Bewusstsein oder Verwirrtheit sollten sich zur notfallmäßigen Beurteilung umgehend in ein Krankenhaus begeben.

  • Um den Schweregrad des vorliegenden Problems zu beurteilen, wird die Sauerstoffsättigung des Blutes anhand eines Sensors an einem Finger (Pulsoximetrie) gemessen.

  • Die Patienten werden auf unzureichende Blut- und Sauerstoffversorgung des Herzens (myokardiale Ischämie) und Lungenembolien hin untersucht, obwohl diese Störungen manchmal nur unbestimmte Symptome verursachen können.