Respiratorische Insuffizienz

(Lungenversagen)

VonBhakti K. Patel, MD, University of Chicago
Überprüft/überarbeitet Apr. 2022
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Kurzinformationen

Bei respiratorischer Insuffizienz ist die Sauerstoffsättigung des Blutes gefährlich niedrig und der Kohlendioxidgehalt im Blut bedrohlich hoch.

  • Mögliche Ursachen für respiratorische Insuffizienz sind Störungen, welche die Atemwege blockieren, Lungengewebe schädigen, die Atemmuskulatur schwächen oder den natürlichen Atmungsantrieb behindern.

  • Patienten können in schwere Atemnot geraten, eine bläuliche Verfärbung der Haut aufweisen und verwirrt oder schläfrig sein.

  • Der Arzt kann einen Fingersensor (Pulsoximetrie) verwenden, um niedrige Sauerstoffwerte zu erkennen, und Blutuntersuchungen, um hohe Kohlendioxidwerte im Blut aufzudecken.

  • Sauerstoff wird verabreicht.

  • Gelegentlich benötigen Patienten die Hilfe einer Maschine, um zu atmen (künstliche Beatmung), bis das zugrunde liegende Problem behandelt werden kann.

Die akute respiratorische Insuffizienz ist ein medizinischer Notfall, der folgende Ursachen haben kann:

  • Lange bestehende Lungenerkrankung, die plötzlich schlimmer wird

  • Schwere Lungenerkrankung, die sich plötzlich anders entwickelt als bei gesunden Personen

Ein Beispiel für eine plötzlich auftretende Lungenerkrankung ist das akute Atemnotsyndrom.

Die chronische respiratorische Insuffizienz ist ein andauerndes Atemproblem, das durch eine langjährige Lungenerkrankung wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) verursacht werden kann.

Ursachen für eine respiratorische Insuffizienz

Fast alles, was die Atmung oder die Lunge beeinträchtigt, kann zu einer respiratorischen Insuffizienz führen. Die respiratorische Insuffizienz kann auf zwei Arten auftreten:

  • Der Sauerstoffgehalt im Blut wird zu niedrig (hypoxämische respiratorische Insuffizienz).

  • Der Kohlendioxidgehalt im Blut wird zu hoch (hyperkapnische respiratorische Insuffizienz).

Manchmal gibt es Personen, bei denen sowohl geringe Sauerstoff- als auch hohe Kohlendioxidwerte vorliegen.

Tabelle

Niedriger Sauerstoffgehalt (hypoxämische respiratorische Insuffizienz)

Eine häufige Ursache für hypoxämische respiratorische Insuffizienz ist eine Anomalie des Lungengewebes, z. B. akutes Atemnotsyndrom, schwere Lungenentzündung, überschüssige Flüssigkeit in der Lunge (z. B. verursacht durch Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz) oder Narbenbildung im Lungengewebe. Solche Anomalien stören die übliche Fähigkeit des Lungengewebes, den Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen.

Hypoxämische respiratorische Insuffizienz kann auch auftreten, wenn die Durchblutung der Lunge gestört ist, z. B. wenn eine Lungenarterie durch ein Blutgerinnsel blockiert wird (Lungenembolie). Diese Störung verhindert zwar nicht die normale Fähigkeit des Lungengewebes, den Sauerstoff aufzunehmen, wenn aber bestimmte Teile der Lunge nicht durchblutet werden, kann aus der Luft nicht genügend Sauerstoff aufgenommen werden.

Hoher Kohlendioxidgehalt im Blut (hyperkapnische respiratorische Insuffizienz).

Bei hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz ist der Kohlendioxidgehalt zu hoch, in der Regel, weil etwas die normale Atmung behindert. Häufig können solche Fälle die folgenden Ursachen haben:

  • Ein niedriger Schilddrüsenhormonspiegel (Hypothyreose)

  • Schlafapnoe

  • Ruhigstellung aufgrund einer Überdosis Opioide oder Alkohol

  • Blockade oder Verengung der Atemwege

  • Lungenverletzung

  • Schädigung der Knochen und Gewebe um die Lunge

  • Schwäche der Muskeln, die normalerweise die Lunge mit Luft füllen

Hypothyreose, Schlafapnoe sowie eine Überdosis Opioide oder Alkohol verringern den unbewussten Atemreflex. Eine Blockade oder Verengung der Atemwege kann durch eine Erkrankung (z. B. Asthma oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung) sowie durch eingeatmete Fremdkörper entstehen. Verletzungen des Brustkorbs oder der Lunge sowie eine Schwäche der Brustmuskulatur (z. B. bei Menschen mit Myasthenia gravis, Guillain-Barré-Syndrom oder amyotropher Lateralsklerose [ALS]) können die Atmung behindern und ein hyperkapnische respiratorische Insuffizienz verursachen.

Personen, die nicht ausreichend atmen, können auch einen niedrigen Sauerstoffgehalt haben, aber man geht nicht von einer hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz aus, solange nicht auch eine Erkrankung des Lungengewebes vorliegt.

Bei einem hohen Kohlendioxidgehalt neigt das Blut zur Übersäuerung, und dies führt zu Störungen der Körperchemie.

Wussten Sie ?

  • Altersbedingte Einschränkungen der Lungenfunktion bedeuten, dass ältere Menschen einem höheren Risiko für schwerwiegende Symptome nach einer Lungenentzündung ausgesetzt sind.

Symptome einer respiratorischen Insuffizienz

Hypoxämische respiratorische Insuffizienz und hyperkapnische respiratorische Insuffizienz verursachen oft ähnliche Symptome. Die Patienten sind normalerweise sehr kurzatmig. Ein niedriger Sauerstoffgehalt im Blut verursacht Kurzatmigkeit und führt bei hellhäutigen Menschen zu einer bläulichen Färbung der Haut (Zyanose) und bei dunkelhäutigen Menschen zu einer grauen oder weißlichen Färbung im Mund, um die Augen und unter den Nägeln. Der niedrige Sauerstoff- und der hohe Kohlendioxidgehalt sorgen zusammen mit der zunehmenden Übersäuerung des Blutes für Verwirrtheit und Schläfrigkeit.

Wenn der Atmungsantrieb normal ist, versucht der Körper durch tiefe, schnelle Atmung das Kohlendioxid loszuwerden. Wenn die Lunge nicht normal funktioniert, nützt dies jedoch nichts. Schließlich kommt es zu Gehirn- und Herzfunktionsstörungen, die zu Benommenheit (gelegentlich bis hin zur Bewusstlosigkeit) und Herzrhythmusstörungen und letztlich sogar zum Tod führen können.

Einige Symptome der respiratorischen Insuffizienz hängen von der jeweiligen Ursache ab. Wenn der Atemreflex gestört ist (z. B. nach einer Überdosis mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln), kann der Patient in einen sehr tiefen Schlaf fallen, die Atmung sich zu sehr verlangsamen und der Patient kann unauffällig in ein Koma fallen. Ein Kind, dessen Atemweg aufgrund eines eingeatmeten Fremdkörpers (wie z. B. eine Münze oder ein Spielzeug) blockiert ist, kann plötzlich japsen und um Atem ringen.

Diagnose einer respiratorischen Insuffizienz

  • Messungen des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts im Blut

  • Zur Bestimmung der Ursache werden Röntgenaufnahmen des Brustkorbs und andere Tests durchgeführt.

Der Verdacht auf eine respiratorische Insuffizienz kann bereits aufgrund der Symptome und der Befunde bei der körperlichen Untersuchung auftreten.

Der Sauerstoffgehalt im Blut kann ohne Entnahme einer Blutprobe mithilfe einer Elektrode gemessen werden, die an einen Finger oder ein Ohrläppchen angelegt wird – das entsprechende Verfahren wird Pulsoximetrie genannt.

Die Untersuchung einer Blutprobe aus einer Arterie bestätigt die Diagnose der respiratorischen Insuffizienz, wenn sie eine gefährlich niedrige Sauerstoffsättigung und/oder einen bedrohlich hohen Kohlendioxidgehalt des Blutes aufzeigt.

Eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs und normalerweise andere Tests werden durchgeführt, um die Ursache für die respiratorische Insuffizienz aufzuspüren.

Behandlung einer respiratorischen Insuffizienz

  • zusätzlicher Sauerstoff

  • Künstliche Beatmung

  • Behandlung der Krankheitsursache

Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz werden auf einer Intensivstation behandelt.

Es wird zusätzlicher Sauerstoff gegeben, um bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz den Sauerstoffmangel zu beheben. Sauerstoff kann über eine kleine Nasenbrille (Nasenkanüle), die in die Nasenlöcher gelegt wird oder eine Gesichtsmaske verabreicht werden, je nachdem, wie viel Sauerstoff der Patient benötigt. Normalerweise wird der Sauerstoff zunächst in höherer Menge verabreicht als benötigt wird und zu einem späteren Zeitpunkt nach unten angepasst.

Mithilfe der künstlichen Beatmung wird bei Patienten mit hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz das Problem der mangelhaften Lungenbelüftung gelöst (und der Kohlendioxidgehalt wird verringert). Bei der künstlichen Beatmung wird eine Maschine (Beatmungsgerät) eingesetzt, um das Ein- und Ausatmen zu erleichtern. Die Luft wird unter Druck von der Maschine über eine Gesichtsmaske (nichtinvasive Überdruckbeatmung) oder ein anderes Gerät oder durch einen in der Luftröhre liegenden Schlauch (invasive Überdruckbeatmung) zugeführt.

Ärzte versuchen oft zuerst nichtinvasive Methoden. Unter Umständen kann aber eine invasive künstliche Beatmung notwendig sein, es sei denn, eine respiratorische Insuffizienz wird durch eine nichtinvasive Behandlung schnell behoben. Die meisten Patienten mit respiratorischer Insuffizienz werden sowohl mit zusätzlichem Sauerstoff als auch mit einer Art künstlicher Beatmung behandelt.

Die der respiratorischen Insuffizienz zugrunde liegende Erkrankung muss behandelt werden. So werden zum Beispiel Antibiotika gegen eine Lungenentzündung (Pneumonie) eingesetzt, die durch bakterielle Infektion aufgetreten ist und Bronchodilatatoren bei Asthmapatienten, um die Atemwege zu öffnen. Andere Medikamente dienen beispielsweise dazu, eine Entzündung zu lindern oder Blutgerinnsel aufzulösen.