Chronische Erkrankungen bei Kindern

VonSteven D. Blatt, MD, State University of New York, Upstate Medical University
Überprüft/überarbeitet Okt. 2021
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

    Schwere Erkrankungen, auch wenn sie vorübergehend sind, können bei Kindern und ihren Familien starke Ängste auslösen. Chronische Erkrankungen dauern länger als 12 Monate an und sind so schwerwiegend, dass sie einige der normalen Aktivitäten beeinträchtigen. Sie führen normalerweise zu einer höheren emotionalen Belastung als vorübergehende Probleme.

    Beispiele für chronische Erkrankungen sind:

    Eine Krankheit zu bewältigen bedeutet häufig, dass Kinder Schmerzen ertragen, Untersuchungen über sich ergehen lassen, Medikamente anwenden und ihre Ernährung und Lebensweise umstellen. In vielen Fällen beeinträchtigt eine chronische Erkrankung wegen der häufigen Fehlzeiten in der Schule die Ausbildung. Die Krankheit sowie die Nebenwirkungen der Behandlung können sich negativ auf die Lernfähigkeit des Kindes auswirken. Auch wenn Eltern und Lehrer weniger hohe Ansprüche an die schulischen Leistungen kranker Kinder stellen, ist es dennoch wichtig, die Kinder so zu fordern und zu motivieren, dass sie ihr Bestes geben.

    Auswirkungen auf Kinder

    Krankheit und Krankenhausaufenthalte hindern Kinder daran, mit anderen Kindern zu spielen. Es kann sogar vorkommen, dass kranke Kinder von anderen Kindern wegen körperlicher Unterschiede und Einschränkungen zurückgewiesen oder gehänselt werden. Durch Krankheit verursachte Veränderungen des Körpers, besonders wenn diese erst im Laufe der Kindheit oder Pubertät auftreten und nicht von Geburt an vorhanden waren, können das Kind verunsichern.

    Kinder im Schulalter leiden am meisten darunter, dass sie nicht in die Schule gehen und keine Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen können.

    Jugendliche kämpfen damit, dass sie nicht selbstständig sein können, da sie bei vielen täglichen Bedürfnissen auf die Hilfe ihrer Eltern und anderer Personen angewiesen sind. Zudem fällt es ihnen besonders schwer, dass sie nicht wie ihre Gleichaltrigen sind.

    Behüten Eltern und Angehörige das Kind oder den Jugendlichen zu sehr, hindern sie es bzw. ihn daran, selbstständig zu werden.

    Ein Krankenhausaufenthalt hat für Kinder in jedem Fall etwas Beängstigendes. Den Eltern und Kindern sollte der komplette Krankenhausaufenthalt erklärt werden, auch die Aufnahme, damit sie wissen, was sie erwartet. Idealerweise sollten Kinder in ein Kinderkrankenhaus kommen. In den meisten Krankenhäusern werden die Eltern ermutigt, bei ihren Kindern zu bleiben, auch bei Behandlungen, die schmerzhaft oder furchteinflößend sein können. Doch auch wenn die Eltern immer dabei sind, fangen manche Kinder im Krankenhaus plötzlich wieder an zu klammern oder werden unselbstständig.

    Auswirkungen auf die Eltern und andere Familienmitglieder

    Eine chronische Krankheit des Kindes stellt eine gewaltige psychische, finanzielle, emotionale und körperliche Belastung für die Eltern dar. Manche Paare schweißt das Bemühen, gemeinsam mit der Last fertig zu werden, eng zusammen. Häufig wird die Beziehung jedoch auf eine harte Probe gestellt. Die Eltern geben sich vielleicht selbst die Schuld an der Erkrankung, besonders wenn es sich um eine genetische Krankheit handelt oder die Krankheit durch Komplikationen während der Schwangerschaft, einen Unfall oder das Verhalten eines Elternteils (zum Beispiel durch Rauchen) verursacht wurde. Hinzu kommt, dass die medizinische Versorgung Kosten verursachen und zu Arbeitsausfällen führen kann. Manchmal trägt ein Elternteil die Last der Pflege ganz allein, was bei dem Pflegenden Bitterkeit und bei dem anderen ein Gefühl des Ausgegrenztseins auslösen kann. Oft empfinden die Eltern auch Wut auf das medizinische Personal, auf sich selbst, auf den Partner oder auf das Kind. Es gibt auch Eltern, die sich weigern, die Schwere der Krankheit ihres Kindes zu akzeptieren. Die emotionale Belastung, die mit der Pflege einhergeht, macht es oft schwierig, zu einem behinderten oder schwer kranken Kind eine tiefe Beziehung aufzubauen.

    Eltern, die viel Zeit mit einem kranken Kind verbringen, haben häufig wenig Zeit, sich intensiv um ihre anderen Kinder zu kümmern. So können die Geschwister eifersüchtig sein, weil das kranke Kind mehr Aufmerksamkeit erhält, und sich dann wegen ihrer Gefühle schuldig fühlen. Das kranke Kind hingegen kann Schuldgefühle entwickeln, weil es glaubt, eine Last für seine Familie zu sein. Häufig sind Eltern auch zu nachgiebig einem kranken Kind gegenüber, oder sie sind bei der Erziehung nicht konsequent, besonders wenn die Symptome kommen und gehen.

    Wenngleich die Erkrankung eines Kindes immer für die gesamte Familie beschwerlich ist, gibt es einige Maßnahmen, die die Eltern ergreifen können, um die Belastung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. So sollten die Eltern versuchen, von zuverlässiger Seite, beispielsweise von den Ärzten des Kindes oder aus vertrauenswürdigen medizinischen Quellen, so viel wie möglich über die Krankheit ihres Kindes zu erfahren. Da Informationen aus dem Internet nicht immer zuverlässig sind, sollten Eltern die Ärzte zu den so gewonnenen Informationen befragen. Die Ärzte können den Eltern häufig Selbsthilfegruppen und andere Familien mit einem ähnlichen Schicksal empfehlen, welche Auskunft geben und emotionale Hilfestellung leisten können.

    Wussten Sie ...?

    • Die Eltern verbringen womöglich mehr Zeit und sind nachgiebiger mit dem kranken Kind als mit dessen Geschwistern, was bei diesen zu Empörung und Schuldgefühlen aufgrund ihrer Eifersucht führen kann.

    Versorgungsteam

    Die erforderlichen Gesundheitsdienste für das Kind können Fachärzte, Pflegepersonal, häusliche Pflegekräfte, psychiatrische Fürsorge sowie Fachkräfte aus vielen anderen Bereichen umfassen. Falls verfügbar, sind pädiatrische Gesundheitsfachkräfte (Child Life Specialists), die darauf geschult sind, Kindern und Eltern zu helfen, mit den Herausforderungen der Erkrankung und des Krankenhausaufenthaltes umzugehen, wunderbare Hilfen. Bei Kindern mit komplexen chronischen Krankheiten kann ein Case Manager nützlich sein, um die medizinische Versorgung des Kindes zu koordinieren. Als Case Manager können der Arzt des Kindes, Pflegepersonal, Sozialarbeiter oder andere Fachkräfte fungieren. Der Case Manager sorgt auch dafür, dass das Kind Training zur Entwicklung sozialer Kompetenzen erhält und die Familie sowie das Kind entsprechende Beratungs- und Aufklärungsangebote sowie psychologische und soziale Unterstützung wie Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen.

    Unabhängig davon, wer für die Koordination zuständig ist, müssen die Familie und das Kind bei der Versorgung und Entscheidungsfindung als Partner fungieren, da die Familie die wichtigste Quelle für Stärke und Unterstützung darstellt. Dieser familienorientierte Ansatz sorgt dafür, dass Informationen ausgetauscht werden und die Familie mehr Entscheidungsbefugnis erhält, und er stellt einen grundlegenden Teil der Versorgung des Kindes dar. Gemäß diesem kindes- und familienorientierten Ansatz gestalten immer mehr Arztpraxen ihre Praxen zu patientenorientierten medizinischen Einrichtungen um. Eine patientenorientierte medizinische Einrichtung ist eine medizinische Praxis, die sich an die zusätzlichen Qualitätsrichtlinien des US-National Center for Quality Assurance hält. Das Versorgungsteam einer patientenorientierten medizinischen Einrichtung bezieht die Patienten bei der Gestaltung und Umsetzung ihrer eigenen Versorgung mit ein. Pflegemanager verwenden individuelle Versorgungspläne und andere Protokolle, um sicherzustellen, dass alle Patienten, insbesondere solche mit komplexen medizinischen Problemen, an der Bewältigung ihrer eigenen medizinischen Probleme und ihrer medizinischen Versorgung beteiligt sind.

    Wussten Sie ...?

    • Manchmal übernimmt ein Elternteil notgedrungen die Pflege des Kindes, während sich der Partner isoliert fühlen kann.