Familiäres Mittelmeerfieber

VonApostolos Kontzias, MD, Stony Brook University School of Medicine
Überprüft/überarbeitet Sep. 2021
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Das Familiäre Mittelmeerfieber ist eine vererbte Erkrankung, die durch Fieberschübe mit begleitenden Bauchschmerzen oder seltener Schmerzen im Brustkorb, Gelenkschmerzen oder einem Ausschlag charakterisiert ist.

  • Sie wird durch ein von beiden Eltern ererbtes Gen verursacht.

  • Die meisten Betroffenen haben Schübe von starken Bauchschmerzen und hohem Fieber.

  • Die Diagnose basiert normalerweise auf den Symptomen, Gentests sind jedoch verfügbar.

  • Bei nicht angemessener Behandlung kann eine Amyloidose entstehen.

  • Mit Colchicin können die Schubfrequenz reduziert oder Schübe gestoppt und das Risiko einer Niereninsuffizienz aufgrund einer Amyloidose beseitigt werden.

Das familiäre Mittelmeerfieber ist über alle Altersgruppen hinweg das am häufigsten auftretende hereditäre periodische Fiebersyndrom. Betroffen sind Menschen aus dem Mittelmeerraum (wie sephardische Juden, nordafrikanische Araber, Armenier, Griechen, Italiener und Türken). Diese Erkrankung ist jedoch auch bei Menschen mit anderer ethnischer Herkunft aufgetreten (z. B. bei Aschkenasim-Juden, Kubanern und Japanern). Bis zu 50 Prozent der von familiärem Mittelmeerfieber betroffenen Menschen haben Verwandte, meistens Geschwister, welche die Erkrankung haben (Familiengeschichte).

Das familiäre Mittelmeerfieber wird durch ein defektes rezessives Gen verursacht. Damit eine Person erkrankt, muss sie für gewöhnlich zwei Kopien des veränderten Gens haben, eine von jedem Elternteil. Es kann jedoch schon eine Kopie des mutierten Gens ausreichen, um einige Symptome hervorzurufen.

Das veränderte Gen führt zur Produktion einer fehlerhaften Form des Proteins Pyrin, das Entzündungen reguliert. Es gibt eine Reihe verschiedener möglicher Mutationen des Gens, von denen noch nicht alle identifiziert wurden, was möglicherweise erklärt, warum manche Menschen mit einem typischen familiären Mittelmeerfieber keine Mutation im Gen haben. Alternativ können auch nicht-genetische Faktoren vorliegen, die eine Rolle bei der Entwicklung dieses Syndroms spielen.

Symptome

Die Symptome des familiären Mittelmeerfiebers treten meist im Alter zwischen 5 und 15 Jahren auf.

Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Bauchschmerzen und Fieber

Bei rund 95 Prozent der betroffenen Menschen treten in unregelmäßigen Abständen Schübe von Bauchschmerzen auf, die von hohem Fieber bis 40 °C begleitet werden. Diese schmerzhaften Schübe dauern normalerweise 24 bis 72 Stunden, manchmal auch länger und können im Extremfall zweimal pro Woche oder aber auch nur einmal pro Jahr auftreten. Der Schweregrad und die Häufigkeit der Schübe können mit dem Alter, während einer Schwangerschaft und bei Menschen abnehmen, die eine Amyloidose entwickeln. Manchmal hören die Schübe für mehrere Jahre gänzlich auf, um dann erneut zu beginnen.

Die Bauchschmerzen werden durch eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) verursacht. Sie beginnen normalerweise an einer Stelle im Bauch und breiten sich dann im gesamten Bauchraum aus. Die Stärke der Schmerzen kann bei jedem Schub variieren.

Zu den selteneren Symptomen gehören:

  • Schmerzen im Brustkorb: Rund 30 Prozent der betroffenen Menschen haben Schmerzen im Brustkorb. Diese machen sich typischerweise beim Atmen bemerkbar und werden durch eine Brustfellentzündung (Pleuritis) oder seltener durch eine Herzbeutelentzündung (Perikarditis) verursacht.

  • Arthritis: Ungefähr 25 Prozent der Betroffenen leiden unter Entzündungen der großen Gelenke (Arthritis) wie Knie, Knöchel und Hüfte.

  • Ausschlag: In Knöchelnähe kann ein schmerzhafter roter Ausschlag auftreten, der aber bei den betroffenen Menschen in den USA verhältnismäßig selten vorkommt.

  • Hodenschmerzen: Bei Männern kann der Hodensack (Skrotum), eine beutelartige Hauttasche, die die Hoden enthält und schützt, anschwellen und aufgrund einer Entzündung eines Hodens zu Schmerzen kommen.

Trotz der Schwere der Symptome während der Schübe erholen sich die betroffenen Menschen schnell und bleiben bis zum nächsten Schub krankheitsfrei.

Komplikationen durch das familiäre Mittelmeerfieber

Wird das familiäre Mittelmeerfieber nicht angemessen behandelt, kann bei den betroffenen Menschen eine Amyloidose entstehen. Bei der Amyloidose lagert sich ein ungewöhnlich geformtes, als Amyloid bezeichnetes Protein in den Nieren und vielen anderen Organen und Geweben ab und beeinträchtigt deren Funktion.

Ablagerungen des Proteins Amyloid können die Nieren schädigen und schließlich zu Niereninsuffizienz führen. Bei den Betroffenen kann sich Flüssigkeit im Körper ansammeln, sie können sich schwach fühlen und ihren Appetit verlieren.

Ungefähr ein Drittel der erkrankten Frauen ist unfruchtbar oder erleidet Fehlgeburten. Rund 20 bis 30 Prozent der Schwangerschaften enden mit dem Verlust des Fötus. Die Erkrankung kann zur Bildung von Narbengewebe im Beckenbereich führen. das Empfängnisschwierigkeiten verursachen kann.

Menschen mit familiärem Mittelmeerfieber haben ein erhöhtes Risiko für andere entzündliche Erkrankungen, wie z. B. Spondylitis ankylosans (Morbus Bechertew), Immunglobulin-A-assoziierte Vaskulitis (früher Purpura Henoch-Schönlein), juvenile idiopathische Arthritis, Polyarteriitis nodosa, multiple Sklerose und Morbus Behçet (Behçet-Syndrom).

Diagnose

  • Untersuchung durch den Arzt

  • Genetische Untersuchung

Der Arzt stützt seine Diagnose des familiären Mittelmeerfiebers gewöhnlich auf typische Symptome. Die Bauchschmerzen des Familiären Mittelmeerfiebers sind jedoch praktisch nicht von den Schmerzen bei akutem Abdomen, insbesondere bei einem Blinddarmdurchbruch, zu unterscheiden. Deshalb wird bei manchen Menschen mit dieser Erkrankung eine Notfalloperation durchgeführt, bevor die korrekte Diagnose gestellt wird.

Zwar kann ein routinemäßiger Labortest oder ein bildgebendes Verfahren für sich allein nicht zu Diagnosezwecken genutzt werden, sie können aber nützlich sein, um andere Erkrankungen auszuschließen. Bluttests können das veränderte Gen, das die Erkrankung verursacht, identifizieren und somit manchmal die Diagnose sichern. Einige Menschen mit dem typischen familiären Mittelmeerfieber haben nur eine Kopie des Gens statt der üblichen zwei, oder sie haben keine nachweisbaren Mutationen des Gens, sodass die Testergebnisse negativ ausfallen. In diesen Fällen sollten Menschen eine Genberatung und eine Versorgung von Fachärzten erhalten, die sich mit dem familiären Mittelmeerfieber auskennen.

Vorbeugung und Behandlung

  • Colchicin

Die tägliche orale Einnahme von Colchicin kann bei ungefähr 85 Prozent der Betroffenen die schmerzhaften Schübe gänzlich stoppen oder die Anzahl der Schübe deutlich reduzieren. Zudem wird so das Risiko von Niereninsuffizienz aufgrund einer Amyloidose praktisch ausgeschlossen. Bei schwangeren Frauen verhindert Colchicin Schübe, die zu einer Fehlgeburt führen könnten. Falls Personen selten Schübe haben, die nur langsam einsetzen, können sie mit der Einnahme von Colchicin bis zum Beginn der Symptome warten und es dann aber sofort einnehmen.

Falls Colchicin nicht hilft, können andere Medikamente wie unter die Haut injiziertes Canakinumab, Anakinra oder Rilonacept helfen. Diese Medikamente modifizieren die Funktionsweise des Immunsystems und schwächen Entzündungen ab.

Ibuprofen oder Paracetamol können bei Schmerzen und Fieber verabreicht werden.