Wie gerinnt Blut?

VonJoel L. Moake, MD, Baylor College of Medicine
Überprüft/überarbeitet Okt. 2021
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Kurzinformationen

    Mit der Blutstillung (Hämostase) hält der Körper verletzte Blutgefäße davon ab, zu bluten. Die Hämostase schließt die Blutgerinnung ein.

    • Eine zu geringe Gerinnung kann zu übermäßigen Blutungen von leichten Verletzungen führen.

    • Eine zu starke Gerinnung kann Blutgefäße blockieren, die nicht bluten.

    Daher verfügt der Körper über Kontrollmechanismen, um die Gerinnung einzuschränken und Gerinnsel aufzulösen, die nicht mehr notwendig sind. Jede Störung in dem System, das die Blutgerinnung kontrolliert, kann sowohl übermäßige Blutungen als auch eine übermäßige Gerinnung auslösen – beides kann gefährlich sein. Bei einer Blutgerinnungsstörung können selbst leichte Verletzungen zu starken Blutungen führen. Durch eine unkontrollierte Gerinnung verschließen sich vor allem kleine Blutgefäße an besonders empfindlichen Stellen. Verstopfte Blutgefäße im Gehirn können zu einem Schlaganfall führen und verstopfte Blutgefäße im Herzen können einen Herzinfarkt verursachen. Teile von Gerinnseln aus den Venen der Beine, des Beckens oder des Bauchs können über die Blutbahn in die Lunge gelangen und dort wichtige Arterien verstopfen (Lungenembolie).

    Die Hämostase umfasst drei große Schritte:

    • Zusammenziehen der Blutgefäße

    • Aktivierung der zellähnlichen Blutpartikel, die bei der Gerinnung (Koagulation) helfen (Blutplättchen)

    • Aktivierung der Eiweiße im Blut, die den Blutplättchen bei der Blutgerinnung helfen (Gerinnungsfaktoren)

    Blutgerinnsel: Verstopfen die beschädigten Stellen.

    Wenn eine Blutgefäßwand bei einer Verletzung beschädigt wird, werden die Blutplättchen aktiviert. Sie bekommen eine unregelmäßige Form, sammeln sich an der verletzten Gefäßwand und beginnen, das Loch zu schließen. Mit anderen Blutbestandteilen zusammen bilden sie einen Kleber, das Fibrin. Die Fibrinstränge verbinden sich zu einem Netzgewebe, das noch mehr Blutplättchen und -zellen anlockt, damit sich ein Pfropfen bildet, der die Verletzung verschließen kann.

    Blutgefäßfaktoren

    Ein verletztes Gefäß zieht sich stark zusammen, sodass das Blut nur langsam herausfließen kann. Gleichzeitig sammelt sich das ausgetretene Blut (Bluterguss oder Hämatom) und drückt von außen gegen das Gefäß, damit möglichst kein weiteres Blut mehr herausfließen kann.

    Plättchenfaktoren

    Sobald ein Blutgefäß beschädigt ist, heften sich die Blutplättchen als Folge einer Reihe von Reaktionen an die verletzte Stelle. Der „Klebstoff“, der die Plättchen an die defekte Gefäßwand leimt, ist der sogenannte Von-Willebrand-Faktor, ein großes Eiweiß, das von den Zellen in der Gefäßwand gebildet wird. Kollagen und andere Eiweiße, wie etwa Thrombin, sammeln sich an der Verletzungsstelle an und sorgen dafür, dass sich die Blutplättchen fest zusammenschließen. Die Blutplättchen formen an der verletzten Stelle ein Maschenwerk, das wie ein Pfropfen die offene Stelle verschließt. Die Blutplättchen verändern ihre Form von rund zu stachelig, und sie setzen Eiweiße und andere Stoffe frei, die weitere Blutplättchen sowie Gerinnungseiweiß anlocken, um das Gerinnsel zu vergrößern.

    Blutgerinnungsfaktoren

    Laboruntersuchung

    Der Gerinnungsvorgang umfasst zudem die Aktivierung einiger Gerinnungsfaktoren, das sind Proteine, die hauptsächlich von der Leber gebildet werden. Es gibt über ein Dutzend Blutgerinnungsfaktoren. Diese spielen in einer komplizierten Reihe chemischer Reaktionen zusammen, aus der letztendlich Thrombin hervorgeht. Das Thrombin wandelt Fibrinogen, einen Gerinnungsfaktor, der normalerweise im Blut gelöst ist, in lange Stränge von Fibrin um, das sich mit den zusammengeballten Blutplättchen zu einem netzartigen Gebilde verknüpft, welches noch mehr Plättchen und Zellen anlockt. Die Fibrinfäden halten sowohl dieses Gerinnsel zusammen als auch den Wundverschluss.

    Eine schwere Lebererkrankung (wie z. B. Zirrhose oder Leberversagen) kann die Bildung von Blutgerinnungsfaktoren verringern und das Risiko übermäßiger Blutungen erhöhen. Da die Leber zur Bildung der Blutgerinnungsfaktoren Vitamin K benötigt, kann ein Vitamin-K-Mangel zu übermäßigen Blutungen führen.

    Die Gerinnung beenden

    Die Vorgänge, welche die Bildung von Blutgerinnseln hervorrufen, werden wiederum durch andere Reaktionen kontrolliert, die den Gerinnungsvorgang auch wieder beenden und den Blutpfropfen auflösen, sobald das Blutgefäß verheilt ist. Ohne dieses Kontrollsystem würden nämlich schon winzige Verletzungen an Blutgefäßen eine über den ganzen Körper verbreitete Gerinnung auslösen – was bei einigen Erkrankungen auch tatsächlich geschieht (siehe Blutergüsse und Blutungen).

    Medikamente und Blutgerinnsel

    Die Beziehung zwischen Medikamenten und der Fähigkeit des Körpers, Blutungen zu stoppen (Hämostase), ist kompliziert. Die Fähigkeit zur Bildung von Blutgerinnseln ist lebenswichtig für die Hämostase, aber eine zu starke Blutgerinnung erhöht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenembolie. Viele Medikamente beeinflussen gewollt oder ungewollt die Blutgerinnung.

    Gerinnungshemmende Medikamente können Menschen helfen, die ein erhöhtes Risiko für Blutgerinnsel haben. Es können Medikamente verabreicht werden, welche die Klebrigkeit der Blutplättchen herabsetzen, sodass diese nicht zusammenkleben und womöglich ein Blutgefäß blockieren. Medikamente wie Aspirin, Ticlopidin, Clopidogrel, Prasugrel, Abciximab und Tirofiban verringern die Aktivität der Blutplättchen.

    Andere Patienten, bei denen ein Gerinnungsrisiko besteht, bekommen einen Gerinnungshemmer, ein Medikament, das die Aktivität der Bluteiweiße, sogenannte Gerinnungsfaktoren (Antikoagulanzien), hemmt. Sie werden zwar oft als „Blutverdünner“ bezeichnet, verdünnen das Blut aber nicht wirklich. Die gebräuchlichsten Antikoagulanzien sind Warfarin, das eingenommen werden kann, und Heparin, das gespritzt werden muss. Direkte oral einzunehmende Gerinnungshemmer (direkte orale Antikoagulanzien, DOAK) hemmen Thrombin oder den aktivierten Faktor X, starke Proteine, die für die Blutgerinnung notwendig sind, direkt. Beispiele für DOAK sind Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban.

    Patienten, die Warfarin oder Heparin anwenden, müssen unter strenger ärztlicher Beobachtung stehen. Der Arzt überwacht die Wirkung dieser Medikamente mit Bluttests, anhand derer die Gerinnungszeit gemessen wird, und er passt die Dosis auf der Grundlage der Testergebnisse an. Ist die Dosis zu gering, verhindert sie die Gerinnsel nicht, eine Überdosierung kann hingegen starke Blutungen verursachen. Andere Arten der Gerinnungshemmer, z. B. niedermolekulares Heparin, brauchen nicht so genau überwacht zu werden. Patienten, die DOAK anwenden, benötigen keine häufigen Labortests auf Blutgerinnung (Koagulation).

    Ein Thrombolytikum (Fibrinolytika) dient dazu, bereits gebildete Blutpfropfen aufzulösen. Thrombolytika, zu denen Streptokinase und Gewebe-Plasminogenaktivatoren gehören, werden manchmal zur Behandlung von einem durch Blutgerinnsel verursachten Herzinfarkt oder Schlaganfall verwendet. Diese Medikamente können Leben retten. Ihre Anwendung ist aber zugleich mit dem Risiko starker Blutungen verbunden. Heparin, ein Medikament, das zur Senkung des Gerinnungsrisikos verabreicht wird, hat manchmal eine nicht beabsichtigte Wirkung, die widersprüchlich die Blutplättchen aktiviert und dadurch das Gerinnungsrisiko erhöht (Thrombose bei durch Heparin ausgelöster Thrombozytopenie).

    Östrogen, allein oder in oralen Verhütungsmitteln, kann manchmal die unbeabsichtigte Wirkung der Auslösung übermäßiger Blutgerinnsel haben. Bestimmte Medikamente zur Behandlung von Krebs (Chemotherapeutika), wie Asparaginase, können das Gerinnungsrisiko ebenfalls erhöhen.